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Sturm, Johann Christoph: Des Unvergleichlichen Archjmedjs Kunst-Bücher. Nürnberg, 1670.

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Scheiben-Messung.
dings-weis gesetzet/ also daß/ wann schon die Bedingung unmöglich wäre/ dannoch daraus
etwas gewiß könnte geschlossen werden/ wie zum Exempel Euclides aus dem falschen und
unmöglichen Satz/ Daß einer Vierung Durchmesser mit ihrer Seite einerley Maas
haben könne
/ unfehlbar zu folgen beweiset/ daß eine gerade Zahl einer ungeraden gleich
seyn könne.
Gesetzet nun/ daß keine Kreiß-Lini eine gleiche gerade in der Natur hätte/ so
bliebe doch ewiglich waar/ und/ dem Beweiß Archimedis nach/ unfehlbar/ daß/ wann ein
Dreyekk könte gefunden werden/ dessen Höhe dem Halbmesser einer Scheibe/ die Grundlini
aber ihrem Umbkreiß gleich wäre/ solches Dreyekk nohtwendig seiner Fläche nach bemeldter
Scheibe gleich seyn würde. Hier möchte aber der kunstliebende Leser versetzen; Wann ge-
dachter Lehrsatz Archimedis schon tausendmal waar wäre/ so würde er doch (im fall die Kreiß-
Lini keine gleiche unter denen geraden hätte) unnutzlich/ und Archimedes vergeblich/ oder
auch nicht gar klüglich/ mit desselben Beweiß bemühet seyn. Darauf gebe ich zur Antwort
dieses: Erstlich/ wann schon keine einige gerade Lini keiner einigen Kreiß-Lini gleichete/ so
ist doch solches nicht bewust oder von jemand bewiesen/ sondern von denen meisten jederzeit
noch das Gegenteihl für glaubwürdig geachtet worden; also daß Archimedes gleichwol durch
diesen Beweiß sein gebührend Lob verdienet hätte/ wegen Hoffnung des herrlichen Nutzens/
welchen diese seine Erfindung bringen könnte/ im fall etwan ein tiefsinniger Kopf die verlangete
und für möglich geachtete Gleichheit einer Kreiß- und einer geraden Lini an den Tag bringen
würde. Darnach wann auch Archimedes gleich gewiß gewust hätte/ daß keine gerade Lini
könnte kunstrichtig und unfehlbar einer Kreiß Lini gleich gemachet oder gefunden werden/
so hätte er dennoch mit diesem seinem Lehrsatz ein unsterbliches Lob verdienet/ in dem er dar-
durch aufs wenigste lehrete/ wie einer jeden gegebenen Scheibe ein gleiches Dreyekk könte ge-
funden werden/ ob schon nicht ganz kunstrichtig und Geometrisch/ dannoch ohne einigen/ auch
denen allersubtilesten Sinnen/ merklichen Fehler; durch Beyhülf nehmlich einer andern schö-
nen Erfindung/ durch welche er zeiget den Weg einer jeden gegebenen Kreiß-Lini eine andere
gerade so gleich zu machen/ daß es nicht umb ein Härlein oder einiges begreiffliches Bißlein
fehle: Welches dann dieses seines Büchleins einiger Zwekk/ und (wie wir am End desselben
zeigen wollen) in der Meßkunst und dem gemeinen Wesen höchst-nutzlich und ersprießlich ist.
Endlich/ damit wir der ganzen Sache auf einmal abhelfen (dann alles bißher-gesagtes ist
nicht aus Roht/ sondern nur mehrer Erläuterungs halben fürgebracht worden) so hat Archi-
medes
selbsten schon klar und deutlich genug bewiesen/ daß jede Kreiß-Lini ein gerade habe/
welche ihr ganz richtig und unfehlbar gleich sey; nehmlich in seinem/ bald hernach folgenden/
Buch vor denen Schnekken-Lineen/ und zwar in desselben XVIII. und XIX. Lehrsatz/ wie
wir zu seiner Zeit mit mehrern sehen werden.

