Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836.Viertes Kapitel. §. 133. der Combination eines solchen, welcher die Frage, wie dennwohl der grosse Stein vom Grabe gekommen, und die Wächter bei Seite geschafft worden seien, nicht besser beantworten zu können glaubte, als wenn er zu Beidem den Engel be- nüzte, welchen ihm die umlaufenden Erzählungen von der den Frauen zu Theil gewordenen Erscheinung boten, wo- zu er ferner das Erdbeben, als weitere Verherrlichung der Scene, sezte. Aber auch ausserdem ist in der Erzählung des Matthäus noch ein Zug, der nichts weniger als histo- risch klingen will. Nachdem den Frauen bereits der En- gel die Auferstehung Jesu verkündigt, und sie mit dem Auftrag an die Jünger gesendet hatte, dass sie nach Ga- liläa gehen sollen, dort werde ihnen der Auferstandene er- scheinen: begegnet ihnen dieser selbst, und wiederholt den Auftrag an die Jünger. Diess ist ein wunderlicher Über- fluss. Zum Inhalt des Auftrags, den die Engel den Frauen gegeben, hatte Jesus nichts mehr hinzuzufügen; mithin müsste er denselben nur noch haben bekräftigen und glaub- hafter machen wollen. Allein bei den Frauen bedurfte es weiterer Beglaubigung nicht, denn sie waren ja schon durch die Nachricht des Engels kharas megales voll, also gläubig; bei den Jüngern aber reichte auch jene Bekräf- tigung nicht hin, denn sie blieben selbst auf den Bericht derjenigen, welche Jesum gesehen zu haben versicher- ten, bis sie ihn selbst zu sehen bekamen, ungläubig. Es scheinen sich also hier zweierlei Relationen über die erste Kunde der Auferstehung in einander verwickelt zu haben, von welchen die eine die Weiber durch Engel, die andre durch Jesum selbst von seiner Wiederbelebung in Kenntniss gesezt und an die Jünger abgeschickt werden liess -- die leztere offenbar die spätere. Der dem Berichte des Matthäus entzogene Vorrang der Viertes Kapitel. §. 133. der Combination eines solchen, welcher die Frage, wie dennwohl der groſse Stein vom Grabe gekommen, und die Wächter bei Seite geschafft worden seien, nicht besser beantworten zu können glaubte, als wenn er zu Beidem den Engel be- nüzte, welchen ihm die umlaufenden Erzählungen von der den Frauen zu Theil gewordenen Erscheinung boten, wo- zu er ferner das Erdbeben, als weitere Verherrlichung der Scene, sezte. Aber auch ausserdem ist in der Erzählung des Matthäus noch ein Zug, der nichts weniger als histo- risch klingen will. Nachdem den Frauen bereits der En- gel die Auferstehung Jesu verkündigt, und sie mit dem Auftrag an die Jünger gesendet hatte, daſs sie nach Ga- liläa gehen sollen, dort werde ihnen der Auferstandene er- scheinen: begegnet ihnen dieser selbst, und wiederholt den Auftrag an die Jünger. Dieſs ist ein wunderlicher Über- fluſs. Zum Inhalt des Auftrags, den die Engel den Frauen gegeben, hatte Jesus nichts mehr hinzuzufügen; mithin müſste er denselben nur noch haben bekräftigen und glaub- hafter machen wollen. Allein bei den Frauen bedurfte es weiterer Beglaubigung nicht, denn sie waren ja schon durch die Nachricht des Engels χαρᾶς μεγάλης voll, also gläubig; bei den Jüngern aber reichte auch jene Bekräf- tigung nicht hin, denn sie blieben selbst auf den Bericht derjenigen, welche Jesum gesehen zu haben versicher- ten, bis sie ihn selbst zu sehen bekamen, ungläubig. Es scheinen sich also hier zweierlei Relationen über die erste Kunde der Auferstehung in einander verwickelt zu haben, von welchen die eine die Weiber durch Engel, die andre durch Jesum selbst von seiner Wiederbelebung in Kenntniſs gesezt und an die Jünger abgeschickt werden lieſs — die leztere offenbar die spätere. 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Viertes Kapitel. §. 133.
der Combination eines solchen, welcher die Frage, wie denn
wohl der groſse Stein vom Grabe gekommen, und die Wächter
bei Seite geschafft worden seien, nicht besser beantworten
zu können glaubte, als wenn er zu Beidem den Engel be-
nüzte, welchen ihm die umlaufenden Erzählungen von der
den Frauen zu Theil gewordenen Erscheinung boten, wo-
zu er ferner das Erdbeben, als weitere Verherrlichung der
Scene, sezte. Aber auch ausserdem ist in der Erzählung
des Matthäus noch ein Zug, der nichts weniger als histo-
risch klingen will. Nachdem den Frauen bereits der En-
gel die Auferstehung Jesu verkündigt, und sie mit dem
Auftrag an die Jünger gesendet hatte, daſs sie nach Ga-
liläa gehen sollen, dort werde ihnen der Auferstandene er-
scheinen: begegnet ihnen dieser selbst, und wiederholt den
Auftrag an die Jünger. Dieſs ist ein wunderlicher Über-
fluſs. Zum Inhalt des Auftrags, den die Engel den Frauen
gegeben, hatte Jesus nichts mehr hinzuzufügen; mithin
müſste er denselben nur noch haben bekräftigen und glaub-
hafter machen wollen. Allein bei den Frauen bedurfte es
weiterer Beglaubigung nicht, denn sie waren ja schon
durch die Nachricht des Engels χαρᾶς μεγάλης voll, also
gläubig; bei den Jüngern aber reichte auch jene Bekräf-
tigung nicht hin, denn sie blieben selbst auf den Bericht
derjenigen, welche Jesum gesehen zu haben versicher-
ten, bis sie ihn selbst zu sehen bekamen, ungläubig.
Es scheinen sich also hier zweierlei Relationen über die
erste Kunde der Auferstehung in einander verwickelt zu
haben, von welchen die eine die Weiber durch Engel, die
andre durch Jesum selbst von seiner Wiederbelebung in
Kenntniſs gesezt und an die Jünger abgeschickt werden
lieſs — die leztere offenbar die spätere.
Der dem Berichte des Matthäus entzogene Vorrang der
Autopsie wird auch hier wie sonst dem johanneischen zu-
erkannt. So charakteristische Züge, sagt Lücke, wie, daſs
bei'm Gang zum Grabe der ἄλλος μαϑητὴς schneller als Pe-
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