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Sturm, Johann Christoph: Des Unvergleichlichen Archjmedjs Kunst-Bücher. Nürnberg, 1670.

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Archimedis Anderes Buch
Papier oder sonst einer Ebene/ einiges Mechanischen Werkzeuges (wie hier des Nicomedis
ist) benöhtiget ist/ so müsten auch die geraden und die Kreiß-Lineen aus der Meßkunst längsten
verbannet seyn/ weil sie ohne Cirkel und Lineal auf dem Papier/ eben so wenig als jene ohne ih-
ren gehörigen Werk zeug/ können verzeichnet werden. Wolte man sagen/ es wäre dieses die
Ursach/ weil diese/ zu solchen krummen Lineen nöhtige/ Werkzeuge nicht so schlecht und einfäl-
tig als der Cirkel und das Lineal wären/ und daher auch so genau nicht könten gemachet werden/
daß die Beschreibung ihrer Lineen ohne merklichen Fehler abgienge; so geben wir zur Antwort/
daß/ umb dieser Ursachen willen dergleichen Lineen vielmehr umbgekehrt von der Zahl derer Me-
chanischen als Geometrischen Lineen auszuschliessen seyen. Dann die Mechanic oder Rüstkunst
suchet dieses zu förderst (wie oben schon erwähnet) daß in ihren äusserlichen sichtlichen Werken
und Zeichnungen einiger merklicher Fehler nicht gefunden werde/ und wann sie dieses erlanget/
ist sie schon zu frieden: da hingegen die Meßkunst einigen nur ersinnlichen Fehler in ihren Be-
weißtuhmen nicht leiden kan/ die Zeichnung aber derer sichtbaren Figuren und Lineen (weil sie
nur Zeichen und Gemerke sind derer jenigen/ von welchen sie redet/ und die nur von denen Au-
gen des Verstandes können gefasset werden) ob sie just oder nicht just sey/ wenig achtet. Aber
hiervon wollen wir hernach ein mehrers reden: anjezo aber sehen/ wie vermittelst dieser Muschel-
Lini das jenige/ was in obigem Beweiß als möglich/ gesetzet worden/ könne verrichtet werden.

Solches nun kunstrichtig zu zeigen/ beweiset Nicomedes von seiner also beschriebenen
Muschel-Lini/ diese folgende Eigenschafften:

1. Daß dieselbe zu beyden Seiten des Scheitelpuncts E, der waag-
rechten Lini
AD sich je mehr und mehr nähere/ je weiter sie von gemeldtem
Scheitelpunct hinaus erstrekket wird.

Das ist/ daß die senkrechte Lini FM kleiner sey als die andere HN, &c.

[Abbildung]
Beweiß.

Dann der Winkel MLC ist grösser als der Winkel NKC, vermög des 16den im I. B.
und deswegen der übrige MLF kleiner als der übrige NKH, aus dem 13den gemeldtes I. B.
Woraus dann folget/ weil die beyde bey M und N gerade Winkel sind/ daß hinwiederumb der
Winkel MFL grösser sey als der Winkel NHK, vermög des 32sten im I. So man nun
MFX gleich machet erwähnten Winkel bey H, nach dem 23sten im I. B. so werden die beyde
Dreyekke/ MFX und NHK gleichwinklicht seyn/ und deswegen wird sich verhalten/ wie FX
gegen FM, also KH oder FL (dann diese beyde sind/ vermög der ersten Eigenschafft/ einander
gleich) gegen HN, aus dem 4ten des VI. Und wechselweis/ wie FX gegen FL, also FM
gegen HN. Es ist aber FX kleiner als FL, Krafft des 19den im I. Weil FXL ein stum-
pfer Winkel ist/ vermög des 16den in eben demselben B. Darumb so ist auch FM kleiner
als HN, &c.

2. Daß zwischen gemeldter Muschel-Lini und der waagrechten AD kei-
ne gerade Lini könne gezogen werden/ welche die Muschel-Lini nicht durch-
schneide.

