und welches Herzeleid es eurem göttlichen Bürgen gebracht hat, daß ihr gesündiget habt! Alle seine Leiden mahlen euch die Strafen ab, die eure Sünden verdienet haben. Seine Schmerzen führen euch auf die Pein, die euch dort ewig quälen wird, wenn ihr hier fortfahret, seine Versöh- nung gering zu achten. Ach, welche verworfene, unglück- selige Menschen werdet ihr dort seyn, wenn ihr nicht die grosse Schmach Jesu zu Herzen nehmen wollt!
Seht, welch ein Mensch! So rufe ich euch zu, ihr Sünder, deren Gewissen erwacht ist, die ihr die Grösse eures Elendes lebendig fühlet. Nun erkennet ihr euch in der elenden Gestalt, die euch vor Gott zum Greuel macht. Bisher hieltet ihr euch bey der Ausübung der Sünden für glückliche Menschen. Aber nun, Dank sey es der Gnade Jesu! nun sehet ihr ein, wie unmenschlich euch die Sünde gemacht hat; nun erkennet ihr die Grösse eurer Zerrüttung, und die Schmach, in welche euch die Sünde gestürzt hat. Welch ein Mensch bin ich! sprecht ihr. Wie tief bin ich gefallen! Wie verabscheuungswür- dig haben mich meine Missethaten gemacht! Wie bin ich Gott und den Engeln und allen Rechtschaffenen so sehr zum Greuel worden! Wie kann ich meine Augen in die Höhe heben, ich elendender, verfluchter, verlohrner Mensch! -- Zagende Herzen, sehet auf jenen Menschen, durch welchen das ganze Menschengeschlecht |begnadiget worden ist. In solche Tiefe der Schmach, des Elendes und der Schmer- zen, muste der allerunschuldigste Mensch herabsinken, um euch aus eurer Schande und Schmach zu erheben. In ihm sehet ihr, was ihr seyn solltet, was ihr verdienet hattet, was ihr wirklich seyn und was ihr werden könnet. Ihr solltet ewig ein Abscheu Gottes und der Seligen seyn: ewig solltet ihr von Gott verworfen werden. Aber nun seyd ihr durch diesen gemarterten Gottmenschen, eurem
Va-
Der rührende Anblick Jeſu.
und welches Herzeleid es eurem göttlichen Bürgen gebracht hat, daß ihr geſündiget habt! Alle ſeine Leiden mahlen euch die Strafen ab, die eure Sünden verdienet haben. Seine Schmerzen führen euch auf die Pein, die euch dort ewig quälen wird, wenn ihr hier fortfahret, ſeine Verſöh- nung gering zu achten. Ach, welche verworfene, unglück- ſelige Menſchen werdet ihr dort ſeyn, wenn ihr nicht die groſſe Schmach Jeſu zu Herzen nehmen wollt!
Seht, welch ein Menſch! So rufe ich euch zu, ihr Sünder, deren Gewiſſen erwacht iſt, die ihr die Gröſſe eures Elendes lebendig fühlet. Nun erkennet ihr euch in der elenden Geſtalt, die euch vor Gott zum Greuel macht. Bisher hieltet ihr euch bey der Ausübung der Sünden für glückliche Menſchen. Aber nun, Dank ſey es der Gnade Jeſu! nun ſehet ihr ein, wie unmenſchlich euch die Sünde gemacht hat; nun erkennet ihr die Gröſſe eurer Zerrüttung, und die Schmach, in welche euch die Sünde geſtürzt hat. Welch ein Menſch bin ich! ſprecht ihr. Wie tief bin ich gefallen! Wie verabſcheuungswür- dig haben mich meine Miſſethaten gemacht! Wie bin ich Gott und den Engeln und allen Rechtſchaffenen ſo ſehr zum Greuel worden! Wie kann ich meine Augen in die Höhe heben, ich elendender, verfluchter, verlohrner Menſch! — Zagende Herzen, ſehet auf jenen Menſchen, durch welchen das ganze Menſchengeſchlecht |begnadiget worden iſt. In ſolche Tiefe der Schmach, des Elendes und der Schmer- zen, muſte der allerunſchuldigſte Menſch herabſinken, um euch aus eurer Schande und Schmach zu erheben. In ihm ſehet ihr, was ihr ſeyn ſolltet, was ihr verdienet hattet, was ihr wirklich ſeyn und was ihr werden könnet. Ihr ſolltet ewig ein Abſcheu Gottes und der Seligen ſeyn: ewig ſolltet ihr von Gott verworfen werden. Aber nun ſeyd ihr durch dieſen gemarterten Gottmenſchen, eurem
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Der rührende Anblick Jeſu.
und welches Herzeleid es eurem göttlichen Bürgen gebracht
hat, daß ihr geſündiget habt! Alle ſeine Leiden mahlen
euch die Strafen ab, die eure Sünden verdienet haben.
Seine Schmerzen führen euch auf die Pein, die euch dort
ewig quälen wird, wenn ihr hier fortfahret, ſeine Verſöh-
nung gering zu achten. Ach, welche verworfene, unglück-
ſelige Menſchen werdet ihr dort ſeyn, wenn ihr nicht die
groſſe Schmach Jeſu zu Herzen nehmen wollt!
Seht, welch ein Menſch! So rufe ich euch zu,
ihr Sünder, deren Gewiſſen erwacht iſt, die ihr die Gröſſe
eures Elendes lebendig fühlet. Nun erkennet ihr euch in
der elenden Geſtalt, die euch vor Gott zum Greuel
macht. Bisher hieltet ihr euch bey der Ausübung der
Sünden für glückliche Menſchen. Aber nun, Dank ſey
es der Gnade Jeſu! nun ſehet ihr ein, wie unmenſchlich
euch die Sünde gemacht hat; nun erkennet ihr die Gröſſe
eurer Zerrüttung, und die Schmach, in welche euch die
Sünde geſtürzt hat. Welch ein Menſch bin ich! ſprecht
ihr. Wie tief bin ich gefallen! Wie verabſcheuungswür-
dig haben mich meine Miſſethaten gemacht! Wie bin ich
Gott und den Engeln und allen Rechtſchaffenen ſo ſehr zum
Greuel worden! Wie kann ich meine Augen in die Höhe
heben, ich elendender, verfluchter, verlohrner Menſch! —
Zagende Herzen, ſehet auf jenen Menſchen, durch welchen
das ganze Menſchengeſchlecht |begnadiget worden iſt. In
ſolche Tiefe der Schmach, des Elendes und der Schmer-
zen, muſte der allerunſchuldigſte Menſch herabſinken, um
euch aus eurer Schande und Schmach zu erheben. In
ihm ſehet ihr, was ihr ſeyn ſolltet, was ihr verdienet hattet,
was ihr wirklich ſeyn und was ihr werden könnet. Ihr
ſolltet ewig ein Abſcheu Gottes und der Seligen ſeyn:
ewig ſolltet ihr von Gott verworfen werden. Aber nun
ſeyd ihr durch dieſen gemarterten Gottmenſchen, eurem
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Sturm, Christoph Christian: Unterhaltung der Andacht über die Leidensgeschichte Jesu. 2. Aufl. Halle (Saale), 1775, S. 123. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sturm_unterhaltung_1781/145>, abgerufen am 16.02.2025.
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