Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836.Zweiter Abschnitt. dern hervorhebt, dass tuphloi anablepousi, zum deutli-lichen Beweis, dass namentlich auch solche, an Blinden verrichtete Wunder vom Messias erwartet wurden, wie ja jene Worte aus Jes. 35, 5, einer messianisch gedeute- ten Weissagung, genommen sind, und auch in einer oben angeführten rabbinischen Stelle unter den Wundern, wel- che Jehova in der messianischen Zeit ausführen werde, das hervorgehoben ist, dass er oculos caecorum aperict, id quod per Elisam fecit 10). Eine eigentliche Blindheit nun hat Elisa nicht geheilt, sondern nur einmal seinem Diener die Augen für eine Wahrnehmung aus der über- sinnlichen Welt eröffnet, und dann eine in Folge seines Gebets über seine Feinde verhängte Verblendung wieder aufhören lassen (2 Kön. 17--20.). Diese Thaten des Elisa nun fasste man, ohne Zweifel in Rücksicht auf die jesaia- nische Stelle, geradezu als Eröffnung erblindeter Augen auf, wie wir aus jener rabbinischen Stelle sehen, und so wurden vom Messias auch Blindenheilungen erwartet 11). 10) s. Band 1, S. 73, Anm. 11) Auch sonst finden wir, dass in jener Zeit Männern, die für
Lieblinge der Gottheit galten, das Vermögen wunderbarer Heilung, namentlich auch der Blindheit, zugeschrieben zu werden pflegte. So erzählen uns Tacitus, Hist. 4, 81., und Sueton, Vespas. 7, in Alexandrien habe sich an den kürzlich Imperator gewordenen Vespasian ein Blinder, angeblich nach einer Weisung des Gottes Serapis, mit der Bitte gewendet, ihn durch Benetzung seiner Augen mit seinem Speichel zu heilen, was Vespasian mit dem Erfolge gethan habe, dass der Blinde augenblicklich das Gesicht wieder erhielt. Da Taci- tus die Richtigkeit dieser Erzählung ganz besonders ver- bürgt, so dürfte Paulus wohl nicht Unrecht haben, wenn er die Sache als Veranstaltung schmeichlerischer Priester an- sieht, welche durch subornirte Scheinkranke den Kaiser in den Ruf des Wunderthäters, und dadurch ihren Gott, dessen Rath den Vorgang veranlasst hatte, bei ihm in Gunst setzen wollten. Exeg. Handb. 2, S. 56 f. Jedenfalls aber sehen wir Zweiter Abschnitt. dern hervorhebt, daſs τυφλοὶ ἀναβλέπουσι, zum deutli-lichen Beweis, daſs namentlich auch solche, an Blinden verrichtete Wunder vom Messias erwartet wurden, wie ja jene Worte aus Jes. 35, 5, einer messianisch gedeute- ten Weissagung, genommen sind, und auch in einer oben angeführten rabbinischen Stelle unter den Wundern, wel- che Jehova in der messianischen Zeit ausführen werde, das hervorgehoben ist, daſs er oculos caecorum aperict, id quod per Elisam fecit 10). Eine eigentliche Blindheit nun hat Elisa nicht geheilt, sondern nur einmal seinem Diener die Augen für eine Wahrnehmung aus der über- sinnlichen Welt eröffnet, und dann eine in Folge seines Gebets über seine Feinde verhängte Verblendung wieder aufhören lassen (2 Kön. 17—20.). Diese Thaten des Elisa nun faſste man, ohne Zweifel in Rücksicht auf die jesaia- nische Stelle, geradezu als Eröffnung erblindeter Augen auf, wie wir aus jener rabbinischen Stelle sehen, und so wurden vom Messias auch Blindenheilungen erwartet 11). 10) s. Band 1, S. 73, Anm. 11) Auch sonst finden wir, dass in jener Zeit Männern, die für
Lieblinge der Gottheit galten, das Vermögen wunderbarer Heilung, namentlich auch der Blindheit, zugeschrieben zu werden pflegte. So erzählen uns Tacitus, Hist. 4, 81., und Sueton, Vespas. 7, in Alexandrien habe sich an den kürzlich Imperator gewordenen Vespasian ein Blinder, angeblich nach einer Weisung des Gottes Serapis, mit der Bitte gewendet, ihn durch Benetzung seiner Augen mit seinem Speichel zu heilen, was Vespasian mit dem Erfolge gethan habe, dass der Blinde augenblicklich das Gesicht wieder erhielt. Da Taci- tus die Richtigkeit dieser Erzählung ganz besonders ver- bürgt, so dürfte Paulus wohl nicht Unrecht haben, wenn er die Sache als Veranstaltung schmeichlerischer Priester an- sieht, welche durch subornirte Scheinkranke den Kaiser in den Ruf des Wunderthäters, und dadurch ihren Gott, dessen Rath den Vorgang veranlasst hatte, bei ihm in Gunst setzen wollten. Exeg. Handb. 2, S. 56 f. Jedenfalls aber sehen wir <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0087" n="68"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Zweiter Abschnitt</hi>.