es, dass laut des vierten Evangeliums die Jünger schon zu Lebzeiten Jesu tauften, oder dass sie erst nach seinem Tod diesen Ritus zum Zeichen der Aufnahme in die neue mes- sianische Gesellschaft machten: jedenfalls war es ganz in der Art der Sage, die Anweisung dazu, wie zum Aus- gang in alle Welt, dem scheidenden Christus als lezte Willenserklärung in den Mund zu legen.
Die Verheissungen, welche Jesus scheidend den Sei- nigen giebt, beschränken sich bei Matthäus, wo sie aus- schliesslich an die Eilfe gerichtet sind, einfach darauf, dass er, dem als Messias alle Gewalt im Himmel und auf Er- den übertragen worden, auch während des gegenwärtigen aion immer unsichtbar bei ihnen sei, bis er mit der sunte- leia desselben in beständige sichtbare Gemeinschaft mit ih- nen treten werde: ganz der Ausdruck des Bewusstseins, wie es sich nach Ausgleichung der Schwankungen, welche der Tod Jesu erregt hatte, in der ersten Gemeinde bil- dete. -- Bei Markus erscheinen die lezten Verheissungen Jesu aus der Volksmeinung genommen, wie sie zur Zeit der Abfassung dieses Evangeliums über die wunderbaren Gaben der Christen gangbar war. Von den semeiois, wel- che den Gläubigen überhaupt hier verheissen sind, mag das lalein glossais kainais im Sinne von 1 Kor. 14., nur nicht in dem bereits mythischen von A. G. 2. 5), in der ersten Gemeinde wirklich vorgekommen sein, ebenso das daimonia ekballein, und auch dass Kranke durch den Glau- ben an die Kraft der epithesis kheiron eines Christen gena- sen, lässt sich auf natürliche Weise denken: dagegen hat das opheis airein (vgl. Luc. 10, 19.) und der Genuss tödtli- cher Getränke, ohne Schaden zu nehmen, wohl immer nur in der abergläubischen Volksmeinung eine Stelle gehabt, und am wenigsten hätte Jesus auf dergleichen Dinge als
5) Vgl. Baur, in der Tübinger Zeitschrift für Theologie, Jahr gang 1830, 2, S. 75 ff.
Dritter Abschnitt.
es, daſs laut des vierten Evangeliums die Jünger schon zu Lebzeiten Jesu tauften, oder daſs sie erst nach seinem Tod diesen Ritus zum Zeichen der Aufnahme in die neue mes- sianische Gesellschaft machten: jedenfalls war es ganz in der Art der Sage, die Anweisung dazu, wie zum Aus- gang in alle Welt, dem scheidenden Christus als lezte Willenserklärung in den Mund zu legen.
Die Verheissungen, welche Jesus scheidend den Sei- nigen giebt, beschränken sich bei Matthäus, wo sie aus- schlieſslich an die Eilfe gerichtet sind, einfach darauf, daſs er, dem als Messias alle Gewalt im Himmel und auf Er- den übertragen worden, auch während des gegenwärtigen αἰὼν immer unsichtbar bei ihnen sei, bis er mit der συντέ- λεια desselben in beständige sichtbare Gemeinschaft mit ih- nen treten werde: ganz der Ausdruck des Bewuſstseins, wie es sich nach Ausgleichung der Schwankungen, welche der Tod Jesu erregt hatte, in der ersten Gemeinde bil- dete. — Bei Markus erscheinen die lezten Verheissungen Jesu aus der Volksmeinung genommen, wie sie zur Zeit der Abfassung dieses Evangeliums über die wunderbaren Gaben der Christen gangbar war. Von den σημείοις, wel- che den Gläubigen überhaupt hier verheiſsen sind, mag das λαλεῖν γλώσσαις καιναῖς im Sinne von 1 Kor. 14., nur nicht in dem bereits mythischen von A. G. 2. 5), in der ersten Gemeinde wirklich vorgekommen sein, ebenso das δαιμόνια ἐκβάλλειν, und auch daſs Kranke durch den Glau- ben an die Kraft der ἐπίϑεσις χειρῶν eines Christen gena- sen, läſst sich auf natürliche Weise denken: dagegen hat das ὄφεις αἴρειν (vgl. Luc. 10, 19.) und der Genuſs tödtli- cher Getränke, ohne Schaden zu nehmen, wohl immer nur in der abergläubischen Volksmeinung eine Stelle gehabt, und am wenigsten hätte Jesus auf dergleichen Dinge als
5) Vgl. Baur, in der Tübinger Zeitschrift für Theologie, Jahr gang 1830, 2, S. 75 ff.
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Dritter Abschnitt.
es, daſs laut des vierten Evangeliums die Jünger schon zu
Lebzeiten Jesu tauften, oder daſs sie erst nach seinem Tod
diesen Ritus zum Zeichen der Aufnahme in die neue mes-
sianische Gesellschaft machten: jedenfalls war es ganz in
der Art der Sage, die Anweisung dazu, wie zum Aus-
gang in alle Welt, dem scheidenden Christus als lezte
Willenserklärung in den Mund zu legen.
Die Verheissungen, welche Jesus scheidend den Sei-
nigen giebt, beschränken sich bei Matthäus, wo sie aus-
schlieſslich an die Eilfe gerichtet sind, einfach darauf, daſs
er, dem als Messias alle Gewalt im Himmel und auf Er-
den übertragen worden, auch während des gegenwärtigen
αἰὼν immer unsichtbar bei ihnen sei, bis er mit der συντέ-
λεια desselben in beständige sichtbare Gemeinschaft mit ih-
nen treten werde: ganz der Ausdruck des Bewuſstseins,
wie es sich nach Ausgleichung der Schwankungen, welche
der Tod Jesu erregt hatte, in der ersten Gemeinde bil-
dete. — Bei Markus erscheinen die lezten Verheissungen
Jesu aus der Volksmeinung genommen, wie sie zur Zeit
der Abfassung dieses Evangeliums über die wunderbaren
Gaben der Christen gangbar war. Von den σημείοις, wel-
che den Gläubigen überhaupt hier verheiſsen sind, mag
das λαλεῖν γλώσσαις καιναῖς im Sinne von 1 Kor. 14., nur
nicht in dem bereits mythischen von A. G. 2. 5), in der
ersten Gemeinde wirklich vorgekommen sein, ebenso das
δαιμόνια ἐκβάλλειν, und auch daſs Kranke durch den Glau-
ben an die Kraft der ἐπίϑεσις χειρῶν eines Christen gena-
sen, läſst sich auf natürliche Weise denken: dagegen hat
das ὄφεις αἴρειν (vgl. Luc. 10, 19.) und der Genuſs tödtli-
cher Getränke, ohne Schaden zu nehmen, wohl immer nur
in der abergläubischen Volksmeinung eine Stelle gehabt,
und am wenigsten hätte Jesus auf dergleichen Dinge als
5) Vgl. Baur, in der Tübinger Zeitschrift für Theologie, Jahr
gang 1830, 2, S. 75 ff.
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Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836, S. 666. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus02_1836/685>, abgerufen am 22.11.2024.
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