denn hier, wo die Jünger sich unfähig zum Wunderthun zeigten, die grossentheils zur pharisäischen Sekte gehöri- gen grammateis als suzetountas tois mathetais auftreten. -- Auch in der folgenden Schilderung der Umstände des Kna- ben findet dieselbe Abstufung in Bezug auf die Ausführ- lichkeit statt, nur dass Matthäus das seleniazetai eigen hat, welches man ihm nie hätte zum Vorwurf machen sol- len 41), da die Herleitung periodischer Krankheiten vom Monde im Zeitalter Jesu nichts Ungewöhnliches war 42). Dem Markus ist die Bezeichnung des den Knaben besitzen- den pneuma als alalon (V. 17.) und kophon (V. 25.) eigen- thümlich; es konnte nämlich das Ausstossen unartikulir- ter Laute während des epileptischen Anfalles als Stumm- heit, und das für jede Anrede unzugängliche Verhalten des Kranken als Taubheit des Dämons angesehen werden.
Wie der Vater Jesum von dem Gegenstand des Streits und der Unfähigkeit seiner Jünger, den Knaben zu hei- len, unterrichtet hat, bricht Jesus in die Worte aus: genea apisos kai diesrammene k. t. l. Vergleicht man bei Mat- thäus den Schluss der Erzählung, wo Jesus den Jüngern auf die Frage, warum sie den Kranken nicht haben hei- len können, zur Antwort giebt: dia ten apisian umon, und hieran die Schilderung der bergeversetzenden Macht schliesst, welche ein auch nur senfkorngrosser Glaube ha- be (V. 19 ff.): so kann man nicht zweifelhaft sein, dass nicht auch jene unwillige Anrede sich auf die Jünger be- ziehe, in deren Unfähigkeit, den Dämon auszutreiben, Jesus einen Beweis ihres noch immer mangelhaften Glau- bens fand 43). Diese schliessliche Erklärung des Unver- mögens der Jünger aus ihrer apisia lässt Lukas weg, und
41) Wie Schulz a. a. O. zu thun scheint.
42) s. die von Paulus ex. Handb. 1, b, S. 569, und von Winer, 1, S. 191 f. angeführten Stellen.
43) so Fritzsche z. d. St.
Zweiter Abschnitt.
denn hier, wo die Jünger sich unfähig zum Wunderthun zeigten, die groſsentheils zur pharisäischen Sekte gehöri- gen γραμματεῖς als συζητοῦντας τοῖς μαϑηταῖς auftreten. — Auch in der folgenden Schilderung der Umstände des Kna- ben findet dieselbe Abstufung in Bezug auf die Ausführ- lichkeit statt, nur daſs Matthäus das σεληνιάζεται eigen hat, welches man ihm nie hätte zum Vorwurf machen sol- len 41), da die Herleitung periodischer Krankheiten vom Monde im Zeitalter Jesu nichts Ungewöhnliches war 42). Dem Markus ist die Bezeichnung des den Knaben besitzen- den πνεῦμα als ἄλαλον (V. 17.) und κωφὸν (V. 25.) eigen- thümlich; es konnte nämlich das Ausstossen unartikulir- ter Laute während des epileptischen Anfalles als Stumm- heit, und das für jede Anrede unzugängliche Verhalten des Kranken als Taubheit des Dämons angesehen werden.
Wie der Vater Jesum von dem Gegenstand des Streits und der Unfähigkeit seiner Jünger, den Knaben zu hei- len, unterrichtet hat, bricht Jesus in die Worte aus: γενεὰ ἄπιςος καὶ διεςραμμένη κ. τ. λ. Vergleicht man bei Mat- thäus den Schluſs der Erzählung, wo Jesus den Jüngern auf die Frage, warum sie den Kranken nicht haben hei- len können, zur Antwort giebt: διὰ τὴν ἀπιςίαν ὑμῶν, und hieran die Schilderung der bergeversetzenden Macht schlieſst, welche ein auch nur senfkorngroſser Glaube ha- be (V. 19 ff.): so kann man nicht zweifelhaft sein, daſs nicht auch jene unwillige Anrede sich auf die Jünger be- ziehe, in deren Unfähigkeit, den Dämon auszutreiben, Jesus einen Beweis ihres noch immer mangelhaften Glau- bens fand 43). Diese schlieſsliche Erklärung des Unver- mögens der Jünger aus ihrer ἀπιςία läſst Lukas weg, und
41) Wie Schulz a. a. O. zu thun scheint.
42) s. die von Paulus ex. Handb. 1, b, S. 569, und von Winer, 1, S. 191 f. angeführten Stellen.
43) so Fritzsche z. d. St.
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Zweiter Abschnitt.
denn hier, wo die Jünger sich unfähig zum Wunderthun
zeigten, die groſsentheils zur pharisäischen Sekte gehöri-
gen γραμματεῖς als συζητοῦντας τοῖς μαϑηταῖς auftreten. —
Auch in der folgenden Schilderung der Umstände des Kna-
ben findet dieselbe Abstufung in Bezug auf die Ausführ-
lichkeit statt, nur daſs Matthäus das σεληνιάζεται eigen
hat, welches man ihm nie hätte zum Vorwurf machen sol-
len 41), da die Herleitung periodischer Krankheiten vom
Monde im Zeitalter Jesu nichts Ungewöhnliches war 42).
Dem Markus ist die Bezeichnung des den Knaben besitzen-
den πνεῦμα als ἄλαλον (V. 17.) und κωφὸν (V. 25.) eigen-
thümlich; es konnte nämlich das Ausstossen unartikulir-
ter Laute während des epileptischen Anfalles als Stumm-
heit, und das für jede Anrede unzugängliche Verhalten
des Kranken als Taubheit des Dämons angesehen werden.
Wie der Vater Jesum von dem Gegenstand des Streits
und der Unfähigkeit seiner Jünger, den Knaben zu hei-
len, unterrichtet hat, bricht Jesus in die Worte aus: γενεὰ
ἄπιςος καὶ διεςραμμένη κ. τ. λ. Vergleicht man bei Mat-
thäus den Schluſs der Erzählung, wo Jesus den Jüngern
auf die Frage, warum sie den Kranken nicht haben hei-
len können, zur Antwort giebt: διὰ τὴν ἀπιςίαν ὑμῶν,
und hieran die Schilderung der bergeversetzenden Macht
schlieſst, welche ein auch nur senfkorngroſser Glaube ha-
be (V. 19 ff.): so kann man nicht zweifelhaft sein, daſs
nicht auch jene unwillige Anrede sich auf die Jünger be-
ziehe, in deren Unfähigkeit, den Dämon auszutreiben,
Jesus einen Beweis ihres noch immer mangelhaften Glau-
bens fand 43). Diese schlieſsliche Erklärung des Unver-
mögens der Jünger aus ihrer ἀπιςία läſst Lukas weg, und
41) Wie Schulz a. a. O. zu thun scheint.
42) s. die von Paulus ex. Handb. 1, b, S. 569, und von Winer,
1, S. 191 f. angeführten Stellen.
43) so Fritzsche z. d. St.
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Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836, S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus02_1836/61>, abgerufen am 24.11.2024.
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