Simon, welcher gewürdiget wurde, Jesu das Kreuz nachzutragen, war der Vater von zween Söhnen, wel- che hernach Christen und sogar Lehrer des Evangelii wur- den. Es ist überaus wahrscheinlich, daß dieser Mann bey solcher Gelegenheit den ersten Eindruck von der Wahr- heit und Göttlichkeit der Person Jesu erhalten, und hier der Grund zu der gläubigen Annahme seiner Lehre gelegt worden. So kann der Allweise solche Begebenheiten, die uns erst unangenehm scheinen, zu unserm wahren Besten lenken. Wie beschwerlich mußte es dem Simon dünken, daß man ihn zu dieser schimpflichen Bemühung nöthigte, ei- nem Verurtheilten das Kreuz nachzutragen! Aber wie oft wird er nachher die Güte der Wege Gottes gepriesen haben, wenn er bedachte, daß diese beschwerliche Arbeit ihn zur Erkenntniß Christi und der Wahrheit seiner Lehre geleitet hatte! Und auch ich werde Gelegenheit haben, die- se Erfahrung unter meinen Leiden zu machen. Wenn es Gott gefällt, mir einen Theil von Widerwärtigkeiten zu- zumessen, so werde ich es auch anfänglich für eine harte Schickung halten. Allein ich werde, je länger ich mein Kreuz trage, desto besser einsehen, wie heilsam es für meine Seele und für meine wahre Wohlfahrt ist. Die Armuth die ich etwa erdulden muß, wird mir die Reichthümer der Gnade desto schätzbarer machen. Durch die Krankheit wer- de ich angetrieben werden, an das Heil meines unsterbli- chen Geistes zu denken. Die Verachtung, welche ich von der Welt erfahren muß, wird mich ermuntern, die Ehre bey Gott zu suchen. Der Verlust desjenigen, was mir auf der Welt das Liebste war, wird mir zur Ermunterung dienen, mich desto ernstlicher um die Freundschaft und Lie- be Gottes zu bemühen. Kurz, alle Zufälle, welche mir begegnen, werden mir, wenn ich sie heilsam anwende, zur Beförderung meiner Seligkeit dienen. Ich werde alsdann
die
J 2
Erleichterung Jeſu bey ſeinem Todesgange.
Simon, welcher gewürdiget wurde, Jeſu das Kreuz nachzutragen, war der Vater von zween Söhnen, wel- che hernach Chriſten und ſogar Lehrer des Evangelii wur- den. Es iſt überaus wahrſcheinlich, daß dieſer Mann bey ſolcher Gelegenheit den erſten Eindruck von der Wahr- heit und Göttlichkeit der Perſon Jeſu erhalten, und hier der Grund zu der gläubigen Annahme ſeiner Lehre gelegt worden. So kann der Allweiſe ſolche Begebenheiten, die uns erſt unangenehm ſcheinen, zu unſerm wahren Beſten lenken. Wie beſchwerlich mußte es dem Simon dünken, daß man ihn zu dieſer ſchimpflichen Bemühung nöthigte, ei- nem Verurtheilten das Kreuz nachzutragen! Aber wie oft wird er nachher die Güte der Wege Gottes geprieſen haben, wenn er bedachte, daß dieſe beſchwerliche Arbeit ihn zur Erkenntniß Chriſti und der Wahrheit ſeiner Lehre geleitet hatte! Und auch ich werde Gelegenheit haben, die- ſe Erfahrung unter meinen Leiden zu machen. Wenn es Gott gefällt, mir einen Theil von Widerwärtigkeiten zu- zumeſſen, ſo werde ich es auch anfänglich für eine harte Schickung halten. Allein ich werde, je länger ich mein Kreuz trage, deſto beſſer einſehen, wie heilſam es für meine Seele und für meine wahre Wohlfahrt iſt. Die Armuth die ich etwa erdulden muß, wird mir die Reichthümer der Gnade deſto ſchätzbarer machen. Durch die Krankheit wer- de ich angetrieben werden, an das Heil meines unſterbli- chen Geiſtes zu denken. Die Verachtung, welche ich von der Welt erfahren muß, wird mich ermuntern, die Ehre bey Gott zu ſuchen. Der Verluſt desjenigen, was mir auf der Welt das Liebſte war, wird mir zur Ermunterung dienen, mich deſto ernſtlicher um die Freundſchaft und Lie- be Gottes zu bemühen. Kurz, alle Zufälle, welche mir begegnen, werden mir, wenn ich ſie heilſam anwende, zur Beförderung meiner Seligkeit dienen. Ich werde alsdann
die
J 2
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0153"n="131"/><fwplace="top"type="header">Erleichterung Jeſu bey ſeinem Todesgange.</fw><lb/><p>Simon, welcher gewürdiget wurde, Jeſu das Kreuz<lb/>
nachzutragen, war der Vater von zween Söhnen, wel-<lb/>
che hernach Chriſten und ſogar Lehrer des Evangelii wur-<lb/>
den. Es iſt überaus wahrſcheinlich, daß dieſer Mann bey<lb/>ſolcher Gelegenheit den erſten Eindruck von der Wahr-<lb/>
heit und Göttlichkeit der Perſon Jeſu erhalten, und hier<lb/>
der Grund zu der gläubigen Annahme ſeiner Lehre gelegt<lb/>
