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Sturm, Christoph Christian: Unterhaltung der Andacht über die Leidensgeschichte Jesu. 2. Aufl. Halle (Saale), 1775.

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Siebzehnte Betrachtung.
vor ihren Rath, und sprachen: Bist du Christus? Sa-
ge es uns. Er sprach aber zu ihnen: Sage ichs euch,
so glaubet ihrs nicht. Frage ich aber, so antwortet ihr
nicht und lasset mich doch nicht los. Darum von nun an
wird des Menschen Sohn sitzen zur rechten Hand der Krast
Gottes.

Es gereicht zu ungemeiner Stärkung meines Glau-
bens, je mehr ich überzeugt werde, daß der leidende
Jesus wahrer und ewiger Gott ist. Jesus bedien-
te sich daher aller Gelegenheiten, wo er seinen Feinden hie-
von einen sichtbaren Beweiß geben konnte. Bisher hatte
er bey allen Fragen, die man an ihn gethan hatte, bey allen
Mishandlungen, die ihm widerfahren waren, stille ge-
schwiegen. Aber da es darauf ankam, die Wahrheit sei-
nes Mittleramtes und seiner Gottheit zu bezeugen, so rede-
te er mit aller Freymüthigkeit und mit dem göttlichsten Nach-
druck. Er erklärt seinen Feinden, daß in kurzem die Of-
fenbarung seiner Allmacht und Majestät ihren Anfang neh-
men würde, wenn nemlich der heilige Geist sichtbar aus-
gegossen seyn, und seine Zorngerichte über Jerusalem he-
reinbrechen würden. Und zu welcher Würde erhebt Je-
sum dieses Bekenntniß der Wahrheit! Nach wenigen
Wochen fieng sich die Erfüllung seiner Worte an; und
als die Stunde der Rache über Jerusalem hereinbrach, da
waren noch die meisten von denjenigen vorhanden, die
jetzt seine Worte angehört hatten.

Ueberhaupt sind die Beweise der Gottheit Jesu
selbst in seiner tiefsten Erniedrigung ungemein zahlreich
und unwidersprechlich. Er kennt seinen Verräther zum
voraus: er bestimmt die Zeit, wenn Petrus ihn ver-
läugnen würde: er schlägt seine Feinde durch ein Wort
zu Boden: er thut in demselben Augenblick, da er gebun-

den
Siebzehnte Betrachtung.
vor ihren Rath, und ſprachen: Biſt du Chriſtus? Sa-
ge es uns. Er ſprach aber zu ihnen: Sage ichs euch,
ſo glaubet ihrs nicht. Frage ich aber, ſo antwortet ihr
nicht und laſſet mich doch nicht los. Darum von nun an
wird des Menſchen Sohn ſitzen zur rechten Hand der Kraſt
Gottes.

Es gereicht zu ungemeiner Stärkung meines Glau-
bens, je mehr ich überzeugt werde, daß der leidende
Jeſus wahrer und ewiger Gott iſt. Jeſus bedien-
te ſich daher aller Gelegenheiten, wo er ſeinen Feinden hie-
von einen ſichtbaren Beweiß geben konnte. Bisher hatte
er bey allen Fragen, die man an ihn gethan hatte, bey allen
Mishandlungen, die ihm widerfahren waren, ſtille ge-
ſchwiegen. Aber da es darauf ankam, die Wahrheit ſei-
nes Mittleramtes und ſeiner Gottheit zu bezeugen, ſo rede-
te er mit aller Freymüthigkeit und mit dem göttlichſten Nach-
druck. Er erklärt ſeinen Feinden, daß in kurzem die Of-
fenbarung ſeiner Allmacht und Majeſtät ihren Anfang neh-
men würde, wenn nemlich der heilige Geiſt ſichtbar aus-
gegoſſen ſeyn, und ſeine Zorngerichte über Jeruſalem he-
reinbrechen würden. Und zu welcher Würde erhebt Je-
ſum dieſes Bekenntniß der Wahrheit! Nach wenigen
Wochen fieng ſich die Erfüllung ſeiner Worte an; und
als die Stunde der Rache über Jeruſalem hereinbrach, da
waren noch die meiſten von denjenigen vorhanden, die
jetzt ſeine Worte angehört hatten.

Ueberhaupt ſind die Beweiſe der Gottheit Jeſu
ſelbſt in ſeiner tiefſten Erniedrigung ungemein zahlreich
und unwiderſprechlich. Er kennt ſeinen Verräther zum
voraus: er beſtimmt die Zeit, wenn Petrus ihn ver-
läugnen würde: er ſchlägt ſeine Feinde durch ein Wort
zu Boden: er thut in demſelben Augenblick, da er gebun-

den
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[80/0102] Siebzehnte Betrachtung. vor ihren Rath, und ſprachen: Biſt du Chriſtus? Sa- ge es uns. Er ſprach aber zu ihnen: Sage ichs euch, ſo glaubet ihrs nicht. Frage ich aber, ſo antwortet ihr nicht und laſſet mich doch nicht los. Darum von nun an wird des Menſchen Sohn ſitzen zur rechten Hand der Kraſt Gottes. Es gereicht zu ungemeiner Stärkung meines Glau- bens, je mehr ich überzeugt werde, daß der leidende Jeſus wahrer und ewiger Gott iſt. Jeſus bedien- te ſich daher aller Gelegenheiten, wo er ſeinen Feinden hie- von einen ſichtbaren Beweiß geben konnte. Bisher hatte er bey allen Fragen, die man an ihn gethan hatte, bey allen Mishandlungen, die ihm widerfahren waren, ſtille ge- ſchwiegen. Aber da es darauf ankam, die Wahrheit ſei- nes Mittleramtes und ſeiner Gottheit zu bezeugen, ſo rede- te er mit aller Freymüthigkeit und mit dem göttlichſten Nach- druck. Er erklärt ſeinen Feinden, daß in kurzem die Of- fenbarung ſeiner Allmacht und Majeſtät ihren Anfang neh- men würde, wenn nemlich der heilige Geiſt ſichtbar aus- gegoſſen ſeyn, und ſeine Zorngerichte über Jeruſalem he- reinbrechen würden. Und zu welcher Würde erhebt Je- ſum dieſes Bekenntniß der Wahrheit! Nach wenigen Wochen fieng ſich die Erfüllung ſeiner Worte an; und als die Stunde der Rache über Jeruſalem hereinbrach, da waren noch die meiſten von denjenigen vorhanden, die jetzt ſeine Worte angehört hatten. Ueberhaupt ſind die Beweiſe der Gottheit Jeſu ſelbſt in ſeiner tiefſten Erniedrigung ungemein zahlreich und unwiderſprechlich. Er kennt ſeinen Verräther zum voraus: er beſtimmt die Zeit, wenn Petrus ihn ver- läugnen würde: er ſchlägt ſeine Feinde durch ein Wort zu Boden: er thut in demſelben Augenblick, da er gebun- den

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Zitationshilfe: Sturm, Christoph Christian: Unterhaltung der Andacht über die Leidensgeschichte Jesu. 2. Aufl. Halle (Saale), 1775, S. 80. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sturm_unterhaltung_1781/102>, abgerufen am 24.11.2024.