sich verspürten; noch die Verlegung des Wohnsitzes von Jerusalem weg, wo sie nur als festbesuchende Fremde sich aufhielten: sondern eben von der Reise muss sie Jesus ha- ben zurückhalten wollen, welche zu machen ihnen am nächsten lag, d. h. von der Rückkehr in ihre Heimath Ga- liläa nach Verfluss der Festtage. Überdiess -- worüber auch Michaelis gesteht, sich wundern zu müssen -- wenn Lu- kas durch jenes Verbot Jesu die Reise nach Galiläa nicht ausschliessen will, warum erwähnt er derselben mit kei- nem Wort? und ebenso, wenn Matthäus sich bewusst war, dass seine Hinweisung nach Galiläa sich mit dem Befehl, in der Hauptstadt zu bleiben, vertrage, warum hat er die- sen, sammt den jerusalemischen Erscheinungen, übergan- gen? gewiss ein deutlicher Beweis, dass jeder von beiden einer andern Grundansicht vom Schauplaz der Erscheinun- gen des auferstandenen Jesus gefolgt ist.
In diesem Gedränge, zwei an demselben Tag gegebene entgegengesezte Befehle zusammenzureimen, bot die Ver- gleichung der Apostelgeschichte eine erwünschte Hülfe durch Unterscheidung der Zeiten dar. Hier findet sich nämlich der Befehl Jesu, Jerusalem nicht zu verlassen, in seine lezte Erscheinung, 40 Tage nach der Auferstehung, un- mittelbar vor der Himmelfahrt, verlegt; am Schlusse des Lukasevangeliums ist es gleichfalls die lezte mit der Him- melfahrt schliessende Zusammenkunft, in welcher jener Befehl ertheilt wird, und wenn man nun gleich, die ge- drängte Darstellung des Evangeliums für sich genommen, glauben müsste, das Alles sei noch am Tage der Auferste- hung selbst vorgegangen: so ersehe man doch, heisst es, aus der A. G. desselben Verfassers, dass zwischen V. 43 und 44. im lezten Kapitel seines Evangeliums die 40 Tage von der Auferstehung bis zur Himmelfahrt mitten inne lie- gen. Hiemit aber verschwinde auch der scheinbare Wider- spruch jener beiden Weisungen: denn gar wohl könne, wer zuerst zwar zu einer Reise nach Galiläa angewiesen
Dritter Abschnitt.
sich verspürten; noch die Verlegung des Wohnsitzes von Jerusalem weg, wo sie nur als festbesuchende Fremde sich aufhielten: sondern eben von der Reise muſs sie Jesus ha- ben zurückhalten wollen, welche zu machen ihnen am nächsten lag, d. h. von der Rückkehr in ihre Heimath Ga- liläa nach Verfluſs der Festtage. Überdieſs — worüber auch Michaelis gesteht, sich wundern zu müssen — wenn Lu- kas durch jenes Verbot Jesu die Reise nach Galiläa nicht ausschlieſsen will, warum erwähnt er derselben mit kei- nem Wort? und ebenso, wenn Matthäus sich bewuſst war, daſs seine Hinweisung nach Galiläa sich mit dem Befehl, in der Hauptstadt zu bleiben, vertrage, warum hat er die- sen, sammt den jerusalemischen Erscheinungen, übergan- gen? gewiſs ein deutlicher Beweis, daſs jeder von beiden einer andern Grundansicht vom Schauplaz der Erscheinun- gen des auferstandenen Jesus gefolgt ist.
In diesem Gedränge, zwei an demselben Tag gegebene entgegengesezte Befehle zusammenzureimen, bot die Ver- gleichung der Apostelgeschichte eine erwünschte Hülfe durch Unterscheidung der Zeiten dar. Hier findet sich nämlich der Befehl Jesu, Jerusalem nicht zu verlassen, in seine lezte Erscheinung, 40 Tage nach der Auferstehung, un- mittelbar vor der Himmelfahrt, verlegt; am Schlusse des Lukasevangeliums ist es gleichfalls die lezte mit der Him- melfahrt schlieſsende Zusammenkunft, in welcher jener Befehl ertheilt wird, und wenn man nun gleich, die ge- drängte Darstellung des Evangeliums für sich genommen, glauben müſste, das Alles sei noch am Tage der Auferste- hung selbst vorgegangen: so ersehe man doch, heiſst es, aus der A. G. desselben Verfassers, daſs zwischen V. 43 und 44. im lezten Kapitel seines Evangeliums die 40 Tage von der Auferstehung bis zur Himmelfahrt mitten inne lie- gen. Hiemit aber verschwinde auch der scheinbare Wider- spruch jener beiden Weisungen: denn gar wohl könne, wer zuerst zwar zu einer Reise nach Galiläa angewiesen
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Dritter Abschnitt.
sich verspürten; noch die Verlegung des Wohnsitzes von
Jerusalem weg, wo sie nur als festbesuchende Fremde sich
aufhielten: sondern eben von der Reise muſs sie Jesus ha-
ben zurückhalten wollen, welche zu machen ihnen am
nächsten lag, d. h. von der Rückkehr in ihre Heimath Ga-
liläa nach Verfluſs der Festtage. Überdieſs — worüber auch
Michaelis gesteht, sich wundern zu müssen — wenn Lu-
kas durch jenes Verbot Jesu die Reise nach Galiläa nicht
ausschlieſsen will, warum erwähnt er derselben mit kei-
nem Wort? und ebenso, wenn Matthäus sich bewuſst war,
daſs seine Hinweisung nach Galiläa sich mit dem Befehl,
in der Hauptstadt zu bleiben, vertrage, warum hat er die-
sen, sammt den jerusalemischen Erscheinungen, übergan-
gen? gewiſs ein deutlicher Beweis, daſs jeder von beiden
einer andern Grundansicht vom Schauplaz der Erscheinun-
gen des auferstandenen Jesus gefolgt ist.
In diesem Gedränge, zwei an demselben Tag gegebene
entgegengesezte Befehle zusammenzureimen, bot die Ver-
gleichung der Apostelgeschichte eine erwünschte Hülfe durch
Unterscheidung der Zeiten dar. Hier findet sich nämlich
der Befehl Jesu, Jerusalem nicht zu verlassen, in seine
lezte Erscheinung, 40 Tage nach der Auferstehung, un-
mittelbar vor der Himmelfahrt, verlegt; am Schlusse des
Lukasevangeliums ist es gleichfalls die lezte mit der Him-
melfahrt schlieſsende Zusammenkunft, in welcher jener
Befehl ertheilt wird, und wenn man nun gleich, die ge-
drängte Darstellung des Evangeliums für sich genommen,
glauben müſste, das Alles sei noch am Tage der Auferste-
hung selbst vorgegangen: so ersehe man doch, heiſst es,
aus der A. G. desselben Verfassers, daſs zwischen V. 43
und 44. im lezten Kapitel seines Evangeliums die 40 Tage
von der Auferstehung bis zur Himmelfahrt mitten inne lie-
gen. Hiemit aber verschwinde auch der scheinbare Wider-
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Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836, S. 612. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus02_1836/631>, abgerufen am 26.11.2024.
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