Der II. Lehrsatz/
Oder
Die Andere Betrachtung.

Einer jeden Scheiben Umbkreiß ist so groß als ihr Durch-
messer dreymal genommen/ sambt noch einem Stükklein/ wel-
ches zwar kleiner ist als ein Sieben-Teihl/ grösser aber als zehen
Ein-und-Siebenzigteihligen des Durchmessers.

Erläuterung.

Es sey zum Exempel eine Scheibe oder eine Kreiß-Lini und deroselben
Durchmesser AC; eine den Kreiß berührende Lini CLF, und der Mittelpunct
des Kreisses E. Soll nun obiges beydes bewiesen werden; Nehmlich 1. Daß
die Kreiß-Lini ihren Durchmesser dreymal in sich begreiffe/ und noch etwas
wenigers als den siebenden Teihl desselben. 2. Daß eben dieselbe Kreiß-Lini/

wie ge-
X iij

Scheiben-Meſſung.
dings-weis geſetzet/ alſo daß/ wann ſchon die Bedingung unmoͤglich waͤre/ dannoch daraus
etwas gewiß koͤnnte geſchloſſen werden/ wie zum Exempel Euclides aus dem falſchen und
unmoͤglichen Satz/ Daß einer Vierung Durchmeſſer mit ihrer Seite einerley Maas
haben koͤnne
/ unfehlbar zu folgen beweiſet/ daß eine gerade Zahl einer ungeraden gleich
ſeyn koͤnne.
Geſetzet nun/ daß keine Kreiß-Lini eine gleiche gerade in der Natur haͤtte/ ſo
bliebe doch ewiglich waar/ und/ dem Beweiß Archimedis nach/ unfehlbar/ daß/ wann ein
Dreyekk koͤnte gefunden werden/ deſſen Hoͤhe dem Halbmeſſer einer Scheibe/ die Grundlini
aber ihrem Umbkreiß gleich waͤre/ ſolches Dreyekk nohtwendig ſeiner Flaͤche nach bemeldter
Scheibe gleich ſeyn wuͤrde. Hier moͤchte aber der kunſtliebende Leſer verſetzen; Wann ge-
dachter Lehrſatz Archimedis ſchon tauſendmal waar waͤre/ ſo wuͤrde er doch (im fall die Kreiß-
Lini keine gleiche unter denen geraden haͤtte) unnutzlich/ und Archimedes vergeblich/ oder
auch nicht gar kluͤglich/ mit deſſelben Beweiß bemuͤhet ſeyn. Darauf gebe ich zur Antwort
dieſes: Erſtlich/ wann ſchon keine einige gerade Lini keiner einigen Kreiß-Lini gleichete/ ſo
iſt doch ſolches nicht bewuſt oder von jemand bewieſen/ ſondern von denen meiſten jederzeit
noch das Gegenteihl fuͤr glaubwuͤrdig geachtet worden; alſo daß Archimedes gleichwol durch
dieſen Beweiß ſein gebuͤhrend Lob verdienet haͤtte/ wegen Hoffnung des herꝛlichen Nutzens/
welchen dieſe ſeine Erfindung bringen koͤnnte/ im fall etwan ein tiefſinniger Kopf die verlangete
und fuͤr moͤglich geachtete Gleichheit einer Kreiß- und einer geraden Lini an den Tag bringen
wuͤrde. Darnach wann auch Archimedes gleich gewiß gewuſt haͤtte/ daß keine gerade Lini
koͤnnte kunſtrichtig und unfehlbar einer Kreiß Lini gleich gemachet oder gefunden werden/
ſo haͤtte er dennoch mit dieſem ſeinem Lehrſatz ein unſterbliches Lob verdienet/ in dem er dar-
durch aufs wenigſte lehrete/ wie einer jeden gegebenen Scheibe ein gleiches Dreyekk koͤnte ge-
funden werden/ ob ſchon nicht ganz kunſtrichtig und Geometriſch/ dannoch ohne einigen/ auch
denen allerſubtileſten Sinnen/ merklichen Fehler; durch Beyhuͤlf nehmlich einer andern ſchoͤ-
nen Erfindung/ durch welche er zeiget den Weg einer jeden gegebenen Kreiß-Lini eine andere
gerade ſo gleich zu machen/ daß es nicht umb ein Haͤrlein oder einiges begreiffliches Bißlein
fehle: Welches dann dieſes ſeines Buͤchleins einiger Zwekk/ und (wie wir am End deſſelben
zeigen wollen) in der Meßkunſt und dem gemeinen Weſen hoͤchſt-nutzlich und erſprießlich iſt.
Endlich/ damit wir der ganzen Sache auf einmal abhelfen (dann alles bißher-geſagtes iſt
nicht aus Roht/ ſondern nur mehrer Erlaͤuterungs halben fuͤrgebracht worden) ſo hat Archi-
medes
ſelbſten ſchon klar und deutlich genug bewieſen/ daß jede Kreiß-Lini ein gerade habe/
welche ihr ganz richtig und unfehlbar gleich ſey; nehmlich in ſeinem/ bald hernach folgenden/
Buch vor denen Schnekken-Lineen/ und zwar in deſſelben XVIII. und XIX. Lehrſatz/ wie
wir zu ſeiner Zeit mit mehrern ſehen werden.