Dann eine solche/ zwischen beyden gezogene/ Lini ist entweder gleichlauffend mit der waag-
rechten/ oder nicht gleichlauffend. Jst sie gleichlauffend/ wie FH, so mache man/ wie DG ge-
gen GC, also DE gegen einer andern/ zum Exempel der Lini K, nach dem 12ten des VI.

und be-

Archimedis Anderes Buch
Papier oder ſonſt einer Ebene/ einiges Mechaniſchen Werkzeuges (wie hier des Nicomedis
iſt) benoͤhtiget iſt/ ſo muͤſten auch die geraden und die Kreiß-Lineen aus der Meßkunſt laͤngſten
verbannet ſeyn/ weil ſie ohne Cirkel und Lineal auf dem Papier/ eben ſo wenig als jene ohne ih-
ren gehoͤrigen Werk zeug/ koͤnnen verzeichnet werden. Wolte man ſagen/ es waͤre dieſes die
Urſach/ weil dieſe/ zu ſolchen krummen Lineen noͤhtige/ Werkzeuge nicht ſo ſchlecht und einfaͤl-
tig als der Cirkel und das Lineal waͤren/ und daher auch ſo genau nicht koͤnten gemachet werden/
daß die Beſchreibung ihrer Lineen ohne merklichen Fehler abgienge; ſo geben wir zur Antwort/
daß/ umb dieſer Urſachen willen dergleichen Lineen vielmehr umbgekehrt von der Zahl derer Me-
chaniſchen als Geometriſchen Lineen auszuſchlieſſen ſeyen. Dann die Mechanic oder Ruͤſtkunſt
ſuchet dieſes zu foͤrderſt (wie oben ſchon erwaͤhnet) daß in ihren aͤuſſerlichen ſichtlichen Werken
und Zeichnungen einiger merklicher Fehler nicht gefunden werde/ und wann ſie dieſes erlanget/
iſt ſie ſchon zu frieden: da hingegen die Meßkunſt einigen nur erſinnlichen Fehler in ihren Be-
weißtuhmen nicht leiden kan/ die Zeichnung aber derer ſichtbaren Figuren und Lineen (weil ſie
nur Zeichen und Gemerke ſind derer jenigen/ von welchen ſie redet/ und die nur von denen Au-
gen des Verſtandes koͤnnen gefaſſet werden) ob ſie juſt oder nicht juſt ſey/ wenig achtet. Aber
hiervon wollen wir hernach ein mehrers reden: anjezo aber ſehen/ wie vermittelſt dieſer Muſchel-
Lini das jenige/ was in obigem Beweiß als moͤglich/ geſetzet worden/ koͤnne verrichtet werden.

Solches nun kunſtrichtig zu zeigen/ beweiſet Nicomedes von ſeiner alſo beſchriebenen
Muſchel-Lini/ dieſe folgende Eigenſchafften:

1. Daß dieſelbe zu beyden Seiten des Scheitelpuncts E, der waag-
rechten Lini
AD ſich je mehr und mehr naͤhere/ je weiter ſie von gemeldtem
Scheitelpunct hinaus erſtrekket wird.

Das iſt/ daß die ſenkrechte Lini FM kleiner ſey als die andere HN, &c.

[Abbildung]
Beweiß.

Dann der Winkel MLC iſt groͤſſer als der Winkel NKC, vermoͤg des 16den im I. B.
und deswegen der uͤbrige MLF kleiner als der uͤbrige NKH, aus dem 13den gemeldtes I. B.
Woraus dann folget/ weil die beyde bey M und N gerade Winkel ſind/ daß hinwiederumb der
Winkel MFL groͤſſer ſey als der Winkel NHK, vermoͤg des 32ſten im I. So man nun
MFX gleich machet erwaͤhnten Winkel bey H, nach dem 23ſten im I. B. ſo werden die beyde
Dreyekke/ MFX und NHK gleichwinklicht ſeyn/ und deswegen wird ſich verhalten/ wie FX
gegen FM, alſo KH oder FL (dann dieſe beyde ſind/ vermoͤg der erſten Eigenſchafft/ einander
gleich) gegen HN, aus dem 4ten des VI. Und wechſelweis/ wie FX gegen FL, alſo FM
gegen HN. Es iſt aber FX kleiner als FL, Krafft des 19den im I. Weil FXL ein ſtum-
pfer Winkel iſt/ vermoͤg des 16den in eben demſelben B. Darumb ſo iſt auch FM kleiner
als HN, &c.

2. Daß zwiſchen gemeldter Muſchel-Lini und der waagrechten AD kei-
ne gerade Lini koͤnne gezogen werden/ welche die Muſchel-Lini nicht durch-
ſchneide.

