Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836.Dritter Abschnitt. gangspunkt in dieser Sache, und den Schlüssel zur Ver-ständigung über alle Erscheinungen Jesu nach seiner Auf- erstehung 18). Wenn nämlich Paulus dort die ihm zu Theil gewordene Christophanie mit den Erscheinungen Je- su in den Tagen nach seiner Auferstehung in Eine Reihe stellt, so berechtigt diess, sofern sonst nichts im Wege steht, zu dem Schlusse, dass, so viel der Apostel wusste, jene früheren Erscheinungen von derselben Art, wie die ihm gewordene, gewesen seien. Von dieser lezteren nun aber, wie sie uns die Apostelgeschichte (9, 1 ff. 22, 3 ff. 26, 12 ff.) erzählt, ist es nach den Analysen von Eichhorn 19) und Ammon 20) nicht wohl mehr möglich, sie als äussere, objek- tive Erscheinung des wirklichen Christus festzuhalten, und selbst Neander 21) getraut sich bloss, eine innere Einwir- kung Christi auf das Gemüth des Paulus sicher zu behaup- ten, die Annahme einer äusseren Erscheinung aber hängt er nur sehr bittweise hinten an, und auch jene innere Ein- wirkung macht er dadurch selbst überflüssig, dass er die Momente namhaft macht, welche auf natürliche Weise ei- ne solche Revolution in der Gesinnung des Mannes her- vorbringen konnten: die günstigen Eindrücke, welche er da und dort vom Christenthum, von der Lehre, dem Le- ben und Benehmen seiner Anhänger, namentlich auch durch den Märtyrertod des Stephanus, bekommen hatte, und wel- che sein Gemüth in eine Spannung und in einen innern Kampf versetzten, den er wohl einige Zeit gewaltsam, und vielleicht selbst durch verdoppeltes Eifern gegen die neue Sekte, unterdrücken konnte, der sich aber zulezt in einer 18) S. die angeführte Abhandlung in Schmidt's Bibl., S. 537. Kaiser, bibl. Theol. 1, S. 258 f. 19) In seiner allg. Bibliothek, 6, 1, S. 1 ff. 20) Comm. exeg. de repentina Sauli -- conversione. In s. opusc. theol. 21) Geschichte der Pflanzung und Leitung der christl. Kirche
durch die Apostel, 1, S. 75 ff. Dritter Abschnitt. gangspunkt in dieser Sache, und den Schlüssel zur Ver-ständigung über alle Erscheinungen Jesu nach seiner Auf- erstehung 18). Wenn nämlich Paulus dort die ihm zu Theil gewordene Christophanie mit den Erscheinungen Je- su in den Tagen nach seiner Auferstehung in Eine Reihe stellt, so berechtigt dieſs, sofern sonst nichts im Wege steht, zu dem Schlusse, daſs, so viel der Apostel wuſste, jene früheren Erscheinungen von derselben Art, wie die ihm gewordene, gewesen seien. Von dieser lezteren nun aber, wie sie uns die Apostelgeschichte (9, 1 ff. 22, 3 ff. 26, 12 ff.) erzählt, ist es nach den Analysen von Eichhorn 19) und Ammon 20) nicht wohl mehr möglich, sie als äussere, objek- tive Erscheinung des wirklichen Christus festzuhalten, und selbst Neander 21) getraut sich bloſs, eine innere Einwir- kung Christi auf das Gemüth des Paulus sicher zu behaup- ten, die Annahme einer äusseren Erscheinung aber hängt er nur sehr bittweise hinten an, und auch jene innere Ein- wirkung macht er dadurch selbst überflüssig, daſs er die Momente namhaft macht, welche auf natürliche Weise ei- ne solche Revolution in der Gesinnung des Mannes her- vorbringen konnten: die günstigen Eindrücke, welche er da und dort vom Christenthum, von der Lehre, dem Le- ben und Benehmen seiner Anhänger, namentlich auch durch den Märtyrertod des Stephanus, bekommen hatte, und wel- che sein Gemüth in eine Spannung und in einen innern Kampf versetzten, den er wohl einige Zeit gewaltsam, und vielleicht selbst durch verdoppeltes Eifern gegen die neue Sekte, unterdrücken konnte, der sich aber zulezt in einer 18) S. die angeführte Abhandlung in Schmidt's Bibl., S. 537. Kaiser, bibl. Theol. 1, S. 258 f. 19) In seiner allg. Bibliothek, 6, 1, S. 1 ff. 20) Comm. exeg. de repentina Sauli — conversione. In s. opusc. theol. 21) Geschichte der Pflanzung und Leitung der christl. Kirche
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Dritter Abschnitt.
gangspunkt in dieser Sache, und den Schlüssel zur Ver-
ständigung über alle Erscheinungen Jesu nach seiner Auf-
erstehung 18). Wenn nämlich Paulus dort die ihm zu
Theil gewordene Christophanie mit den Erscheinungen Je-
su in den Tagen nach seiner Auferstehung in Eine Reihe
stellt, so berechtigt dieſs, sofern sonst nichts im Wege steht,
zu dem Schlusse, daſs, so viel der Apostel wuſste, jene
früheren Erscheinungen von derselben Art, wie die ihm
gewordene, gewesen seien. Von dieser lezteren nun aber,
wie sie uns die Apostelgeschichte (9, 1 ff. 22, 3 ff. 26, 12 ff.)
erzählt, ist es nach den Analysen von Eichhorn 19) und
Ammon 20) nicht wohl mehr möglich, sie als äussere, objek-
tive Erscheinung des wirklichen Christus festzuhalten, und
selbst Neander 21) getraut sich bloſs, eine innere Einwir-
kung Christi auf das Gemüth des Paulus sicher zu behaup-
ten, die Annahme einer äusseren Erscheinung aber hängt
er nur sehr bittweise hinten an, und auch jene innere Ein-
wirkung macht er dadurch selbst überflüssig, daſs er die
Momente namhaft macht, welche auf natürliche Weise ei-
ne solche Revolution in der Gesinnung des Mannes her-
vorbringen konnten: die günstigen Eindrücke, welche er
da und dort vom Christenthum, von der Lehre, dem Le-
ben und Benehmen seiner Anhänger, namentlich auch durch
den Märtyrertod des Stephanus, bekommen hatte, und wel-
che sein Gemüth in eine Spannung und in einen innern
Kampf versetzten, den er wohl einige Zeit gewaltsam, und
vielleicht selbst durch verdoppeltes Eifern gegen die neue
Sekte, unterdrücken konnte, der sich aber zulezt in einer
18) S. die angeführte Abhandlung in Schmidt's Bibl., S. 537.
Kaiser, bibl. Theol. 1, S. 258 f.
19) In seiner allg. Bibliothek, 6, 1, S. 1 ff.
20) Comm. exeg. de repentina Sauli — conversione. In s. opusc.
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