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Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836.

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Dritter Abschnitt.
ruhig die weissen Gestalten. Hienach muss es etwas im
Grabe gewesen sein, was in ihnen den Gedanken an weiss-
gekleidete Engel erregte; im Grabe aber lagen nach Lukas
und Johannes die weissen Leintücher, in welche der Leich-
nam Jesu gewickelt gewesen war: diese, welche von den
ruhigeren und beherzteren Männern einfach als solche er-
kannt wurden, konnten, sagt man, von furchtsamen und
aufgeregten Weibern in der dunkeln Gruft bei täuschen-
der Morgendämmerung gar wohl für Engel gehalten wer-
den 22). Doch wie sollten die Frauen, welche doch
erwarten mussten, einen weisseingewickelten Todten in
der Gruft zu finden, durch den Anblick jener Tücher auf
so ganz besondere Gedanken gekommen sein, und zwar
gerade darauf, was ihnen damals am fernsten lag, diess
mögen wohl Engel sein, welche die Auferstehung ihres
hingerichteten Lehrers ihnen ankündigen wollen? -- Wie
sonderbar aber, musste man von anderer Seite her den-
ken, hier so viele künstliche Vermuthungen aufzustellen,
was wohl die Engel gewesen sein mögen, da doch unter
den vier Berichten zwei uns ausdrücklich sagen, was sie
gewesen sind, nämlich natürliche Menschen, wenn ja
Markus seinen Engel als neaniskon, Lukas die seinigen als
andras duo bezeichnet 23). Wer sollen nun aber diese
Männer gewesen sein? Hier ist wieder Thür und Thor
geöffnet für die Annahme von geheimen Verbündeten Jesu,
welche diessmal selbst den Jüngern unbekannt gewesen
sein müssten: es werden dieselben gewesen sein, welche
bei der sogenannten Verklärungsgeschichte mit ihm zusam-
menkamen, vielleicht Essener, welche sich weiss zu klei-
den pflegten -- und was dergleichen aus der Mode ge-

22) So eine Abhandlung in Eichhorn's a. Bibl. 8, S. 629 ff., und
in Schmidt's Bibl. 2, S. 545 f.; auch Bauer, hebr. Mythol.
2, S. 259.
23) Paulus, ex. Handb. 3, b, S. 829. 55. 60. 62.

Dritter Abschnitt.
ruhig die weissen Gestalten. Hienach muſs es etwas im
Grabe gewesen sein, was in ihnen den Gedanken an weiſs-
gekleidete Engel erregte; im Grabe aber lagen nach Lukas
und Johannes die weissen Leintücher, in welche der Leich-
nam Jesu gewickelt gewesen war: diese, welche von den
ruhigeren und beherzteren Männern einfach als solche er-
kannt wurden, konnten, sagt man, von furchtsamen und
aufgeregten Weibern in der dunkeln Gruft bei täuschen-
der Morgendämmerung gar wohl für Engel gehalten wer-
den 22). Doch wie sollten die Frauen, welche doch
erwarten muſsten, einen weiſseingewickelten Todten in
der Gruft zu finden, durch den Anblick jener Tücher auf
so ganz besondere Gedanken gekommen sein, und zwar
gerade darauf, was ihnen damals am fernsten lag, dieſs
mögen wohl Engel sein, welche die Auferstehung ihres
hingerichteten Lehrers ihnen ankündigen wollen? — Wie
sonderbar aber, muſste man von anderer Seite her den-
ken, hier so viele künstliche Vermuthungen aufzustellen,
was wohl die Engel gewesen sein mögen, da doch unter
den vier Berichten zwei uns ausdrücklich sagen, was sie
gewesen sind, nämlich natürliche Menschen, wenn ja
Markus seinen Engel als νεανίσκον, Lukas die seinigen als
ἄνδρας δύο bezeichnet 23). Wer sollen nun aber diese
Männer gewesen sein? Hier ist wieder Thür und Thor
geöffnet für die Annahme von geheimen Verbündeten Jesu,
welche dieſsmal selbst den Jüngern unbekannt gewesen
sein müssten: es werden dieselben gewesen sein, welche
bei der sogenannten Verklärungsgeschichte mit ihm zusam-
menkamen, vielleicht Essener, welche sich weiſs zu klei-
den pflegten — und was dergleichen aus der Mode ge-

22) So eine Abhandlung in Eichhorn's a. Bibl. 8, S. 629 ff., und
in Schmidt's Bibl. 2, S. 545 f.; auch Bauer, hebr. Mythol.
2, S. 259.
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[608/0627] Dritter Abschnitt. ruhig die weissen Gestalten. Hienach muſs es etwas im Grabe gewesen sein, was in ihnen den Gedanken an weiſs- gekleidete Engel erregte; im Grabe aber lagen nach Lukas und Johannes die weissen Leintücher, in welche der Leich- nam Jesu gewickelt gewesen war: diese, welche von den ruhigeren und beherzteren Männern einfach als solche er- kannt wurden, konnten, sagt man, von furchtsamen und aufgeregten Weibern in der dunkeln Gruft bei täuschen- der Morgendämmerung gar wohl für Engel gehalten wer- den 22). Doch wie sollten die Frauen, welche doch erwarten muſsten, einen weiſseingewickelten Todten in der Gruft zu finden, durch den Anblick jener Tücher auf so ganz besondere Gedanken gekommen sein, und zwar gerade darauf, was ihnen damals am fernsten lag, dieſs mögen wohl Engel sein, welche die Auferstehung ihres hingerichteten Lehrers ihnen ankündigen wollen? — Wie sonderbar aber, muſste man von anderer Seite her den- ken, hier so viele künstliche Vermuthungen aufzustellen, was wohl die Engel gewesen sein mögen, da doch unter den vier Berichten zwei uns ausdrücklich sagen, was sie gewesen sind, nämlich natürliche Menschen, wenn ja Markus seinen Engel als νεανίσκον, Lukas die seinigen als ἄνδρας δύο bezeichnet 23). Wer sollen nun aber diese Männer gewesen sein? Hier ist wieder Thür und Thor geöffnet für die Annahme von geheimen Verbündeten Jesu, welche dieſsmal selbst den Jüngern unbekannt gewesen sein müssten: es werden dieselben gewesen sein, welche bei der sogenannten Verklärungsgeschichte mit ihm zusam- menkamen, vielleicht Essener, welche sich weiſs zu klei- den pflegten — und was dergleichen aus der Mode ge- 22) So eine Abhandlung in Eichhorn's a. Bibl. 8, S. 629 ff., und in Schmidt's Bibl. 2, S. 545 f.; auch Bauer, hebr. Mythol. 2, S. 259. 23) Paulus, ex. Handb. 3, b, S. 829. 55. 60. 62.

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Zitationshilfe: Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836, S. 608. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus02_1836/627>, abgerufen am 22.11.2024.