verwundert wieder um, und aus Luc. 24, 24. ist zu erse- hen, dass noch andere Jünger ausser ihm in ähnlicher Weise dahin gegangen waren; nach dem vierten Evan- gelium war Petrus von Johannes begleitet, welcher sich hiebei von der Auferstehung Jesu überzeugte. Diesen Gang machte dem Lukas zufolge Petrus, nachdem er bereits durch die Weiber von der Engelerscheinung benachrich- tigt war: laut des vierten Evangeliums aber giengen die beiden Jünger zum Grabe, ehe ihnen Maria Magdalena von einer solchen hatte sagen können; denn erst, als die- se mit denselben Beiden den zweiten Gang zum Grabe ge- macht hatte, und die Apostel wieder umgekehrt waren, sah sie nach dem vierten Evangelium, sich in das Grab- mal bückend, zwei Engel in weissen Kleidern, oben und unten an der Stelle, wo Jesus gelegen hatte, sitzen, wel- che sie fragten, warum sie weine? und als sie sich um- wendete, erblickte sie gar Jesum selbst, wovon auch bei Markus, V. 9, eine abgerissene Notiz sich findet, mit dem Beisaz, dass sie diese Nachricht seinen ehemaligen Beglei- tern gebracht habe.
Die meisten von diesen Enantiophanieen glaubte man auch hier durch Auseinanderhaltung des verschieden Lau- tenden zu lösen, indem man statt Einer manchfaltig dar- gestellten, eine Manchfaltigkeit verschiedener Scenen her- ausbrachte; wozu dann noch die gewöhnlichen grammati- schen u. a. Kunststücke der Harmonistik kamen. Damit Markus dem skotias eti ouses bei Johannes nicht wider- spräche, entblödete man sich nicht, sein anateilantos tou eliou durch orituro sole zu übersetzen 2); damit Matthäus nicht im Widerspruch gegen die übrigen zu sagen schie- ne, die Weiber haben die Abwälzung des Steins durch den Engel mitangesehen: so sollte kai idou eine Nachholung von etwas früher Geschehenem einleiten, und apekulise für
2)Kuinöl, in Marc. p. 194 f.
Das Leben Jesu II. Band. 38
Viertes Kapitel. §. 133.
verwundert wieder um, und aus Luc. 24, 24. ist zu erse- hen, daſs noch andere Jünger ausser ihm in ähnlicher Weise dahin gegangen waren; nach dem vierten Evan- gelium war Petrus von Johannes begleitet, welcher sich hiebei von der Auferstehung Jesu überzeugte. Diesen Gang machte dem Lukas zufolge Petrus, nachdem er bereits durch die Weiber von der Engelerscheinung benachrich- tigt war: laut des vierten Evangeliums aber giengen die beiden Jünger zum Grabe, ehe ihnen Maria Magdalena von einer solchen hatte sagen können; denn erst, als die- se mit denselben Beiden den zweiten Gang zum Grabe ge- macht hatte, und die Apostel wieder umgekehrt waren, sah sie nach dem vierten Evangelium, sich in das Grab- mal bückend, zwei Engel in weissen Kleidern, oben und unten an der Stelle, wo Jesus gelegen hatte, sitzen, wel- che sie fragten, warum sie weine? und als sie sich um- wendete, erblickte sie gar Jesum selbst, wovon auch bei Markus, V. 9, eine abgerissene Notiz sich findet, mit dem Beisaz, daſs sie diese Nachricht seinen ehemaligen Beglei- tern gebracht habe.
Die meisten von diesen Enantiophanieen glaubte man auch hier durch Auseinanderhaltung des verschieden Lau- tenden zu lösen, indem man statt Einer manchfaltig dar- gestellten, eine Manchfaltigkeit verschiedener Scenen her- ausbrachte; wozu dann noch die gewöhnlichen grammati- schen u. a. Kunststücke der Harmonistik kamen. Damit Markus dem σκοτίας ἔτι οὓσης bei Johannes nicht wider- spräche, entblödete man sich nicht, sein ἀνατείλαντος τοῦ ἡλίου durch orituro sole zu übersetzen 2); damit Matthäus nicht im Widerspruch gegen die übrigen zu sagen schie- ne, die Weiber haben die Abwälzung des Steins durch den Engel mitangesehen: so sollte καὶ ἰδοὺ eine Nachholung von etwas früher Geschehenem einleiten, und ἀπεκύλισε für
2)Kuinöl, in Marc. p. 194 f.
