Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836.Dritter Abschnitt. das Plusquamperfektum stehen, 3) eine Ausflucht, welchezwar Lessing noch gestatten wollte, die neueste Kritik aber nicht mehr gestatten will 4). -- In Bezug auf die Zahl und den Gang der Frauen wurde zunächst geltend gemacht, dass auch nach Johannes, ob er gleich die Magdalena allein namhaft mache, mit dieser noch mehrere Frauen zum Grab gegangen sein müssen, da er sie ja nach ihrer Rück- kehr von demselben zu den beiden Jüngern sagen lässt: ouk oidamen, pou ethekan auton, 5) ein Plural, der allerdings auf verschwiegene weitere Personen deutet, mit welchen Magdalena, sei es am Grab selbst, oder auf dem Rück- weg, ehe sie zu den Aposteln kam, über den Gegenstand verhandelt hatte. So gieng also, sagt man, Magdalena mit andern Weibern, von denen die übrigen Evangelisten, dieser mehrere, jener wenigere, namhaft machen, zum Grabe: da sie aber zurückkommt, ohne dass sie, wie die übrigen Frauen, einen Engel gesehen hatte, so wird nun angenommen, sie sei, sobald sie den Stein weggewälzt sah, allein zurückgelaufen, was man durch ihre heftige Gemüthsart, als einer ehedem Dämonischen, motivirt 6). Während sie zur Stadt zurückeilte, hatten nun die übri- gen Frauen die Erscheinungen, von welchen die Synopti- ker sprechen. -- Allen, wird behauptet, erschienen die En- gel innerhalb des Grabs; denn dass einer aussen auf dem Stein gesessen, ist bei Matthäus nur Plusquamperfektum: als die Frauen kamen, hatte er sich bereits in das Grab zurückgezogen, da ja nach ihrer Unterhaltung mit ihm die 3) Michaelis, a. a. O. S. 112. 4) Schneckenburger, über den Urspr. des ersten kanon. Evang. S. 62 f. Vgl. den Wolfenbüttler Fragmentisten in Lessing's viertem Beitrag, S. 472 ff., und Lessing's Duplik, Werke, Carlsr. Ausg. 24. Thl. S. 137 f. 5) Michaelis, S. 150 ff. 6) Paulus, exeg. Handb. 3, b, S. 825.
Dritter Abschnitt. das Plusquamperfektum stehen, 3) eine Ausflucht, welchezwar Lessing noch gestatten wollte, die neueste Kritik aber nicht mehr gestatten will 4). — In Bezug auf die Zahl und den Gang der Frauen wurde zunächst geltend gemacht, daſs auch nach Johannes, ob er gleich die Magdalena allein namhaft mache, mit dieser noch mehrere Frauen zum Grab gegangen sein müssen, da er sie ja nach ihrer Rück- kehr von demselben zu den beiden Jüngern sagen läſst: οὐκ οἴδαμεν, ποῦ ἔϑηκαν αὐτὸν, 5) ein Plural, der allerdings auf verschwiegene weitere Personen deutet, mit welchen Magdalena, sei es am Grab selbst, oder auf dem Rück- weg, ehe sie zu den Aposteln kam, über den Gegenstand verhandelt hatte. So gieng also, sagt man, Magdalena mit andern Weibern, von denen die übrigen Evangelisten, dieser mehrere, jener wenigere, namhaft machen, zum Grabe: da sie aber zurückkommt, ohne daſs sie, wie die übrigen Frauen, einen Engel gesehen hatte, so wird nun angenommen, sie sei, sobald sie den Stein weggewälzt sah, allein zurückgelaufen, was man durch ihre heftige Gemüthsart, als einer ehedem Dämonischen, motivirt 6). Während sie zur Stadt zurückeilte, hatten nun die übri- gen Frauen die Erscheinungen, von welchen die Synopti- ker sprechen. — Allen, wird behauptet, erschienen die En- gel innerhalb des Grabs; denn daſs einer aussen auf dem Stein gesessen, ist bei Matthäus nur Plusquamperfektum: als die Frauen kamen, hatte er sich bereits in das Grab zurückgezogen, da ja nach ihrer Unterhaltung mit ihm die 3) Michaelis, a. a. O. S. 112. 4) Schneckenburger, über den Urspr. des ersten kanon. Evang. S. 62 f. Vgl. den Wolfenbüttler Fragmentisten in Lessing's viertem Beitrag, S. 472 ff., und Lessing's Duplik, Werke, Carlsr. Ausg. 24. Thl. S. 137 f. 5) Michaelis, S. 150 ff. 6) Paulus, exeg. Handb. 3, b, S. 825.
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Dritter Abschnitt.
das Plusquamperfektum stehen, 3) eine Ausflucht, welche
zwar Lessing noch gestatten wollte, die neueste Kritik aber
nicht mehr gestatten will 4). — In Bezug auf die Zahl und den
Gang der Frauen wurde zunächst geltend gemacht, daſs
auch nach Johannes, ob er gleich die Magdalena allein
namhaft mache, mit dieser noch mehrere Frauen zum
Grab gegangen sein müssen, da er sie ja nach ihrer Rück-
kehr von demselben zu den beiden Jüngern sagen läſst: οὐκ
οἴδαμεν, ποῦ ἔϑηκαν αὐτὸν, 5) ein Plural, der allerdings
auf verschwiegene weitere Personen deutet, mit welchen
Magdalena, sei es am Grab selbst, oder auf dem Rück-
weg, ehe sie zu den Aposteln kam, über den Gegenstand
verhandelt hatte. So gieng also, sagt man, Magdalena
mit andern Weibern, von denen die übrigen Evangelisten,
dieser mehrere, jener wenigere, namhaft machen, zum
Grabe: da sie aber zurückkommt, ohne daſs sie, wie die
übrigen Frauen, einen Engel gesehen hatte, so wird nun
angenommen, sie sei, sobald sie den Stein weggewälzt
sah, allein zurückgelaufen, was man durch ihre heftige
Gemüthsart, als einer ehedem Dämonischen, motivirt 6).
Während sie zur Stadt zurückeilte, hatten nun die übri-
gen Frauen die Erscheinungen, von welchen die Synopti-
ker sprechen. — Allen, wird behauptet, erschienen die En-
gel innerhalb des Grabs; denn daſs einer aussen auf dem
Stein gesessen, ist bei Matthäus nur Plusquamperfektum:
als die Frauen kamen, hatte er sich bereits in das Grab
zurückgezogen, da ja nach ihrer Unterhaltung mit ihm die
3) Michaelis, a. a. O. S. 112.
4) Schneckenburger, über den Urspr. des ersten kanon. Evang.
S. 62 f. Vgl. den Wolfenbüttler Fragmentisten in Lessing's
viertem Beitrag, S. 472 ff., und Lessing's Duplik, Werke,
Carlsr. Ausg. 24. Thl. S. 137 f.
5) Michaelis, S. 150 ff.
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