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Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836.

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Dritter Abschnitt.
men, und nach dem Grabe hinblicken, den Stein bereits
durch unbekannte Hand von demselben abgewälzt: woge-
gen die Erzählung des ersten Evangelisten ganz so lautet,
als hätten sie selbst noch die Abwälzung durch einen En-
gel mitangesehen. -- Manchfaltiger werden die Abwei-
chungen in Bezug auf dasjenige, was die Frauen weiter
am Grabe sahen und erfuhren. Nach Lukas gehen sie in
das Grab hinein, finden den Leib Jesu nicht, und indem
sie hierüber betroffen sind, stehen zwei Männer in strah-
lenden Gewändern bei ihnen, welche ihnen seine Aufer-
stehung verkündigen. Bei Markus, der sie gleichfalls in
die Gruft hineingehen lässt, sehen sie nur Einen Jüngling
in weissem Kleide auf der rechten Seite nicht stehen, son-
dern sitzen, der ihnen dieselbe Kunde ertheilt. Bei Matthäus
bekommen sie diese Nachricht ehe sie in das Grab hineingehen
von dem Engel, der nach Abwälzung des Steins sich auf den-
selben gesezt hatte. Nach Johannes endlich läuft Maria
Magdalena, sobald sie den Stein abgenommen sieht, ohne
eine Engelerscheinung gehabt zu haben, in die Stadt zu-
rück. -- Auch das Verhältniss, in welches die Jünger
Jesu zu der ersten Kunde von seiner Auferstehung gesezt
werden, ist in den verschiedenen Evangelien ein verschie-
denes. Nach Markus sagen die Frauen aus Furcht Nie-
mand etwas von der gehabten Engelerscheinung; nach Jo-
hannes weiss Maria Magdalena dem Johannes und Petrus,
zu welchen sie vom Grabe hinweg eilt, nichts zu sagen,
als dass Jesus daraus weggenommen sei; nach Lukas be-
richten die Frauen den Jüngern überhaupt, nicht bloss
zweien derselben, die gehabte Erscheinung; nach Mat-
thäus aber kam ihnen, wie sie zu den Jüngern eilen woll-
ten, Jesus selbst noch in den Weg, und sie konnten auch
diess schon den Jüngern mittheilen. Dass einer von die-
sen auf die Nachricht der Frauen selbst zum Grab gegan-
gen wäre, davon sagen die zwei ersten Evangelien nichts;
nach Lukas gieng Petrus hinaus, fand es leer, und kehrte

Dritter Abschnitt.
men, und nach dem Grabe hinblicken, den Stein bereits
durch unbekannte Hand von demselben abgewälzt: woge-
gen die Erzählung des ersten Evangelisten ganz so lautet,
als hätten sie selbst noch die Abwälzung durch einen En-
gel mitangesehen. — Manchfaltiger werden die Abwei-
chungen in Bezug auf dasjenige, was die Frauen weiter
am Grabe sahen und erfuhren. Nach Lukas gehen sie in
das Grab hinein, finden den Leib Jesu nicht, und indem
sie hierüber betroffen sind, stehen zwei Männer in strah-
lenden Gewändern bei ihnen, welche ihnen seine Aufer-
stehung verkündigen. Bei Markus, der sie gleichfalls in
die Gruft hineingehen läſst, sehen sie nur Einen Jüngling
in weiſsem Kleide auf der rechten Seite nicht stehen, son-
dern sitzen, der ihnen dieselbe Kunde ertheilt. Bei Matthäus
bekommen sie diese Nachricht ehe sie in das Grab hineingehen
von dem Engel, der nach Abwälzung des Steins sich auf den-
selben gesezt hatte. Nach Johannes endlich läuft Maria
Magdalena, sobald sie den Stein abgenommen sieht, ohne
eine Engelerscheinung gehabt zu haben, in die Stadt zu-
rück. — Auch das Verhältniſs, in welches die Jünger
Jesu zu der ersten Kunde von seiner Auferstehung gesezt
werden, ist in den verschiedenen Evangelien ein verschie-
denes. Nach Markus sagen die Frauen aus Furcht Nie-
mand etwas von der gehabten Engelerscheinung; nach Jo-
hannes weiſs Maria Magdalena dem Johannes und Petrus,
zu welchen sie vom Grabe hinweg eilt, nichts zu sagen,
als daſs Jesus daraus weggenommen sei; nach Lukas be-
richten die Frauen den Jüngern überhaupt, nicht bloſs
zweien derselben, die gehabte Erscheinung; nach Mat-
thäus aber kam ihnen, wie sie zu den Jüngern eilen woll-
ten, Jesus selbst noch in den Weg, und sie konnten auch
dieſs schon den Jüngern mittheilen. Daſs einer von die-
sen auf die Nachricht der Frauen selbst zum Grab gegan-
gen wäre, davon sagen die zwei ersten Evangelien nichts;
nach Lukas gieng Petrus hinaus, fand es leer, und kehrte

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[592/0611] Dritter Abschnitt. men, und nach dem Grabe hinblicken, den Stein bereits durch unbekannte Hand von demselben abgewälzt: woge- gen die Erzählung des ersten Evangelisten ganz so lautet, als hätten sie selbst noch die Abwälzung durch einen En- gel mitangesehen. — Manchfaltiger werden die Abwei- chungen in Bezug auf dasjenige, was die Frauen weiter am Grabe sahen und erfuhren. Nach Lukas gehen sie in das Grab hinein, finden den Leib Jesu nicht, und indem sie hierüber betroffen sind, stehen zwei Männer in strah- lenden Gewändern bei ihnen, welche ihnen seine Aufer- stehung verkündigen. Bei Markus, der sie gleichfalls in die Gruft hineingehen läſst, sehen sie nur Einen Jüngling in weiſsem Kleide auf der rechten Seite nicht stehen, son- dern sitzen, der ihnen dieselbe Kunde ertheilt. Bei Matthäus bekommen sie diese Nachricht ehe sie in das Grab hineingehen von dem Engel, der nach Abwälzung des Steins sich auf den- selben gesezt hatte. Nach Johannes endlich läuft Maria Magdalena, sobald sie den Stein abgenommen sieht, ohne eine Engelerscheinung gehabt zu haben, in die Stadt zu- rück. — Auch das Verhältniſs, in welches die Jünger Jesu zu der ersten Kunde von seiner Auferstehung gesezt werden, ist in den verschiedenen Evangelien ein verschie- denes. Nach Markus sagen die Frauen aus Furcht Nie- mand etwas von der gehabten Engelerscheinung; nach Jo- hannes weiſs Maria Magdalena dem Johannes und Petrus, zu welchen sie vom Grabe hinweg eilt, nichts zu sagen, als daſs Jesus daraus weggenommen sei; nach Lukas be- richten die Frauen den Jüngern überhaupt, nicht bloſs zweien derselben, die gehabte Erscheinung; nach Mat- thäus aber kam ihnen, wie sie zu den Jüngern eilen woll- ten, Jesus selbst noch in den Weg, und sie konnten auch dieſs schon den Jüngern mittheilen. Daſs einer von die- sen auf die Nachricht der Frauen selbst zum Grab gegan- gen wäre, davon sagen die zwei ersten Evangelien nichts; nach Lukas gieng Petrus hinaus, fand es leer, und kehrte

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Zitationshilfe: Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836, S. 592. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus02_1836/611>, abgerufen am 22.11.2024.