Das Leben Jesu II. Band. 38
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0612"n="593"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#g">Viertes Kapitel</hi>. §. 133.</fw><lb/>
verwundert wieder um, und aus Luc. 24, 24. ist zu erse-<lb/>
hen, daſs noch andere Jünger ausser ihm in ähnlicher<lb/>
Weise dahin gegangen waren; nach dem vierten Evan-<lb/>
gelium war Petrus von Johannes begleitet, welcher sich<lb/>
hiebei von der Auferstehung Jesu überzeugte. Diesen Gang<lb/>
machte dem Lukas zufolge Petrus, nachdem er bereits<lb/>
durch die Weiber von der Engelerscheinung benachrich-<lb/>
tigt war: laut des vierten Evangeliums aber giengen die<lb/>
beiden Jünger zum Grabe, ehe ihnen Maria Magdalena<lb/>
von einer solchen hatte sagen können; denn erst, als die-<lb/>
se mit denselben Beiden den zweiten Gang zum Grabe ge-<lb/>
macht hatte, und die Apostel wieder umgekehrt waren,<lb/>
sah sie nach dem vierten Evangelium, sich in das Grab-<lb/>
mal bückend, zwei Engel in weissen Kleidern, oben und<lb/>
unten an der Stelle, wo Jesus gelegen hatte, sitzen, wel-<lb/>
che sie fragten, warum sie weine? und als sie sich um-<lb/>
wendete, erblickte sie gar Jesum selbst, wovon auch bei<lb/>
Markus, V. 9, eine abgerissene Notiz sich findet, mit dem<lb/>
Beisaz, daſs sie diese Nachricht seinen ehemaligen Beglei-<lb/>
tern gebracht habe.</p><lb/><p>Die meisten von diesen Enantiophanieen glaubte man<lb/>
auch hier durch Auseinanderhaltung des verschieden Lau-<lb/>
tenden zu lösen, indem man statt Einer manchfaltig dar-<lb/>
gestellten, eine Manchfaltigkeit verschiedener Scenen her-<lb/>
ausbrachte; wozu dann noch die gewöhnlichen grammati-<lb/>
schen u. a. Kunststücke der Harmonistik kamen. Damit<lb/>
Markus dem <foreignxml:lang="ell">σκοτίαςἔτιοὓσης</foreign> bei Johannes nicht wider-<lb/>
spräche, entblödete man sich nicht, sein <foreignxml:lang="ell">ἀνατείλαντοςτοῦ<lb/>ἡλίου</foreign> durch <hirendition="#i">orituro sole</hi> zu übersetzen <noteplace="foot"n="2)"><hirendition="#k">Kuinöl</hi>, in Marc. p. 194 f.</note>; damit Matthäus<lb/>
nicht im Widerspruch gegen die übrigen zu sagen schie-<lb/>
ne, die Weiber haben die Abwälzung des Steins durch den<lb/>
Engel mitangesehen: so sollte καὶἰδοὺ eine Nachholung von<lb/>
etwas früher Geschehenem einleiten, und <foreignxml:lang="ell">ἀπεκύλισε</foreign> für<lb/><fwplace="bottom"type="sig"><hirendition="#i">Das Leben Jesu II. Band.</hi> 38</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[593/0612]
Viertes Kapitel. §. 133.
verwundert wieder um, und aus Luc. 24, 24. ist zu erse-
hen, daſs noch andere Jünger ausser ihm in ähnlicher
Weise dahin gegangen waren; nach dem vierten Evan-
gelium war Petrus von Johannes begleitet, welcher sich
hiebei von der Auferstehung Jesu überzeugte. Diesen Gang
machte dem Lukas zufolge Petrus, nachdem er bereits
durch die Weiber von der Engelerscheinung benachrich-
tigt war: laut des vierten Evangeliums aber giengen die
beiden Jünger zum Grabe, ehe ihnen Maria Magdalena
von einer solchen hatte sagen können; denn erst, als die-
se mit denselben Beiden den zweiten Gang zum Grabe ge-
macht hatte, und die Apostel wieder umgekehrt waren,
sah sie nach dem vierten Evangelium, sich in das Grab-
mal bückend, zwei Engel in weissen Kleidern, oben und
unten an der Stelle, wo Jesus gelegen hatte, sitzen, wel-
che sie fragten, warum sie weine? und als sie sich um-
wendete, erblickte sie gar Jesum selbst, wovon auch bei
Markus, V. 9, eine abgerissene Notiz sich findet, mit dem
Beisaz, daſs sie diese Nachricht seinen ehemaligen Beglei-
tern gebracht habe.
Die meisten von diesen Enantiophanieen glaubte man
auch hier durch Auseinanderhaltung des verschieden Lau-
tenden zu lösen, indem man statt Einer manchfaltig dar-
gestellten, eine Manchfaltigkeit verschiedener Scenen her-
ausbrachte; wozu dann noch die gewöhnlichen grammati-
schen u. a. Kunststücke der Harmonistik kamen. Damit
Markus dem σκοτίας ἔτι οὓσης bei Johannes nicht wider-
spräche, entblödete man sich nicht, sein ἀνατείλαντος τοῦ
ἡλίου durch orituro sole zu übersetzen 2); damit Matthäus
nicht im Widerspruch gegen die übrigen zu sagen schie-
ne, die Weiber haben die Abwälzung des Steins durch den
Engel mitangesehen: so sollte καὶ ἰδοὺ eine Nachholung von
etwas früher Geschehenem einleiten, und ἀπεκύλισε für
2) Kuinöl, in Marc. p. 194 f.
Das Leben Jesu II. Band. 38
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836, S. 593. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus02_1836/612>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.