Die Grund-Sätze Oder Für sich selbst-kündige Waarheiten.
Jch nehme aber und setze als bekannt dieses folgende:
I.
Daß unter allen Lineen/ die einerley Endpuncten haben/ die gerade die allerkürzeste sey.
II.
Daß alle andere Lineen/ so auf einer Ebene ligen/ und einerley Endpuncten ha- ben/ einander ungleich seyen.
[Abbildung]
Anmerkung.
Zum Exempel/ die Lineen AB, ACB, ADB, AEB, haben alle einerley Endpuncten/ nehmlich A und B, und ist unter diesen allen AB, die gerade die allerkürzeste/ welches keines Beweises bedarf/ sondern von Natur bekannt ist/ welche allezeit den geraden Weg für den kürzesten achtet. Die andern krummen Lineen aber sind alle ungleich/ wie abermals für Au- gen liget. Dieses einige nur ist hier zu merken/ daß Archimedes hier rede von denen krum- men Lineen/ welche nicht nur auf einerley Ebene/ sondern auch auf einer Seite der geraden Li- ni gezogen werden: Dann sonsten kan die Lini ACB auf der andern Seiten eine Gleiche/ AFB, haben/ die doch einerley Endpuncten mit jener gemein habe; und eben also auch die andern.
Ob nun schon/ wie gemeldet/ diese beyde Grundsprüche des Archimedis einiges Bewei- ses nicht bedürftig/ sondern von Natur bekannt sind; belustiget sich doch Eutokius von Aska- lon sonderlich mit Beweisung des ersten/ und gebrauchet darzu einen aus denen bekannten und längst-bewiesenen Geometrischen Lehrsätzen/ welcher bey dem Euclides der zwanzigste an der Zahl ist/ mit Vermelden/ daß solches Beginnen in dergleichen Fall keines wegs ungereimt sey. Sein Beweiß gehet/ mit wenigem die Sache zu fassen/ dahin: Man nehme in der krummen Lini ADCEB ohngefehr den Punct C, und ziehe die Lineen AC, CB. Welche beyde nohtwendig grösser seyn/ als die ge- rade AB, nach obangeregtem zwanzigsten Lehrsatz des Ersten Buchs Euclidis. So man nun ferner zwischen A und C, wie auch zwischen B und C andere Puncten D und E bemerket/ folget wiederum/ daß AD und DC zusammen grösser seyen als AC; und CE samt EB auch grösser als CB; also daß
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nunmehr/ (weil AC und CB zusammen schon grösser zu seyn als AB bewiesen sind) diese vier/ AD, DC, CE, EB um so viel mehr grösser sind als gemeldte AB. Und also sagt Eutokius/ je mehr man Puncten in der krummen Lini ACB nimmet/ und je mehr sich die zusammgezoge- nengeraden derselben nähern/ je mehr und mehr erhellet/ daß gemeldte krumme ACB viel grös- ser sey als die gerade AB.
III.
Wann aber zwey Lineen beyde nach einer Seiten hohl sind/ und einerley Endpuncten haben/ und die eine von der andern ent- weder ganz umbfangen und begriffen wird/ oder etliche Teihle zwar mit jener gemein hat/ von denen übrigen aber begriffen
wird/
B
Die Grund-Saͤtze Oder Fuͤr ſich ſelbſt-kuͤndige Waarheiten.
Jch nehme aber und ſetze als bekannt dieſes folgende:
I.
Daß unter allen Lineen/ die einerley Endpuncten haben/ die gerade die allerkuͤrzeſte ſey.
II.
Daß alle andere Lineen/ ſo auf einer Ebene ligen/ und einerley Endpuncten ha- ben/ einander ungleich ſeyen.
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Anmerkung.
Zum Exempel/ die Lineen AB, ACB, ADB, AEB, haben alle einerley Endpuncten/ nehmlich A und B, und iſt unter dieſen allen AB, die gerade die allerkuͤrzeſte/ welches keines Beweiſes bedarf/ ſondern von Natur bekannt iſt/ welche allezeit den geraden Weg fuͤr den kuͤrzeſten achtet. Die andern krummen Lineen aber ſind alle ungleich/ wie abermals fuͤr Au- gen liget. Dieſes einige nur iſt hier zu merken/ daß Archimedes hier rede von denen krum- men Lineen/ welche nicht nur auf einerley Ebene/ ſondern auch auf einer Seite der geraden Li- ni gezogen werden: Dann ſonſten kan die Lini ACB auf der andern Seiten eine Gleiche/ AFB, haben/ die doch einerley Endpuncten mit jener gemein habe; und eben alſo auch die andern.
