Vater angenehm gemacht, und ihr könnt die grosse Hoff- nung haben, einst um seiner erduldeten Schmach willen, die Krone der Herrlichkeit zu erhalten.
Sehet, welch ein Mensch! Seht ihn an, ihr redlichen Seelen, und laßt euch durch den Anblick seiner Martern erwecken, den immer brünstiger, immer treuer, immer standhafter zu lieben, der aus Liebe zu euch so tief, so tief erniedriget, so unmenschlich mißhandelt worden ist. Was würdet ihr thun, wenn ihr einen Freund hättet, der an eurer Stelle alle Mühseligkeiten und Leiden übernähme? Würde nicht da euer Herz zur inbrünstigsten Liebe hinge- rissen werden? Und was seyd ihr eurem besten, treuesten Freunde schuldig, der mehr an euch gethan hat, als ihr von dem redlichgesinntesten Freunde erwarten konntet? Was sagt euch sein zerfleischter, blutiger Leib, sein striemenvolles Ange- sicht, sein gebeugtes gemartertes Herz? Ach, Liebe, Liebe fordert alles von euch. Und ihr könnt nicht, ohne grau- sam zu seyn, ihr könnt ihm dieses Opfer nicht versagen. Wenn er von euch forderte, daß ihr, wie er, alle Schmach und Schande von der Welt erdulden solltet; daß ihr, wie er, die Schläge der Bosheit, die Wuth der Grausamkeit erdulden solltet; wenn er von euch zum Beweise eurer Auf- richtigkeit forderte, daß ihr einen Theil seiner Leiden tragen solltet: könntet ihr euch dieser Pflicht entziehen? Ach, alles was ihr auch dulden könntet, würde gegen dasjenige wie nichts zu rechnen seyn, was euer Heiland erfahren mußte. Jedoch, ein so schweres, ein so blutiges Opfer verlangt er nicht von euch. Alles, wozu er euch auffor- dert, ist, daß ihr ihn um seiner Leiden willen, lieben, und ihm unveränderlich treu bleiben sollt. Nun, so entschlies- set euch dann aufs neue, zu dieser so gerechten, so ange- nehmen Pflicht. Gelobet es eurem Erlöser, ihn von gan-
zer
Sieben und zwanzigſte Betrachtung.
Vater angenehm gemacht, und ihr könnt die groſſe Hoff- nung haben, einſt um ſeiner erduldeten Schmach willen, die Krone der Herrlichkeit zu erhalten.
Sehet, welch ein Menſch! Seht ihn an, ihr redlichen Seelen, und laßt euch durch den Anblick ſeiner Martern erwecken, den immer brünſtiger, immer treuer, immer ſtandhafter zu lieben, der aus Liebe zu euch ſo tief, ſo tief erniedriget, ſo unmenſchlich mißhandelt worden iſt. Was würdet ihr thun, wenn ihr einen Freund hättet, der an eurer Stelle alle Mühſeligkeiten und Leiden übernähme? Würde nicht da euer Herz zur inbrünſtigſten Liebe hinge- riſſen werden? Und was ſeyd ihr eurem beſten, treueſten Freunde ſchuldig, der mehr an euch gethan hat, als ihr von dem redlichgeſinnteſten Freunde erwarten konntet? Was ſagt euch ſein zerfleiſchter, blutiger Leib, ſein ſtriemenvolles Ange- ſicht, ſein gebeugtes gemartertes Herz? Ach, Liebe, Liebe fordert alles von euch. Und ihr könnt nicht, ohne grau- ſam zu ſeyn, ihr könnt ihm dieſes Opfer nicht verſagen. Wenn er von euch forderte, daß ihr, wie er, alle Schmach und Schande von der Welt erdulden ſolltet; daß ihr, wie er, die Schläge der Bosheit, die Wuth der Grauſamkeit erdulden ſolltet; wenn er von euch zum Beweiſe eurer Auf- richtigkeit forderte, daß ihr einen Theil ſeiner Leiden tragen ſolltet: könntet ihr euch dieſer Pflicht entziehen? Ach, alles was ihr auch dulden könntet, würde gegen dasjenige wie nichts zu rechnen ſeyn, was euer Heiland erfahren mußte. Jedoch, ein ſo ſchweres, ein ſo blutiges Opfer verlangt er nicht von euch. Alles, wozu er euch auffor- dert, iſt, daß ihr ihn um ſeiner Leiden willen, lieben, und ihm unveränderlich treu bleiben ſollt. Nun, ſo entſchlieſ- ſet euch dann aufs neue, zu dieſer ſo gerechten, ſo ange- nehmen Pflicht. Gelobet es eurem Erlöſer, ihn von gan-
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Sieben und zwanzigſte Betrachtung.
Vater angenehm gemacht, und ihr könnt die groſſe Hoff-
nung haben, einſt um ſeiner erduldeten Schmach willen,
die Krone der Herrlichkeit zu erhalten.
Sehet, welch ein Menſch! Seht ihn an, ihr
redlichen Seelen, und laßt euch durch den Anblick ſeiner
Martern erwecken, den immer brünſtiger, immer treuer,
immer ſtandhafter zu lieben, der aus Liebe zu euch ſo tief,
ſo tief erniedriget, ſo unmenſchlich mißhandelt worden iſt.
Was würdet ihr thun, wenn ihr einen Freund hättet, der
an eurer Stelle alle Mühſeligkeiten und Leiden übernähme?
Würde nicht da euer Herz zur inbrünſtigſten Liebe hinge-
riſſen werden? Und was ſeyd ihr eurem beſten, treueſten
Freunde ſchuldig, der mehr an euch gethan hat, als ihr von
dem redlichgeſinnteſten Freunde erwarten konntet? Was ſagt
euch ſein zerfleiſchter, blutiger Leib, ſein ſtriemenvolles Ange-
ſicht, ſein gebeugtes gemartertes Herz? Ach, Liebe, Liebe
fordert alles von euch. Und ihr könnt nicht, ohne grau-
ſam zu ſeyn, ihr könnt ihm dieſes Opfer nicht verſagen.
Wenn er von euch forderte, daß ihr, wie er, alle Schmach
und Schande von der Welt erdulden ſolltet; daß ihr, wie
er, die Schläge der Bosheit, die Wuth der Grauſamkeit
erdulden ſolltet; wenn er von euch zum Beweiſe eurer Auf-
richtigkeit forderte, daß ihr einen Theil ſeiner Leiden tragen
ſolltet: könntet ihr euch dieſer Pflicht entziehen? Ach,
alles was ihr auch dulden könntet, würde gegen dasjenige
wie nichts zu rechnen ſeyn, was euer Heiland erfahren
mußte. Jedoch, ein ſo ſchweres, ein ſo blutiges Opfer
verlangt er nicht von euch. Alles, wozu er euch auffor-
dert, iſt, daß ihr ihn um ſeiner Leiden willen, lieben, und
ihm unveränderlich treu bleiben ſollt. Nun, ſo entſchlieſ-
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Matthias Boenig, Yannic Bracke, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Linda Kirsten, Xi Zhang:
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Sturm, Christoph Christian: Unterhaltung der Andacht über die Leidensgeschichte Jesu. 2. Aufl. Halle (Saale), 1775, S. 124. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sturm_unterhaltung_1781/146>, abgerufen am 16.02.2025.
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