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Sturm, Johann Christoph: Des Unvergleichlichen Archjmedjs Kunst-Bücher. Nürnberg, 1670.

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Vorrede/
Oder
Zu folgender Bücher Verständniß nohtwendige Vor-
betrachtungen/ von denen so genannten

Kegel-Lineen.

NAechst denen vollkommenen Kreiß-Zügen haben die alte Meßkünstler gefunden
und betrachtet unterschiedliche Arten anderer krummer Lineen; sonderlich aber
drey deroselben durch gewisse Zerschneidung eines Kegels gleichsam erzeuget/ und
dannenhero auch deroselben Eigenschafften aus Betrachtung solcher Cörperlichen
Figuren hergeleitet.

Ob nun aber schon eines Kegels Durchschnitt auf vielerley Weise geschehen kunnte/ so hat
ihnen doch beliebet/ den jenigen zu förderst zu betrachten/ welcher durch eine Seite eines ge-
[Abbildung] gebenen Kegels senkrecht/ oder nach einem geraden Winkel geschahe; zum Exempel/ in dem
Kegel abc, nach der Lini de, welche auf die Seite ab senkrecht gezogen ist.

Wann nun ein gegebener Kegel besagter massen durchschnitten wurde/ bezeichnete solcher
Durchschnitt auf des Kegels äusserer Fläche eine krumme Lini gdf, innerhalb des Kegels aber
eine/ von solcher Lini beschränkte/ Fläche gdfeg; Weswegen sie dann auch so wol die Fläche
als die begreiffende Lini mit einerley Nahmen zu belegen und einen Kegelschnitt zu nennen pfleg-
ten. Und zwar/ wann die gegen einander über stehende Seiten des Kegels abc bey b einen
geraden Winkel macheten (wie in der 1. Figur) muste gdf eines rechtwinklichten/ im widrigen
Fall eines stumpfwinklichten (wie bey 2) oder (wie bey 3) eines spitzwinklichten Kegels Durch-
schnitt/ Unterschieds halben/ geheissen seyn.

Wie aber in vielen andern Stükken/ also in diesem sonderlich waren bemeldte dreyerley
Kegelschnitte von einander unterschieden/ daß der Durchmesser de in dem rechtwinklichten
mit der gegen über stehenden Seite bc gleichlauffend war; in dem stumpfwinklichten aber
(wann sie beyde verlängert wurden) oberhalb der Spitze b, und in dem spitzwinklichten unter-
werts/ gegen der Grundlini ac, zusammen lieffen. Dann der Winkel ade ist/ vermög be-
sagtens/ allenhalben gerad: Weil nun in der ersten Figur der Winkel abc auch gerad ist/ so
müssen bc und de (Krafft des 28sten im I. B.) nohtwendig gleichlauffen; Hingegen weil
in der 2. Figur der Winkel bey b stumpf ist/ und also die beyde Winkel bde und dbc mehr/
die beyde ubrige aber hbd und hdb weniger als zwey gerade Winkel sind; so müssen de und
bc nohtwendig aufwerts (in der dritten Figur aber wegen gleicher Ursachen unterwerts) zu-
sammen lauffen/ vermög des 13den Grundsatzes im I. B. Euclidis.

Dieses Unterscheides Betrachtug hat hernachmals denen folgenden Künstlern Anlaß ge-
geben/ solche drey unterschiedliche Lineen und Flächen/ welche die Alten durch ihre senkrechte
Zerschneidung dreyerley unterschiedlicher Kegel erzielet/ alle zugleich in einem jeglichen (es
bey gleich recht- spitz- oder stumpfwinklichten) Kegel/ vermög anderer/ nicht senkrechter/ son-

dern
B b ij


Vorrede/
Oder
Zu folgender Buͤcher Verſtaͤndniß nohtwendige Vor-
betrachtungen/ von denen ſo genannten

Kegel-Lineen.