Der II. Lehrſatz/
Oder
Die Andere Betrachtung.

Einer jeden Scheiben Umbkreiß iſt ſo groß als ihr Durch-
meſſer dreymal genommen/ ſambt noch einem Stuͤkklein/ wel-
ches zwar kleiner iſt als ein Sieben-Teihl/ groͤſſer aber als zehen
Ein-und-Siebenzigteihligen des Durchmeſſers.

Erlaͤuterung.

Es ſey zum Exempel eine Scheibe oder eine Kreiß-Lini und deroſelben
Durchmeſſer AC; eine den Kreiß beruͤhrende Lini CLF, und der Mittelpunct
des Kreiſſes E. Soll nun obiges beydes bewieſen werden; Nehmlich 1. Daß
die Kreiß-Lini ihren Durchmeſſer dreymal in ſich begreiffe/ und noch etwas
wenigers als den ſiebenden Teihl deſſelben. 2. Daß eben dieſelbe Kreiß-Lini/

wie ge-
X iij
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[165/0193] Scheiben-Meſſung. dings-weis geſetzet/ alſo daß/ wann ſchon die Bedingung unmoͤglich waͤre/ dannoch daraus etwas gewiß koͤnnte geſchloſſen werden/ wie zum Exempel Euclides aus dem falſchen und unmoͤglichen Satz/ Daß einer Vierung Durchmeſſer mit ihrer Seite einerley Maas haben koͤnne/ unfehlbar zu folgen beweiſet/ daß eine gerade Zahl einer ungeraden gleich ſeyn koͤnne. Geſetzet nun/ daß keine Kreiß-Lini eine gleiche gerade in der Natur haͤtte/ ſo bliebe doch ewiglich waar/ und/ dem Beweiß Archimedis nach/ unfehlbar/ daß/ wann ein Dreyekk koͤnte gefunden werden/ deſſen Hoͤhe dem Halbmeſſer einer Scheibe/ die Grundlini aber ihrem Umbkreiß gleich waͤre/ ſolches Dreyekk nohtwendig ſeiner Flaͤche nach bemeldter Scheibe gleich ſeyn wuͤrde. Hier moͤchte aber der kunſtliebende Leſer verſetzen; Wann ge- dachter Lehrſatz Archimedis ſchon tauſendmal waar waͤre/ ſo wuͤrde er doch (im fall die Kreiß- Lini keine gleiche unter denen geraden haͤtte) unnutzlich/ und Archimedes vergeblich/ oder auch nicht gar kluͤglich/ mit deſſelben Beweiß bemuͤhet ſeyn. Darauf gebe ich zur Antwort dieſes: Erſtlich/ wann ſchon keine einige gerade Lini keiner einigen Kreiß-Lini gleichete/ ſo iſt doch ſolches nicht bewuſt oder von jemand bewieſen/ ſondern von denen meiſten jederzeit noch das Gegenteihl fuͤr glaubwuͤrdig geachtet worden; alſo daß Archimedes gleichwol durch dieſen Beweiß ſein gebuͤhrend Lob verdienet haͤtte/ wegen Hoffnung des herꝛlichen Nutzens/ welchen dieſe ſeine Erfindung bringen koͤnnte/ im fall etwan ein tiefſinniger Kopf die verlangete und fuͤr moͤglich geachtete Gleichheit einer Kreiß- und einer geraden Lini an