worden. So kann der Allweiſe ſolche Begebenheiten, die<lb/>
uns erſt unangenehm ſcheinen, zu unſerm wahren Beſten<lb/>
lenken. Wie beſchwerlich mußte es dem Simon dünken,<lb/>
daß man ihn zu dieſer ſchimpflichen Bemühung nöthigte, ei-<lb/>
nem Verurtheilten das Kreuz nachzutragen! Aber wie<lb/>
oft wird er nachher die Güte der Wege Gottes geprieſen<lb/>
haben, wenn er bedachte, daß dieſe beſchwerliche Arbeit<lb/>
ihn zur Erkenntniß Chriſti und der Wahrheit ſeiner Lehre<lb/>
geleitet hatte! Und auch ich werde Gelegenheit haben, die-<lb/>ſe Erfahrung unter meinen Leiden zu machen. Wenn es<lb/>
Gott gefällt, mir einen Theil von Widerwärtigkeiten zu-<lb/>
zumeſſen, ſo werde ich es auch anfänglich für eine harte<lb/>
Schickung halten. Allein ich werde, je länger ich mein<lb/>
Kreuz trage, deſto beſſer einſehen, wie heilſam es für meine<lb/>
Seele und für meine wahre Wohlfahrt iſt. Die Armuth<lb/>
die ich etwa erdulden muß, wird mir die Reichthümer der<lb/>
Gnade deſto ſchätzbarer machen. Durch die Krankheit wer-<lb/>
de ich angetrieben werden, an das Heil meines unſterbli-<lb/>
chen Geiſtes zu denken. Die Verachtung, welche ich von<lb/>
der Welt erfahren muß, wird mich ermuntern, die Ehre<lb/>
bey Gott zu ſuchen. Der Verluſt desjenigen, was mir<lb/>
auf der Welt das Liebſte war, wird mir zur Ermunterung<lb/>
dienen, mich deſto ernſtlicher um die Freundſchaft und Lie-<lb/>
be Gottes zu bemühen. Kurz, alle Zufälle, welche mir<lb/>
begegnen, werden mir, wenn ich ſie heilſam anwende, zur<lb/>
Beförderung meiner Seligkeit dienen. Ich werde alsdann<lb/><fwplace="bottom"type="sig">J 2</fw><fwplace="bottom"type="catch">die</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[131/0153]
Erleichterung Jeſu bey ſeinem Todesgange.
Simon, welcher gewürdiget wurde, Jeſu das Kreuz
nachzutragen, war der Vater von zween Söhnen, wel-
che hernach Chriſten und ſogar Lehrer des Evangelii wur-
den. Es iſt überaus wahrſcheinlich, daß dieſer Mann bey
ſolcher Gelegenheit den erſten Eindruck von der Wahr-
heit und Göttlichkeit der Perſon Jeſu erhalten, und hier
der Grund zu der gläubigen Annahme ſeiner Lehre gelegt
worden. So kann der Allweiſe ſolche Begebenheiten, die
uns erſt unangenehm ſcheinen, zu unſerm wahren Beſten
lenken. Wie beſchwerlich mußte es dem Simon dünken,
daß man ihn zu dieſer ſchimpflichen Bemühung nöthigte, ei-
nem Verurtheilten das Kreuz nachzutragen! Aber wie
oft wird er nachher die Güte der Wege Gottes geprieſen
haben, wenn er bedachte, daß dieſe beſchwerliche Arbeit
ihn zur Erkenntniß Chriſti und der Wahrheit ſeiner Lehre
geleitet hatte! Und auch ich werde Gelegenheit haben, die-
ſe Erfahrung unter meinen Leiden zu machen. Wenn es
Gott gefällt, mir einen Theil von Widerwärtigkeiten zu-
zumeſſen, ſo werde ich es auch anfänglich für eine harte
Schickung halten. Allein ich werde, je länger ich mein
Kreuz trage, deſto beſſer einſehen, wie heilſam es für meine
Seele und für meine wahre Wohlfahrt iſt. Die Armuth
die ich etwa erdulden muß, wird mir die Reichthümer der
Gnade deſto ſchätzbarer machen. Durch die Krankheit wer-
de ich angetrieben werden, an das Heil meines unſterbli-
chen Geiſtes zu denken. Die Verachtung, welche ich von
der Welt erfahren muß, wird mich ermuntern, die Ehre
bey Gott zu ſuchen. Der Verluſt desjenigen, was mir
auf der Welt das Liebſte war, wird mir zur Ermunterung
dienen, mich deſto ernſtlicher um die Freundſchaft und Lie-
be Gottes zu bemühen. Kurz, alle Zufälle, welche mir
begegnen, werden mir, wenn ich ſie heilſam anwende, zur
Beförderung meiner Seligkeit dienen. Ich werde alsdann
die
J 2
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
Weitere Informationen …
Matthias Boenig, Yannic Bracke, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Linda Kirsten, Xi Zhang:
Arbeitsschritte im Digitalisierungsworkflow: Vorbereitung der Bildvorlagen für die Textdigitalisierung; Bearbeitung, Konvertierung und ggf. Nachstrukturierung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription
Sturm, Christoph Christian: Unterhaltung der Andacht über die Leidensgeschichte Jesu. 2. Aufl. Halle (Saale), 1775, S. 131. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sturm_unterhaltung_1781/153>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.