Sturm, Christoph Christian: Unterhaltung der Andacht über die Leidensgeschichte Jesu. 2. Aufl. Halle (Saale), 1775.Letzter Todesgang Jesu. Jerusalem! Zittern deine Mauren nicht, da sie von Jerusalem sey mir ein warnendes Beyspiel, daß See-
Letzter Todesgang Jeſu. Jeruſalem! Zittern deine Mauren nicht, da ſie von Jeruſalem ſey mir ein warnendes Beyſpiel, daß See-
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0149" n="127"/> <fw place="top" type="header">Letzter Todesgang Jeſu.</fw><lb/> <p><hi rendition="#in">J</hi>eruſalem! Zittern deine Mauren nicht, da ſie von<lb/> demjenigen verlaſſen werden, der Heil und Segen<lb/> in dieſelben brachte? Elende Stadt, was werden<lb/> deine Palläſte, deine Heiligthümer, deine Wohnungen<lb/> werden, da derjenige aus dir vertrieben wird, dem du es<lb/> zu danken hatteſt, daß ſie noch nicht Aſchenhaufen wor-<lb/> den ſind? Arme, Kranke und Verlaſſene, zu wem wer-<lb/> det ihr jetzt fliehen können, da euer Arzt und euer Bey-<lb/> ſtand von euch genommen wird? Wer wird euch jetzt, o<lb/> Sünder, Heil und Gnade predigen, da derjenige von<lb/> euch weicht, der ſein ganzes Leben in dieſer wohlthätigen<lb/> Beſchäftigung verzehrte? Jeruſalem! Wehe dir! We-<lb/> he deinen Kindern! Wehe deinen Palläſten! — Ach, be-<lb/> denkeſt du nicht, was zu deinem Frieden dienet? Dein<lb/> Wohlthäter geht jetzt aus deinen Mauren. Ach, er wird<lb/> nicht ſo blutig, ſo verachtet, zu dir wiederkommen, als er<lb/> hinausgieng. Er wird nicht mit ſo viel Segen und Gna-<lb/> de zu dir zurückkehren, als es das erſte mal geſchah, da er<lb/> zu deinen Thoren eingieng. Wenn er wiederkommen wird<lb/> — ach! da zittere für deine Palläſte, für deine Heilig-<lb/> thümer, für deine Kinder, — wird der Fluch zu ſeiner<lb/> Linken, und Verderben zu ſeiner Rechten ſeyn. Du wirſt<lb/> nicht mehr in deiner frechen Wuth frohlocken; weinen<lb/> wirſt du, dich verfluchen und im Fluche ſterben.</p><lb/> <p>Jeruſalem ſey mir ein warnendes Beyſpiel, daß<lb/> ich mich nie durch Sünden und Bosheiten deiner Ge-<lb/> genwart und Gnade, o Jeſu, verluſtig mache. Was<lb/> wird aus mir werden, wenn du von mir weicheſt, und<lb/> mir den Geiſt der Gnaden entzieheſt? Ach, alle Schätze<lb/> der Welt, alle Freuden, alle Herrlichkeiten können mir<lb/> dieſen Verluſt nicht erſetzen. Wenn ich dich nicht zum<lb/> Freunde habe, was kann mir der Himmel, was die Erde<lb/> nützen? Was kann mich erquicken, wenn mir Leib und<lb/> <fw place="bottom" type="catch">See-</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [127/0149]
Letzter Todesgang Jeſu.
Jeruſalem! Zittern deine Mauren nicht, da ſie von
demjenigen verlaſſen werden, der Heil und Segen
in dieſelben brachte? Elende Stadt, was werden
deine Palläſte, deine Heiligthümer, deine Wohnungen
werden, da derjenige aus dir vertrieben wird, dem du es
zu danken hatteſt, daß ſie noch nicht Aſchenhaufen wor-
den ſind? Arme, Kranke und Verlaſſene, zu wem wer-
det ihr jetzt fliehen können, da euer Arzt und euer Bey-
ſtand von euch genommen wird? Wer wird euch jetzt, o
Sünder, Heil und Gnade predigen, da derjenige von
euch weicht, der ſein ganzes Leben in dieſer wohlthätigen
Beſchäftigung verzehrte? Jeruſalem! Wehe dir! We-
he deinen Kindern! Wehe deinen Palläſten! — Ach, be-
denkeſt du nicht, was zu deinem Frieden dienet? Dein
Wohlthäter geht jetzt aus deinen Mauren. Ach, er wird
nicht ſo blutig, ſo verachtet, zu dir wiederkommen, als er
hinausgieng. Er wird nicht mit ſo viel Segen und Gna-
de zu dir zurückkehren, als es das erſte mal geſchah, da er
zu deinen Thoren eingieng. Wenn er wiederkommen wird
— ach! da zittere für deine Palläſte, für deine Heilig-
thümer, für deine Kinder, — wird der Fluch zu ſeiner
Linken, und Verderben zu ſeiner Rechten ſeyn. Du wirſt
nicht mehr in deiner frechen Wuth frohlocken; weinen
wirſt du, dich verfluchen und im Fluche ſterben.
Jeruſalem ſey mir ein warnendes Beyſpiel, daß
ich mich nie durch Sünden und Bosheiten deiner Ge-
genwart und Gnade, o Jeſu, verluſtig mache. Was
wird aus mir werden, wenn du von mir weicheſt, und
mir den Geiſt der Gnaden entzieheſt? Ach, alle Schätze
der Welt, alle Freuden, alle Herrlichkeiten können mir
dieſen Verluſt nicht erſetzen. Wenn ich dich nicht zum
Freunde habe, was kann mir der Himmel, was die Erde
nützen? Was kann mich erquicken, wenn mir Leib und
See-
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