Händen ihnen den Segen ertheilte, habe er sich von ihnen entfernt (diese), und sei zum Himmel erhoben worden (ane- phereto), worauf die Jünger anbetend niedergefallen, und sofort mit Freuden nach Jerusalem umgekehrt seien (24, 50 ff.). Im Eingang der Apostelgeschichte führt diess Lu- kas weiter aus. Auf dem Ölberg, wo Jesus seinen Jün- gern die lezten Befehle und Verheissungen gab, wurde er vor ihren Augen aufgehoben (eperthe), und eine Wolke nahm ihn auf, die ihn ihren Blicken entzog. Die Jünger schauten ihm nach, wie er auf der Wolke in den Himmel hinein sich entfernte: da standen plözlich zwei Männer in weissen Gewändern bei ihnen, und brachten sie von ihrem Nachsehen durch die Versicherung ab, dass der ihnen entnommene Jesus auf dieselbe Weise, wie er so eben in den Himmel sich erhoben, wieder vom Himmel kommen werde; worauf sie befriedigt nach Jerusalem umkehrten (1, 1--12.).
Der erste Eindruck dieser Erzählung ist offenbar, dass sie einen wunderbaren Vorgang, eine wirkliche Er- hebung Jesu in den Himmel, als den Wohnsiz Gottes, und eine Bestätigung desselben durch Engel berichten wolle, wie ältere und neuere Orthodoxe mit Recht behaupten. Es fragt sich nur, ob sie uns auch über die Schwierig- keiten hinüberhelfen können, welche es hat, einen solchen Vorgang sich denkbar zu machen. Die eine Hauptschwie- rigkeit ist, wie ein tastbarer Leib, welcher noch sarka kai osea hat, und materielle Nahrung geniesst, für einen über- irdischen Aufenthalt tauge, wie er sich auch nur dem Ge- sez der Schwere so weit zu entziehen vermöge, um eines Aufsteigens durch die Lüfte fähig zu sein? und wie Gott eine so widernatürliche Fähigkeit dem Leib Jesu durch ein Wunder habe geben mögen 1)? Das Einzige, was man
1)Gabler, im neuesten theol. Journal 3, S. 417, und in der Vorrede zu Griesbach's opusc. acad. p. XCVI. Vgl. Kuinöl, in Marc. p. 222.
Das Leben Jesu II. Band. 43
Fünftes Kapitel. §. 138.
Händen ihnen den Segen ertheilte, habe er sich von ihnen entfernt (διέςη), und sei zum Himmel erhoben worden (ἀνε- φέρετο), worauf die Jünger anbetend niedergefallen, und sofort mit Freuden nach Jerusalem umgekehrt seien (24, 50 ff.). Im Eingang der Apostelgeschichte führt dieſs Lu- kas weiter aus. Auf dem Ölberg, wo Jesus seinen Jün- gern die lezten Befehle und Verheiſsungen gab, wurde er vor ihren Augen aufgehoben (ἐπήρϑη), und eine Wolke nahm ihn auf, die ihn ihren Blicken entzog. Die Jünger schauten ihm nach, wie er auf der Wolke in den Himmel hinein sich entfernte: da standen plözlich zwei Männer in weiſsen Gewändern bei ihnen, und brachten sie von ihrem Nachsehen durch die Versicherung ab, daſs der ihnen entnommene Jesus auf dieselbe Weise, wie er so eben in den Himmel sich erhoben, wieder vom Himmel kommen werde; worauf sie befriedigt nach Jerusalem umkehrten (1, 1—12.).
Der erste Eindruck dieser Erzählung ist offenbar, daſs sie einen wunderbaren Vorgang, eine wirkliche Er- hebung Jesu in den Himmel, als den Wohnsiz Gottes, und eine Bestätigung desselben durch Engel berichten wolle, wie ältere und neuere Orthodoxe mit Recht behaupten. Es fragt sich nur, ob sie uns auch über die Schwierig- keiten hinüberhelfen können, welche es hat, einen solchen Vorgang sich denkbar zu machen. Die eine Hauptschwie- rigkeit ist, wie ein tastbarer Leib, welcher noch σάρκα καὶ ὀςέα hat, und materielle Nahrung genieſst, für einen über- irdischen Aufenthalt tauge, wie er sich auch nur dem Ge- sez der Schwere so weit zu entziehen vermöge, um eines Aufsteigens durch die Lüfte fähig zu sein? und wie Gott eine so widernatürliche Fähigkeit dem Leib Jesu durch ein Wunder habe geben mögen 1)? Das Einzige, was man
1)Gabler, im neuesten theol. Journal 3, S. 417, und in der Vorrede zu Griesbach's opusc. acad. p. XCVI. Vgl. Kuinöl, in Marc. p. 222.
Das Leben Jesu II. Band. 43
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Fünftes Kapitel. §. 138.
Händen ihnen den Segen ertheilte, habe er sich von ihnen
entfernt (διέςη), und sei zum Himmel erhoben worden (ἀνε-
φέρετο), worauf die Jünger anbetend niedergefallen, und
sofort mit Freuden nach Jerusalem umgekehrt seien (24,
50 ff.). Im Eingang der Apostelgeschichte führt dieſs Lu-
kas weiter aus. Auf dem Ölberg, wo Jesus seinen Jün-
gern die lezten Befehle und Verheiſsungen gab, wurde er
vor ihren Augen aufgehoben (ἐπήρϑη), und eine Wolke
nahm ihn auf, die ihn ihren Blicken entzog. Die Jünger
schauten ihm nach, wie er auf der Wolke in den Himmel
hinein sich entfernte: da standen plözlich zwei Männer in
weiſsen Gewändern bei ihnen, und brachten sie von ihrem
Nachsehen durch die Versicherung ab, daſs der ihnen
entnommene Jesus auf dieselbe Weise, wie er so eben in
den Himmel sich erhoben, wieder vom Himmel kommen
werde; worauf sie befriedigt nach Jerusalem umkehrten
(1, 1—12.).
Der erste Eindruck dieser Erzählung ist offenbar,
daſs sie einen wunderbaren Vorgang, eine wirkliche Er-
hebung Jesu in den Himmel, als den Wohnsiz Gottes, und
eine Bestätigung desselben durch Engel berichten wolle,
wie ältere und neuere Orthodoxe mit Recht behaupten.
Es fragt sich nur, ob sie uns auch über die Schwierig-
keiten hinüberhelfen können, welche es hat, einen solchen
Vorgang sich denkbar zu machen. Die eine Hauptschwie-
rigkeit ist, wie ein tastbarer Leib, welcher noch σάρκα καὶ
ὀςέα hat, und materielle Nahrung genieſst, für einen über-
irdischen Aufenthalt tauge, wie er sich auch nur dem Ge-
sez der Schwere so weit zu entziehen vermöge, um eines
Aufsteigens durch die Lüfte fähig zu sein? und wie Gott
eine so widernatürliche Fähigkeit dem Leib Jesu durch ein
Wunder habe geben mögen 1)? Das Einzige, was man
1) Gabler, im neuesten theol. Journal 3, S. 417, und in der
Vorrede zu Griesbach's opusc. acad. p. XCVI. Vgl. Kuinöl,
in Marc. p. 222.
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Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836, S. 673. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus02_1836/692>, abgerufen am 22.11.2024.
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