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Sturm, Christoph Christian: Unterhaltung der Andacht über die Leidensgeschichte Jesu. 2. Aufl. Halle (Saale), 1775.

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Leiden Jesu an dem Hofe Herodis.
rodes mit seinem Hofgesinde verachtete und verspottete ihn, leg-
te ihm ein weiß Kleid an, und sandte ihn wieder zu Pilato.

Nichts, o liebenswürdiger Jesu, kann deine Grösse und
die Unschuld deines Herzens verdunkeln. Du magst
dich unter den Händen niederträchtiger Sklaven
befinden, oder verruchten Missethätern an die Seite ge-
stellt werden. Ueberall bist du groß und liebenswürdig,
und für meinen Glauben tröstlich. Zwar es scheint de-
müthigend für deine göttliche Person zu seyn, wenn du
von den Fürsten der Erde, deren Macht die Unschuld schü-
tzen sollte, den Spott und die grausamsten Mißhandlun-
gen erdulden mußt: wenn ein Herodes sich erkühnt, dir
Hohn zu sprechen, und sein Hofgesinde um dich her ver-
sammlet, dich mit pöbelhaftem Muthwillen zu verspotten.
Aber dennoch bleibst du der über alles erhabne König.
Fürsten, die durch nichts weiter, als einige Meilen Län-
der, oder durch eine scheinbare Pracht, oder durch er-
kaufte Kriegsheere ihre Hoheit zu offenbaren vermögend
sind, würden unter diesen Umständen in einer mitleidens-
würdigen Gestalt erscheinen. Aber du, dessen Reich un-
endlich, und dessen Ruhm Unschuld und Wahrheit ist,
kannst dich ohne schamroth, ohne erniedriget zu werden,
auch vor den Königen der Erde darstellen. Welchen Ab-
bruch konnte deine göttliche Majestät vor dem Throne ei-
nes kleinen Tyrannen leiden! Herodes, der durch die
Gnade der Römer ein König war, konnte er deine Macht
schmälern, die du von Ewigkeit durch dich selbst hattest?
Er, ein Wollüstling, ein Ehebrecher, ein Prophetenmör-
der, konnte er die wohlthätige Unschuld deines Lebens ver-
dunkeln? Er, der alle Verachtung verdiente, konnte er
dich durch seinen leichtsinnigen Spott erniedrigen?

Al-
G 3
Leiden Jeſu an dem Hofe Herodis.
rodes mit ſeinem Hofgeſinde verachtete und verſpottete ihn, leg-
te ihm ein weiß Kleid an, und ſandte ihn wieder zu Pilato.

Nichts, o liebenswürdiger Jeſu, kann deine Gröſſe und
die Unſchuld deines Herzens verdunkeln. Du magſt
dich unter den Händen niederträchtiger Sklaven
befinden, oder verruchten Miſſethätern an die Seite ge-
ſtellt werden. Ueberall biſt du groß und liebenswürdig,
und für meinen Glauben tröſtlich. Zwar es ſcheint de-
müthigend für deine göttliche Perſon zu ſeyn, wenn du
von den Fürſten der Erde, deren Macht die Unſchuld ſchü-
tzen ſollte, den Spott und die grauſamſten Mißhandlun-
gen erdulden mußt: wenn ein Herodes ſich erkühnt, dir
Hohn zu ſprechen, und ſein Hofgeſinde um dich her ver-
ſammlet, dich mit pöbelhaftem Muthwillen zu verſpotten.
Aber dennoch bleibſt du der über alles erhabne König.
Fürſten, die durch nichts weiter, als einige Meilen Län-
der, oder durch eine ſcheinbare Pracht, oder durch er-
kaufte Kriegsheere ihre Hoheit zu offenbaren vermögend
ſind, würden unter dieſen Umſtänden in einer mitleidens-
würdigen Geſtalt erſcheinen. Aber du, deſſen Reich un-
endlich, und deſſen Ruhm Unſchuld und Wahrheit iſt,
kannſt dich ohne ſchamroth, ohne erniedriget zu werden,
auch vor den Königen der Erde darſtellen. Welchen Ab-
bruch konnte deine göttliche Majeſtät vor dem Throne ei-
nes kleinen Tyrannen leiden! Herodes, der durch die
Gnade der Römer ein König war, konnte er deine Macht
ſchmälern, die du von Ewigkeit durch dich ſelbſt hatteſt?
Er, ein Wollüſtling, ein Ehebrecher, ein Prophetenmör-
der, konnte er die wohlthätige Unſchuld deines Lebens ver-
dunkeln? Er, der alle Verachtung verdiente, konnte er
dich durch ſeinen leichtſinnigen Spott erniedrigen?

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G 3
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[101/0123] Leiden Jeſu an dem Hofe Herodis. rodes mit ſeinem Hofgeſinde verachtete und verſpottete ihn, leg- te ihm ein weiß Kleid an, und ſandte ihn wieder zu Pilato. Nichts, o liebenswürdiger Jeſu, kann deine Gröſſe und die Unſchuld deines Herzens verdunkeln. Du magſt dich unter den Händen niederträchtiger Sklaven befinden, oder verruchten Miſſethätern an die Seite ge- ſtellt werden. Ueberall biſt du groß und liebenswürdig, und für meinen Glauben tröſtlich. Zwar es ſcheint de- müthigend für deine göttliche Perſon zu ſeyn, wenn du von den Fürſten der Erde, deren Macht die Unſchuld ſchü- tzen ſollte, den Spott und die grauſamſten Mißhandlun- gen erdulden mußt: wenn ein Herodes ſich erkühnt, dir Hohn zu ſprechen, und ſein Hofgeſinde um dich her ver- ſammlet, dich mit pöbelhaftem Muthwillen zu verſpotten. Aber dennoch bleibſt du der über alles erhabne König. Fürſten, die durch nichts weiter, als einige Meilen Län- der, oder durch eine ſcheinbare Pracht, oder durch er- kaufte Kriegsheere ihre Hoheit zu offenbaren vermögend ſind, würden unter dieſen Umſtänden in einer mitleidens- würdigen Geſtalt erſcheinen. Aber du, deſſen Reich un- endlich, und deſſen Ruhm Unſchuld und Wahrheit iſt, kannſt dich ohne ſchamroth, ohne erniedriget zu werden, auch vor den Königen der Erde darſtellen. Welchen Ab- bruch konnte deine göttliche Majeſtät vor dem Throne ei- nes kleinen Tyrannen leiden! Herodes, der durch die Gnade der Römer ein König war, konnte er deine Macht ſchmälern, die du von Ewigkeit durch dich ſelbſt hatteſt? Er, ein Wollüſtling, ein Ehebrecher, ein Prophetenmör- der, konnte er die wohlthätige Unſchuld deines Lebens ver- dunkeln? Er, der alle Verachtung verdiente, konnte er dich durch ſeinen leichtſinnigen Spott erniedrigen? Al- G 3

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Zitationshilfe: Sturm, Christoph Christian: Unterhaltung der Andacht über die Leidensgeschichte Jesu. 2. Aufl. Halle (Saale), 1775, S. 101. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sturm_unterhaltung_1781/123>, abgerufen am 28.11.2024.