Ob nun ſchon/ wie gemeldet/ dieſe beyde Grundſpruͤche des Archimedis einiges Bewei- ſes nicht beduͤrftig/ ſondern von Natur bekannt ſind; beluſtiget ſich doch Eutokius von Aska- lon ſonderlich mit Beweiſung des erſten/ und gebrauchet darzu einen aus denen bekannten und laͤngſt-bewieſenen Geometriſchen Lehrſaͤtzen/ welcher bey dem Euclides der zwanzigſte an der Zahl iſt/ mit Vermelden/ daß ſolches Beginnen in dergleichen Fall keines wegs ungereimt ſey. Sein Beweiß gehet/ mit wenigem die Sache zu faſſen/ dahin: Man nehme in der krummen Lini ADCEB ohngefehr den Punct C, und ziehe die Lineen AC, CB. Welche beyde nohtwendig groͤſſer ſeyn/ als die ge- rade AB, nach obangeregtem zwanzigſten Lehrſatz des Erſten Buchs Euclidis. So man nun ferner zwiſchen A und C, wie auch zwiſchen B und C andere Puncten D und E bemerket/ folget wiederum/ daß AD und DC zuſammen groͤſſer ſeyen als AC; und CE ſamt EB auch groͤſſer als CB; alſo daß
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nunmehr/ (weil AC und CB zuſammen ſchon groͤſſer zu ſeyn als AB bewieſen ſind) dieſe vier/ AD, DC, CE, EB um ſo viel mehr groͤſſer ſind als gemeldte AB. Und alſo ſagt Eutokius/ je mehr man Puncten in der krummen Lini ACB nimmet/ und je mehr ſich die zuſammgezoge- nengeraden derſelben naͤhern/ je mehr und mehr erhellet/ daß gemeldte krumme ACB viel groͤſ- ſer ſey als die gerade AB.
III.
Wann aber zwey Lineen beyde nach einer Seiten hohl ſind/ und einerley Endpuncten haben/ und die eine von der andern ent- weder ganz umbfangen und begriffen wird/ oder etliche Teihle zwar mit jener gemein hat/ von denen uͤbrigen aber begriffen
wird/
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[5/0033]
Die Grund-Saͤtze
Oder
Fuͤr ſich ſelbſt-kuͤndige Waarheiten.
Jch nehme aber und ſetze als bekannt dieſes folgende:
I.
Daß unter allen Lineen/ die einerley Endpuncten haben/ die
gerade die allerkuͤrzeſte ſey.
II.
Daß alle andere Lineen/ ſo auf einer
Ebene ligen/ und einerley Endpuncten ha-
ben/ einander ungleich ſeyen.
[Abbildung]
Anmerkung.
Zum Exempel/ die Lineen AB, ACB, ADB, AEB, haben alle einerley Endpuncten/
nehmlich A und B, und iſt unter dieſen allen AB, die gerade die allerkuͤrzeſte/ welches keines
Beweiſes bedarf/ ſondern von Natur bekannt iſt/ welche allezeit den geraden Weg fuͤr den
kuͤrzeſten achtet. Die andern krummen Lineen aber ſind alle ungleich/ wie abermals fuͤr Au-
gen liget. Dieſes einige nur iſt hier zu merken/ daß Archimedes hier rede von denen krum-
men Lineen/ welche nicht nur auf einerley Ebene/ ſondern auch auf einer Seite der geraden Li-
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haben/ die doch einerley Endpuncten mit jener gemein habe; und eben alſo auch die andern.
Ob nun ſchon/ wie gemeldet/ dieſe beyde Grundſpruͤche des Archimedis einiges Bewei-
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lon ſonderlich mit Beweiſung des erſten/ und gebrauchet darzu einen aus denen bekannten und
laͤngſt-bewieſenen Geometriſchen Lehrſaͤtzen/ welcher bey dem Euclides der zwanzigſte an der
Zahl iſt/ mit Vermelden/ daß ſolches Beginnen in dergleichen Fall keines wegs ungereimt ſey.
Sein Beweiß gehet/ mit wenigem die Sache zu faſſen/ dahin: Man nehme in der krummen
Lini ADCEB ohngefehr den Punct C,
und ziehe die Lineen AC, CB. Welche
beyde nohtwendig groͤſſer ſeyn/ als die ge-
rade AB, nach obangeregtem zwanzigſten
Lehrſatz des Erſten Buchs Euclidis. So
man nun ferner zwiſchen A und C, wie auch
zwiſchen B und C andere Puncten D und E
bemerket/ folget wiederum/ daß AD und
DC zuſammen groͤſſer ſeyen als AC; und
CE ſamt EB auch groͤſſer als CB; alſo daß
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nunmehr/ (weil AC und CB zuſammen ſchon groͤſſer zu ſeyn als AB bewieſen ſind) dieſe vier/
AD, DC, CE, EB um ſo viel mehr groͤſſer ſind als gemeldte AB. Und alſo ſagt Eutokius/
je mehr man Puncten in der krummen Lini ACB nimmet/ und je mehr ſich die zuſammgezoge-
nengeraden derſelben naͤhern/ je mehr und mehr erhellet/ daß gemeldte krumme ACB viel groͤſ-
ſer ſey als die gerade AB.
III.
Wann aber zwey Lineen beyde nach einer Seiten hohl ſind/
und einerley Endpuncten haben/ und die eine von der andern ent-
weder ganz umbfangen und begriffen wird/ oder etliche Teihle
zwar mit jener gemein hat/ von denen uͤbrigen aber begriffen
wird/
B
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Sturm, Johann Christoph: Des Unvergleichlichen Archjmedjs Kunst-Bücher. Nürnberg, 1670, S. 5. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sturm_kunst_1670/33>, abgerufen am 27.07.2024.
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