den Tag bringen wuͤrde. Darnach wann auch Archimedes gleich gewiß gewuſt haͤtte/ daß keine gerade Lini koͤnnte kunſtrichtig und unfehlbar einer Kreiß Lini gleich gemachet oder gefunden werden/ ſo haͤtte er dennoch mit dieſem ſeinem Lehrſatz ein unſterbliches Lob verdienet/ in dem er dar- durch aufs wenigſte lehrete/ wie einer jeden gegebenen Scheibe ein gleiches Dreyekk koͤnte ge- funden werden/ ob ſchon nicht ganz kunſtrichtig und Geometriſch/ dannoch ohne einigen/ auch denen allerſubtileſten Sinnen/ merklichen Fehler; durch Beyhuͤlf nehmlich einer andern ſchoͤ- nen Erfindung/ durch welche er zeiget den Weg einer jeden gegebenen Kreiß-Lini eine andere gerade ſo gleich zu machen/ daß es nicht umb ein Haͤrlein oder einiges begreiffliches Bißlein fehle: Welches dann dieſes ſeines Buͤchleins einiger Zwekk/ und (wie wir am End deſſelben zeigen wollen) in der Meßkunſt und dem gemeinen Weſen hoͤchſt-nutzlich und erſprießlich iſt. Endlich/ damit wir der ganzen Sache auf einmal abhelfen (dann alles bißher-geſagtes iſt nicht aus Roht/ ſondern nur mehrer Erlaͤuterungs halben fuͤrgebracht worden) ſo hat Archi- medes ſelbſten ſchon klar und deutlich genug bewieſen/ daß jede Kreiß-Lini ein gerade habe/ welche ihr ganz richtig und unfehlbar gleich ſey; nehmlich in ſeinem/ bald hernach folgenden/ Buch vor denen Schnekken-Lineen/ und zwar in deſſelben XVIII. und XIX. Lehrſatz/ wie wir zu ſeiner Zeit mit mehrern ſehen werden. Der II. Lehrſatz/ Oder Die Andere Betrachtung. Einer jeden Scheiben Umbkreiß iſt ſo groß als ihr Durch- meſſer dreymal genommen/ ſambt noch einem Stuͤkklein/ wel- ches zwar kleiner iſt als ein Sieben-Teihl/ groͤſſer aber als zehen Ein-und-Siebenzigteihligen des Durchmeſſers. Erlaͤuterung. Es ſey zum Exempel eine Scheibe oder eine Kreiß-Lini und deroſelben Durchmeſſer AC; eine den Kreiß beruͤhrende Lini CLF, und der Mittelpunct des Kreiſſes E. Soll nun obiges beydes bewieſen werden; Nehmlich 1. Daß die Kreiß-Lini ihren Durchmeſſer dreymal in ſich begreiffe/ und noch etwas wenigers als den ſiebenden Teihl deſſelben. 2. Daß eben dieſelbe Kreiß-Lini/ wie ge- X iij

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Zitationshilfe: Sturm, Johann Christoph: Des Unvergleichlichen Archjmedjs Kunst-Bücher. Nürnberg, 1670, S. 165. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sturm_kunst_1670/193>, abgerufen am 23.11.2024.