Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836.Viertes Kapitel. §. 133. kus, darauf an, ob nicht er vielleicht der dem Faktumnächste sein möchte: so ist er auf eine Weise in sich zer- rissen und aus ungefügigen Bestandtheilen zusammenge- sezt, dass an ein solches Verhältniss nicht zu denken ist. Nachdem nämlich bereits erzählt war, dass am Frühmor- gen des Tags nach dem Sabbat die Frauen zum Grabe Jesu gekommen, und durch einen Engel von seiner Aufer- stehung benachrichtigt worden seien, aus Furcht aber Niemand etwas von der gehabten Erscheinung gesagt ha- ben (16, 1--8.): wird nun (V. 9.), als ob weder von der Auferstehung, noch von der Zeit derselben, die Rede ge- wesen wäre, fortgefahren: anasas de proi prote sabba- ton ephane proton Maria te Magdalene. Dieser Zug passt auch desshalb zu der vorangegangenen Erzählung nicht, weil diese gar nicht auf eine der Magdalena besonders zugedachte Erscheinung eingerichtet ist, sondern, da sie mit zwei andern Frauen durch einen Engel von Jesu Auf- erstehung benachrichtigt wird, so konnte ihr vorher Jesus noch nicht erschienen sein, nachher aber, auf dem Weg zur Stadt, war sie mit den übrigen Frauen zusammen, wo sie dann wirklich nach Matthäus miteinander die Chri- stophanie hatten. Ob man desswegen den Schluss des Markusevangeliums, von V. 9. an, als einen späteren Zu- saz ansehen darf 18), ist zwar wegen des Mangels an hin- reichenden kritischen Gründen zweifelhaft; in jedem Fall aber haben wir hier einen Bericht, welchen der Verfas- ser aus verschiedenartigen Elementen der umgehenden Sa- ge, welche er nicht zu beherrschen wusste, ohne klare Anschauung von dem Hergang der Sache und der Aufein- anderfolge der Momente, eilfertig zusammengesezt hat. In der Erzählung des Lukas wäre zwar übrigens kein 18) Wie z. B. Paulus und Fritzsche.
Viertes Kapitel. §. 133. kus, darauf an, ob nicht er vielleicht der dem Faktumnächste sein möchte: so ist er auf eine Weise in sich zer- rissen und aus ungefügigen Bestandtheilen zusammenge- sezt, daſs an ein solches Verhältniſs nicht zu denken ist. Nachdem nämlich bereits erzählt war, daſs am Frühmor- gen des Tags nach dem Sabbat die Frauen zum Grabe Jesu gekommen, und durch einen Engel von seiner Aufer- stehung benachrichtigt worden seien, aus Furcht aber Niemand etwas von der gehabten Erscheinung gesagt ha- ben (16, 1—8.): wird nun (V. 9.), als ob weder von der Auferstehung, noch von der Zeit derselben, die Rede ge- wesen wäre, fortgefahren: ἀναςὰς δὲ πρωῒ πρώτῃ σαββά- των ἐφάνη πρῶτον Μαρίᾳ τῇ Μαγδαληνῇ. Dieser Zug paſst auch deſshalb zu der vorangegangenen Erzählung nicht, weil diese gar nicht auf eine der Magdalena besonders zugedachte Erscheinung eingerichtet ist, sondern, da sie mit zwei andern Frauen durch einen Engel von Jesu Auf- erstehung benachrichtigt wird, so konnte ihr vorher Jesus noch nicht erschienen sein, nachher aber, auf dem Weg zur Stadt, war sie mit den übrigen Frauen zusammen, wo sie dann wirklich nach Matthäus miteinander die Chri- stophanie hatten. Ob man deſswegen den Schluſs des Markusevangeliums, von V. 9. an, als einen späteren Zu- saz ansehen darf 18), ist zwar wegen des Mangels an hin- reichenden kritischen Gründen zweifelhaft; in jedem Fall aber haben wir hier einen Bericht, welchen der Verfas- ser aus verschiedenartigen Elementen der umgehenden Sa- ge, welche er nicht zu beherrschen wuſste, ohne klare Anschauung von dem Hergang der Sache und der Aufein- anderfolge der Momente, eilfertig zusammengesezt hat. In der Erzählung des Lukas wäre zwar übrigens kein 18) Wie z. B. Paulus und Fritzsche.
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Viertes Kapitel. §. 133.
kus, darauf an, ob nicht er vielleicht der dem Faktum
nächste sein möchte: so ist er auf eine Weise in sich zer-
rissen und aus ungefügigen Bestandtheilen zusammenge-
sezt, daſs an ein solches Verhältniſs nicht zu denken ist.
Nachdem nämlich bereits erzählt war, daſs am Frühmor-
gen des Tags nach dem Sabbat die Frauen zum Grabe
Jesu gekommen, und durch einen Engel von seiner Aufer-
stehung benachrichtigt worden seien, aus Furcht aber
Niemand etwas von der gehabten Erscheinung gesagt ha-
ben (16, 1—8.): wird nun (V. 9.), als ob weder von der
Auferstehung, noch von der Zeit derselben, die Rede ge-
wesen wäre, fortgefahren: ἀναςὰς δὲ πρωῒ πρώτῃ σαββά-
των ἐφάνη πρῶτον Μαρίᾳ τῇ Μαγδαληνῇ. Dieser Zug paſst
auch deſshalb zu der vorangegangenen Erzählung nicht,
weil diese gar nicht auf eine der Magdalena besonders
zugedachte Erscheinung eingerichtet ist, sondern, da sie
mit zwei andern Frauen durch einen Engel von Jesu Auf-
erstehung benachrichtigt wird, so konnte ihr vorher Jesus
noch nicht erschienen sein, nachher aber, auf dem Weg
zur Stadt, war sie mit den übrigen Frauen zusammen,
wo sie dann wirklich nach Matthäus miteinander die Chri-
stophanie hatten. Ob man deſswegen den Schluſs des
Markusevangeliums, von V. 9. an, als einen späteren Zu-
saz ansehen darf 18), ist zwar wegen des Mangels an hin-
reichenden kritischen Gründen zweifelhaft; in jedem Fall
aber haben wir hier einen Bericht, welchen der Verfas-
ser aus verschiedenartigen Elementen der umgehenden Sa-
ge, welche er nicht zu beherrschen wuſste, ohne klare
Anschauung von dem Hergang der Sache und der Aufein-
anderfolge der Momente, eilfertig zusammengesezt hat.
In der Erzählung des Lukas wäre zwar übrigens kein
besonderer Anstoſs: doch aber hat sie ein verdächtiges
Element, die Engelerscheinung, und zwar in der Zwei-
18) Wie z. B. Paulus und Fritzsche.
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