</fw><lb/> dern hervorhebt, daſs τυφλοὶ ἀναβλέπουσι, zum deutli-<lb/> lichen Beweis, daſs namentlich auch solche, an Blinden<lb/> verrichtete Wunder vom Messias erwartet wurden, wie<lb/> ja jene Worte aus Jes. 35, 5, einer messianisch gedeute-<lb/> ten Weissagung, genommen sind, und auch in einer oben<lb/> angeführten rabbinischen Stelle unter den Wundern, wel-<lb/> che Jehova in der messianischen Zeit ausführen werde,<lb/> das hervorgehoben ist, daſs er <hi rendition="#i">oculos caecorum aperict,<lb/> id quod per Elisam fecit</hi> <note place="foot" n="10)">s. Band 1, S. 73, Anm.</note>. Eine eigentliche Blindheit<lb/> nun hat Elisa nicht geheilt, sondern nur einmal seinem<lb/> Diener die Augen für eine Wahrnehmung aus der über-<lb/> sinnlichen Welt eröffnet, und dann eine in Folge seines<lb/> Gebets über seine Feinde verhängte Verblendung wieder<lb/> aufhören lassen (2 Kön. 17—20.). Diese Thaten des Elisa<lb/> nun faſste man, ohne Zweifel in Rücksicht auf die jesaia-<lb/> nische Stelle, geradezu als Eröffnung erblindeter Augen<lb/> auf, wie wir aus jener rabbinischen Stelle sehen, und so<lb/> wurden vom Messias auch Blindenheilungen erwartet <note xml:id="seg2pn_3_1" next="#seg2pn_3_2" place="foot" n="11)">Auch sonst finden wir, dass in jener Zeit Männern, die für<lb/> Lieblinge der Gottheit galten, das Vermögen wunderbarer<lb/> Heilung, namentlich auch der Blindheit, zugeschrieben zu<lb/> werden pflegte. So erzählen uns Tacitus, Hist. 4, 81., und<lb/> Sueton, Vespas. 7, in Alexandrien habe sich an den kürzlich<lb/> Imperator gewordenen Vespasian ein Blinder, angeblich nach<lb/> einer Weisung des Gottes Serapis, mit der Bitte gewendet,<lb/> ihn durch Benetzung seiner Augen mit seinem Speichel zu<lb/> heilen, was Vespasian mit dem Erfolge gethan habe, dass der<lb/> Blinde augenblicklich das Gesicht wieder erhielt. Da Taci-<lb/> tus die Richtigkeit dieser Erzählung ganz besonders ver-<lb/> bürgt, so dürfte <hi rendition="#k">Paulus</hi> wohl nicht Unrecht haben, wenn er<lb/> die Sache als Veranstaltung schmeichlerischer Priester an-<lb/> sieht, welche durch subornirte Scheinkranke den Kaiser in<lb/> den Ruf des Wunderthäters, und dadurch ihren Gott, dessen<lb/> Rath den Vorgang veranlasst hatte, bei ihm in Gunst setzen<lb/> wollten. Exeg. Handb. 2, S. 56 f. Jedenfalls aber sehen wir</note>.<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [68/0087]
Zweiter Abschnitt.
dern hervorhebt, daſs τυφλοὶ ἀναβλέπουσι, zum deutli-
lichen Beweis, daſs namentlich auch solche, an Blinden
verrichtete Wunder vom Messias erwartet wurden, wie
ja jene Worte aus Jes. 35, 5, einer messianisch gedeute-
ten Weissagung, genommen sind, und auch in einer oben
angeführten rabbinischen Stelle unter den Wundern, wel-
che Jehova in der messianischen Zeit ausführen werde,
das hervorgehoben ist, daſs er oculos caecorum aperict,
id quod per Elisam fecit 10). Eine eigentliche Blindheit
nun hat Elisa nicht geheilt, sondern nur einmal seinem
Diener die Augen für eine Wahrnehmung aus der über-
sinnlichen Welt eröffnet, und dann eine in Folge seines
Gebets über seine Feinde verhängte Verblendung wieder
aufhören lassen (2 Kön. 17—20.). Diese Thaten des Elisa
nun faſste man, ohne Zweifel in Rücksicht auf die jesaia-
nische Stelle, geradezu als Eröffnung erblindeter Augen
auf, wie wir aus jener rabbinischen Stelle sehen, und so
wurden vom Messias auch Blindenheilungen erwartet 11).
10) s. Band 1, S. 73, Anm.
11) Auch sonst finden wir, dass in jener Zeit Männern, die für
Lieblinge der Gottheit galten, das Vermögen wunderbarer
Heilung, namentlich auch der Blindheit, zugeschrieben zu
werden pflegte. So erzählen uns Tacitus, Hist. 4, 81., und
Sueton, Vespas. 7, in Alexandrien habe sich an den kürzlich
Imperator gewordenen Vespasian ein Blinder, angeblich nach
einer Weisung des Gottes Serapis, mit der Bitte gewendet,
ihn durch Benetzung seiner Augen mit seinem Speichel zu
heilen, was Vespasian mit dem Erfolge gethan habe, dass der
Blinde augenblicklich das Gesicht wieder erhielt. Da Taci-
tus die Richtigkeit dieser Erzählung ganz besonders ver-
bürgt, so dürfte Paulus wohl nicht Unrecht haben, wenn er
die Sache als Veranstaltung schmeichlerischer Priester an-
sieht, welche durch subornirte Scheinkranke den Kaiser in
den Ruf des Wunderthäters, und dadurch ihren Gott, dessen
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wollten. Exeg. Handb. 2, S. 56 f. Jedenfalls aber sehen wir
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