Dann eine ſolche/ zwiſchen beyden gezogene/ Lini iſt entweder gleichlauffend mit der waag-
rechten/ oder nicht gleichlauffend. Jſt ſie gleichlauffend/ wie FH, ſo mache man/ wie DG ge-
gen GC, alſo DE gegen einer andern/ zum Exempel der Lini K, nach dem 12ten des VI.

und be-
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[112/0140] Archimedis Anderes Buch Papier oder ſonſt einer Ebene/ einiges Mechaniſchen Werkzeuges (wie hier des Nicomedis iſt) benoͤhtiget iſt/ ſo muͤſten auch die geraden und die Kreiß-Lineen aus der Meßkunſt laͤngſten verbannet ſeyn/ weil ſie ohne Cirkel und Lineal auf dem Papier/ eben ſo wenig als jene ohne ih- ren gehoͤrigen Werk zeug/ koͤnnen verzeichnet werden. Wolte man ſagen/ es waͤre dieſes die Urſach/ weil dieſe/ zu ſolchen krummen Lineen noͤhtige/ Werkzeuge nicht ſo ſchlecht und einfaͤl- tig als der Cirkel und das Lineal waͤren/ und daher auch ſo genau nicht koͤnten gemachet werden/ daß die Beſchreibung ihrer Lineen ohne merklichen Fehler abgienge; ſo geben wir zur Antwort/ daß/ umb dieſer Urſachen willen dergleichen Lineen vielmehr umbgekehrt von der Zahl derer Me- chaniſchen als Geometriſchen Lineen auszuſchlieſſen ſeyen. Dann die Mechanic oder Ruͤſtkunſt ſuchet dieſes zu foͤrderſt (wie oben ſchon erwaͤhnet) daß in ihren aͤuſſerlichen ſichtlichen Werken und Zeichnungen einiger merklicher Fehler nicht gefunden werde/ und wann ſie dieſes erlanget/ iſt ſie ſchon zu frieden: da hingegen die Meßkunſt einigen nur erſinnlichen Fehler in ihren Be- weißtuhmen nicht leiden kan/ die Zeichnung aber derer ſichtbaren Figuren und Lineen (weil ſie nur Zeichen und Gemerke ſind derer jenigen/ von welchen ſie redet/ und die nur von denen Au- gen des Verſtandes koͤnnen gefaſſet werden) ob ſie juſt oder nicht juſt ſey/ wenig achtet. Aber hiervon wollen wir hernach ein mehrers reden: anjezo aber ſehen/ wie vermittelſt dieſer Muſchel- Lini das jenige/ was in obigem Beweiß als moͤglich/ geſetzet worden/ koͤnne verrichtet werden. Solches nun kunſtrichtig zu zeigen/ beweiſet Nicomedes von ſeiner alſo beſchriebenen Muſchel-Lini/ dieſe folgende Eigenſchafften: 1. Daß dieſelbe zu beyden Seiten des Scheitelpuncts E, der waag- rechten Lini AD ſich je mehr und mehr naͤhere/ je weiter ſie von gemeldtem Scheitelpunct hinaus erſtrekket wird. Das iſt/ daß die ſenkrechte Lini FM kleiner ſey als die andere HN, &c. [Abbildung] Beweiß. Dann der Winkel MLC iſt groͤſſer als der Winkel NKC, vermoͤg des 16den im I. B. und deswegen der uͤbrige MLF kleiner als der uͤbrige NKH, aus dem 13den gemeldtes I. B. Woraus dann folget/ weil die beyde bey M und N gerade Winkel ſind/ daß hinwiederumb der Winkel MFL groͤſſer ſey als der Winkel NHK, vermoͤg des 32ſten im I. So man nun MFX gleich machet erwaͤhnten Winkel bey H, nach dem 23ſten im I. B. ſo werden die beyde Dreyekke/ MFX und NHK gleichwinklicht ſeyn/ und deswegen wird ſich verhalten/ wie FX gegen FM, alſo KH oder FL (dann dieſe beyde ſind/ vermoͤg der erſten Eigenſchafft/ einander gleich) gegen HN, aus dem 4ten des VI. Und wechſelweis/ wie FX gegen FL, alſo FM gegen HN. Es iſt aber FX kleiner als FL, Krafft des 19den im I. Weil FXL ein ſtum- pfer Winkel iſt/ vermoͤg des 16den in eben demſelben B. Darumb ſo iſt auch FM kleiner als HN, &c. 2. Daß zwiſchen gemeldter Muſchel-Lini und der waagrechten AD kei- ne gerade Lini koͤnne gezogen werden/ welche die Muſchel-Lini nicht durch- ſchneide. Dann eine ſolche/ zwiſchen beyden gezogene/ Lini iſt entweder gleichlauffend mit der waag- rechten/ oder nicht gleichlauffend. Jſt ſie gleichlauffend/ wie FH, ſo mache man/ wie DG ge- gen GC, alſo DE gegen einer andern/ zum Exempel der Lini K, nach dem 12ten des VI. und be-

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Zitationshilfe: Sturm, Johann Christoph: Des Unvergleichlichen Archjmedjs Kunst-Bücher. Nürnberg, 1670, S. 112. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sturm_kunst_1670/140>, abgerufen am 24.11.2024.