NAechſt denen vollkommenen Kreiß-Zuͤgen haben die alte Meßkuͤnſtler gefunden
und betrachtet unterſchiedliche Arten anderer krummer Lineen; ſonderlich aber
drey deroſelben durch gewiſſe Zerſchneidung eines Kegels gleichſam erzeuget/ und
dannenhero auch deroſelben Eigenſchafften aus Betrachtung ſolcher Coͤrperlichen
Figuren hergeleitet.

Ob nun aber ſchon eines Kegels Durchſchnitt auf vielerley Weiſe geſchehen kunnte/ ſo hat
ihnen doch beliebet/ den jenigen zu foͤrderſt zu betrachten/ welcher durch eine Seite eines ge-
[Abbildung] gebenen Kegels ſenkrecht/ oder nach einem geraden Winkel geſchahe; zum Exempel/ in dem
Kegel abc, nach der Lini de, welche auf die Seite ab ſenkrecht gezogen iſt.

Wann nun ein gegebener Kegel beſagter maſſen durchſchnitten wurde/ bezeichnete ſolcher
Durchſchnitt auf des Kegels aͤuſſerer Flaͤche eine krumme Lini gdf, innerhalb des Kegels aber
eine/ von ſolcher Lini beſchraͤnkte/ Flaͤche gdfeg; Weswegen ſie dann auch ſo wol die Flaͤche
als die begreiffende Lini mit einerley Nahmen zu belegen und einen Kegelſchnitt zu nennen pfleg-
ten. Und zwar/ wann die gegen einander uͤber ſtehende Seiten des Kegels abc bey b einen
geraden Winkel macheten (wie in der 1. Figur) muſte gdf eines rechtwinklichten/ im widrigen
Fall eines ſtumpfwinklichten (wie bey 2) oder (wie bey 3) eines ſpitzwinklichten Kegels Durch-
ſchnitt/ Unterſchieds halben/ geheiſſen ſeyn.

Wie aber in vielen andern Stuͤkken/ alſo in dieſem ſonderlich waren bemeldte dreyerley
Kegelſchnitte von einander unterſchieden/ daß der Durchmeſſer de in dem rechtwinklichten
mit der gegen uͤber ſtehenden Seite bc gleichlauffend war; in dem ſtumpfwinklichten aber
(wann ſie beyde verlaͤngert wurden) oberhalb der Spitze b, und in dem ſpitzwinklichten unter-
werts/ gegen der Grundlini ac, zuſammen lieffen. Dann der Winkel ade iſt/ vermoͤg be-
ſagtens/ allenhalben gerad: Weil nun in der erſten Figur der Winkel abc auch gerad iſt/ ſo
muͤſſen bc und de (Krafft des 28ſten im I. B.) nohtwendig gleichlauffen; Hingegen weil
in der 2. Figur der Winkel bey b ſtumpf iſt/ und alſo die beyde Winkel bde und dbc mehr/
die beyde ubrige aber hbd und hdb weniger als zwey gerade Winkel ſind; ſo muͤſſen de und
bc nohtwendig aufwerts (in der dritten Figur aber wegen gleicher Urſachen unterwerts) zu-
ſammen lauffen/ vermoͤg des 13den Grundſatzes im I. B. Euclidis.

Dieſes Unterſcheides Betrachtug hat hernachmals denen folgenden Kuͤnſtlern Anlaß ge-
geben/ ſolche drey unterſchiedliche Lineen und Flaͤchen/ welche die Alten durch ihre ſenkrechte
Zerſchneidung dreyerley unterſchiedlicher Kegel erzielet/ alle zugleich in einem jeglichen (es
bey gleich recht- ſpitz- oder ſtumpfwinklichten) Kegel/ vermoͤg anderer/ nicht ſenkrechter/ ſon-

