Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836.Dritter Abschnitt. freilich wissen auch dieses Anblasen zu eludiren, indemsie ihm den Sinn unterlegen: so gewiss sie Jesus jezt an- hauche, so gewiss sollen sie künftig den heiligen Geist be- kommen 7). Allein das Anblasen ist eben so entschie- den Symbol einer gegenwärtigen Mittheilung, als die Hand- auffegung, und wie also diejenigen, auf welche die Apostel die Hände legten, auf der Stelle vom pneuma erfüllt wurden: so muss sich dieser Stelle zufolge der Verfasser des vierten Evangeliums gedacht haben, die Apostel haben eben damals von Jesu den Geist mitgetheilt bekommen. Um nun weder gegen den klaren Sinn des Johannes leugnen zu müssen, dass wirklich schon nach der Auferstehung eine Geistes- mittheilung an die Jünger stattgefunden, noch auch mit Lukas in Widerspruch zu kommen, welcher die Ausgies- sung des Geistes später sezt, nehmen jezt die Ausleger gewöhnlich Beides an, dass sowohl damals als später den Aposteln pneuma verliehen, die frühere Mittheilung am Pfingstfest nur vermehrt und vollendet worden sei. 8) Oder näher, indem schon Matth. 10, 20. von dem pneuma tou patros die Rede ist, welches die Apostel bei ihrer ersten Missions- reise unterstützen sollte: so wird angenommen, einige hö- here Kraft haben sie schon vor jener Reise, bei Lebzeiten Jesu, bekommen; hier, nach der Auferstehung, habe er ihnen diese Kraft erhöht; die ganze Fülle des Geistes aber sei erst am Pfingstfest über sie ausgegossen worden 9). Aber was nun die Unterschiede dieser Stufen gewesen seien, und worin namentlich die diessmalige Vermehrung der Geistes- gaben bestanden haben solle, ist, wie schon Michaelis be- merkt hat, nicht abzusehen. War den Aposteln das er- stemal die Wunderkraft (Matth. 10, 1. 8.) nebst der Gabe der Parrhesie vor Gericht (V. 20.) mitgetheilt worden, so 7) Less, Auferstehungsgeschichte, S. 281; Kuinöl, z. d. St. 8) Lücke, S. 687. 9) s. bei Michaelis, Begräbniss- und Auferstehungsgeschichte,
S. 268. Olshausen, 2. Dritter Abschnitt. freilich wissen auch dieses Anblasen zu eludiren, indemsie ihm den Sinn unterlegen: so gewiſs sie Jesus jezt an- hauche, so gewiſs sollen sie künftig den heiligen Geist be- kommen 7). Allein das Anblasen ist eben so entschie- den Symbol einer gegenwärtigen Mittheilung, als die Hand- auffegung, und wie also diejenigen, auf welche die Apostel die Hände legten, auf der Stelle vom πνεῦμα erfüllt wurden: so muſs sich dieser Stelle zufolge der Verfasser des vierten Evangeliums gedacht haben, die Apostel haben eben damals von Jesu den Geist mitgetheilt bekommen. Um nun weder gegen den klaren Sinn des Johannes leugnen zu müssen, daſs wirklich schon nach der Auferstehung eine Geistes- mittheilung an die Jünger stattgefunden, noch auch mit Lukas in Widerspruch zu kommen, welcher die Ausgies- sung des Geistes später sezt, nehmen jezt die Ausleger gewöhnlich Beides an, daſs sowohl damals als später den Aposteln πνεῦμα verliehen, die frühere Mittheilung am Pfingstfest nur vermehrt und vollendet worden sei. 8) Oder näher, indem schon Matth. 10, 20. von dem πνεῦμα τοῦ πατρὸς die Rede ist, welches die Apostel bei ihrer ersten Missions- reise unterstützen sollte: so wird angenommen, einige hö- here Kraft haben sie schon vor jener Reise, bei Lebzeiten Jesu, bekommen; hier, nach der Auferstehung, habe er ihnen diese Kraft erhöht; die ganze Fülle des Geistes aber sei erst am Pfingstfest über sie ausgegossen worden 9). Aber was nun die Unterschiede dieser Stufen gewesen seien, und worin namentlich die dieſsmalige Vermehrung der Geistes- gaben bestanden haben solle, ist, wie schon Michaelis be- merkt hat, nicht abzusehen. War den Aposteln das er- stemal die Wunderkraft (Matth. 10, 1. 8.) nebst der Gabe der Parrhesie vor Gericht (V. 20.) mitgetheilt worden, so 7) Less, Auferstehungsgeschichte, S. 281; Kuinöl, z. d. St. 8) Lücke, S. 687. 9) s. bei Michaelis, Begräbniss- und Auferstehungsgeschichte,
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Dritter Abschnitt.
freilich wissen auch dieses Anblasen zu eludiren, indem
sie ihm den Sinn unterlegen: so gewiſs sie Jesus jezt an-
hauche, so gewiſs sollen sie künftig den heiligen Geist be-
kommen 7). Allein das Anblasen ist eben so entschie-
den Symbol einer gegenwärtigen Mittheilung, als die Hand-
auffegung, und wie also diejenigen, auf welche die Apostel
die Hände legten, auf der Stelle vom πνεῦμα erfüllt wurden:
so muſs sich dieser Stelle zufolge der Verfasser des vierten
Evangeliums gedacht haben, die Apostel haben eben damals
von Jesu den Geist mitgetheilt bekommen. Um nun weder
gegen den klaren Sinn des Johannes leugnen zu müssen,
daſs wirklich schon nach der Auferstehung eine Geistes-
mittheilung an die Jünger stattgefunden, noch auch mit
Lukas in Widerspruch zu kommen, welcher die Ausgies-
sung des Geistes später sezt, nehmen jezt die Ausleger
gewöhnlich Beides an, daſs sowohl damals als später den
Aposteln πνεῦμα verliehen, die frühere Mittheilung am
Pfingstfest nur vermehrt und vollendet worden sei. 8) Oder
näher, indem schon Matth. 10, 20. von dem πνεῦμα τοῦ πατρὸς
die Rede ist, welches die Apostel bei ihrer ersten Missions-
reise unterstützen sollte: so wird angenommen, einige hö-
here Kraft haben sie schon vor jener Reise, bei Lebzeiten
Jesu, bekommen; hier, nach der Auferstehung, habe er
ihnen diese Kraft erhöht; die ganze Fülle des Geistes aber
sei erst am Pfingstfest über sie ausgegossen worden 9).
Aber was nun die Unterschiede dieser Stufen gewesen seien,
und worin namentlich die dieſsmalige Vermehrung der Geistes-
gaben bestanden haben solle, ist, wie schon Michaelis be-
merkt hat, nicht abzusehen. War den Aposteln das er-
stemal die Wunderkraft (Matth. 10, 1. 8.) nebst der Gabe
der Parrhesie vor Gericht (V. 20.) mitgetheilt worden, so
7) Less, Auferstehungsgeschichte, S. 281; Kuinöl, z. d. St.
8) Lücke, S. 687.
9) s. bei Michaelis, Begräbniss- und Auferstehungsgeschichte,
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