dern
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[195/0223] Vorrede/ Oder Zu folgender Buͤcher Verſtaͤndniß nohtwendige Vor- betrachtungen/ von denen ſo genannten Kegel-Lineen. NAechſt denen vollkommenen Kreiß-Zuͤgen haben die alte Meßkuͤnſtler gefunden und betrachtet unterſchiedliche Arten anderer krummer Lineen; ſonderlich aber drey deroſelben durch gewiſſe Zerſchneidung eines Kegels gleichſam erzeuget/ und dannenhero auch deroſelben Eigenſchafften aus Betrachtung ſolcher Coͤrperlichen Figuren hergeleitet. Ob nun aber ſchon eines Kegels Durchſchnitt auf vielerley Weiſe geſchehen kunnte/ ſo hat ihnen doch beliebet/ den jenigen zu foͤrderſt zu betrachten/ welcher durch eine Seite eines ge- [Abbildung] gebenen Kegels ſenkrecht/ oder nach einem geraden Winkel geſchahe; zum Exempel/ in dem Kegel abc, nach der Lini de, welche auf die Seite ab ſenkrecht gezogen iſt. Wann nun ein gegebener Kegel beſagter maſſen durchſchnitten wurde/ bezeichnete ſolcher Durchſchnitt auf des Kegels aͤuſſerer Flaͤche eine krumme Lini gdf, innerhalb des Kegels aber eine/ von ſolcher Lini beſchraͤnkte/ Flaͤche gdfeg; Weswegen ſie dann auch ſo wol die Flaͤche als die begreiffende Lini mit einerley Nahmen zu belegen und einen Kegelſchnitt zu nennen pfleg- ten. Und zwar/ wann die gegen einander uͤber ſtehende Seiten des Kegels abc bey b einen geraden Winkel macheten (wie in der 1. Figur) muſte gdf eines rechtwinklichten/ im widrigen Fall eines ſtumpfwinklichten (wie bey 2) oder (wie bey 3) eines ſpitzwinklichten Kegels Durch- ſchnitt/ Unterſchieds halben/ geheiſſen ſeyn. Wie aber in vielen andern Stuͤkken/ alſo in dieſem ſonderlich waren bemeldte dreyerley Kegelſchnitte von einander unterſchieden/ daß der Durchmeſſer de in dem rechtwinklichten mit der gegen uͤber ſtehenden Seite bc gleichlauffend war; in dem ſtumpfwinklichten aber (wann ſie beyde verlaͤngert wurden) oberhalb der Spitze b, und in dem ſpitzwinklichten unter- werts/ gegen der Grundlini ac, zuſammen lieffen. Dann der Winkel ade iſt/ vermoͤg be- ſagtens/ allenhalben gerad: Weil nun in der erſten Figur der Winkel abc auch gerad iſt/ ſo muͤſſen bc und de (Krafft des 28ſten im I. B.) nohtwendig gleichlauffen; Hingegen weil in der 2. Figur der Winkel bey b ſtumpf iſt/ und alſo die beyde Winkel bde und dbc mehr/ die beyde ubrige aber hbd und hdb weniger als zwey gerade Winkel ſind; ſo muͤſſen de und bc nohtwendig aufwerts (in der dritten Figur aber wegen gleicher Urſachen unterwerts) zu- ſammen lauffen/ vermoͤg des 13den Grundſatzes im I. B. Euclidis. Dieſes Unterſcheides Betrachtug hat hernachmals denen folgenden Kuͤnſtlern Anlaß ge- geben/ ſolche drey unterſchiedliche Lineen und Flaͤchen/ welche die Alten durch ihre ſenkrechte Zerſchneidung dreyerley unterſchiedlicher Kegel erzielet/ alle zugleich in einem jeglichen (es bey gleich recht- ſpitz- oder ſtumpfwinklichten) Kegel/ vermoͤg anderer/ nicht ſenkrechter/ ſon- dern B b ij

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Zitationshilfe: Sturm, Johann Christoph: Des Unvergleichlichen Archjmedjs Kunst-Bücher. Nürnberg, 1670, S. 195. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sturm_kunst_1670/223>, abgerufen am 26.11.2024.