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Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836.

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Viertes Kapitel. §. 132.
ven Thatsache des Stillschweigens anrufe, so wird von
einem Theil der Anhängerschaft Jesu, nämlich von den
Frauen, etwas positiv erzählt, was sich mit der Wache
am Grabe nicht verträgt. Nicht bloss wollen nämlich die
Frauen, welche am Morgen nach dem Sabbat zum Grabe
giengen, die Salbung vollenden, was sie nicht hoffen konn-
ten, thun zu dürfen, wenn sie wussten, dass eine Wache
vor das Grab gestellt, und dieses noch dazu versiegelt
war 5): sondern nach Markus besteht ihre ganze Bedenk-
lichkeit während des Hinausgehens darin, wer ihnen wohl
den Stein vom Grabe wälzen werde? zum deutlichen Be-
weis, dass sie von den Wächtern nichts wussten, welche
entweder einen auch noch so leichten Stein wegzunehmen
ihnen nicht gestattet, oder, wenn diess, dann wohl auch den
schwereren ihnen hülfreich weggewälzt, in jedem Fall al-
so die Bedenklichkeit wegen der Schwere des Steins über-
flüssig gemacht haben würden. Dass aber die Aufstellung
der Wache den Weibern sollte unbekannt geblieben sein,
ist bei dem Aufsehen, welches alles das Ende Jesu Betref-
fende in Jerusalem machte (Luc. 24, 18.), sehr unwahr-
scheinlich.

Doch auch innerhalb der Erzählung ist Alles voll
von Schwierigkeiten, indem nach dem Ausdruck von Pau-
lus
keine einzige der in derselben anftretenden Personen
ihrem Charakter gemäss handelt. Schon dass Pilatus den
jüdischen Obern ihr Gesuch um eine Wache -- ich will
nicht sagen, ohne Weigerung, aber so ganz ohne Spott,
gewährt haben soll, muss nach seinem bisherigen Beneh-
men gegen sie auffallen 6); obwohl diess von Matthäns in

5) Den lezteren Punkt übersieht Olshausen, wenn er a. a. O.
sagt, die Wache habe ja nicht den Befehl gehabt, die voll-
ständige Bestattung Jesu zu hindern.
6) Olshausen freilich ist es auch hier noch immer so schauer-
lich zu Muth, dass er den Pilatus bei dieser Mittheilung

Viertes Kapitel. §. 132.
ven Thatsache des Stillschweigens anrufe, so wird von
einem Theil der Anhängerschaft Jesu, nämlich von den
Frauen, etwas positiv erzählt, was sich mit der Wache
am Grabe nicht verträgt. Nicht bloſs wollen nämlich die
Frauen, welche am Morgen nach dem Sabbat zum Grabe
giengen, die Salbung vollenden, was sie nicht hoffen konn-
ten, thun zu dürfen, wenn sie wuſsten, daſs eine Wache
vor das Grab gestellt, und dieses noch dazu versiegelt
war 5): sondern nach Markus besteht ihre ganze Bedenk-
lichkeit während des Hinausgehens darin, wer ihnen wohl
den Stein vom Grabe wälzen werde? zum deutlichen Be-
weis, daſs sie von den Wächtern nichts wuſsten, welche
entweder einen auch noch so leichten Stein wegzunehmen
ihnen nicht gestattet, oder, wenn dieſs, dann wohl auch den
schwereren ihnen hülfreich weggewälzt, in jedem Fall al-
so die Bedenklichkeit wegen der Schwere des Steins über-
flüssig gemacht haben würden. Daſs aber die Aufstellung
der Wache den Weibern sollte unbekannt geblieben sein,
ist bei dem Aufsehen, welches alles das Ende Jesu Betref-
fende in Jerusalem machte (Luc. 24, 18.), sehr unwahr-
scheinlich.

Doch auch innerhalb der Erzählung ist Alles voll
von Schwierigkeiten, indem nach dem Ausdruck von Pau-
lus
keine einzige der in derselben anftretenden Personen
ihrem Charakter gemäſs handelt. Schon daſs Pilatus den
jüdischen Obern ihr Gesuch um eine Wache — ich will
nicht sagen, ohne Weigerung, aber so ganz ohne Spott,
gewährt haben soll, muſs nach seinem bisherigen Beneh-
men gegen sie auffallen 6); obwohl dieſs von Matthäns in

5) Den lezteren Punkt übersieht Olshausen, wenn er a. a. O.
sagt, die Wache habe ja nicht den Befehl gehabt, die voll-
ständige Bestattung Jesu zu hindern.
6) Olshausen freilich ist es auch hier noch immer so schauer-
lich zu Muth, dass er den Pilatus bei dieser Mittheilung
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[585/0604] Viertes Kapitel. §. 132. ven Thatsache des Stillschweigens anrufe, so wird von einem Theil der Anhängerschaft Jesu, nämlich von den Frauen, etwas positiv erzählt, was sich mit der Wache am Grabe nicht verträgt. Nicht bloſs wollen nämlich die Frauen, welche am Morgen nach dem Sabbat zum Grabe giengen, die Salbung vollenden, was sie nicht hoffen konn- ten, thun zu dürfen, wenn sie wuſsten, daſs eine Wache vor das Grab gestellt, und dieses noch dazu versiegelt war 5): sondern nach Markus besteht ihre ganze Bedenk- lichkeit während des Hinausgehens darin, wer ihnen wohl den Stein vom Grabe wälzen werde? zum deutlichen Be- weis, daſs sie von den Wächtern nichts wuſsten, welche entweder einen auch noch so leichten Stein wegzunehmen ihnen nicht gestattet, oder, wenn dieſs, dann wohl auch den schwereren ihnen hülfreich weggewälzt, in jedem Fall al- so die Bedenklichkeit wegen der Schwere des Steins über- flüssig gemacht haben würden. Daſs aber die Aufstellung der Wache den Weibern sollte unbekannt geblieben sein, ist bei dem Aufsehen, welches alles das Ende Jesu Betref- fende in Jerusalem machte (Luc. 24, 18.), sehr unwahr- scheinlich. Doch auch innerhalb der Erzählung ist Alles voll von Schwierigkeiten, indem nach dem Ausdruck von Pau- lus keine einzige der in derselben anftretenden Personen ihrem Charakter gemäſs handelt. Schon daſs Pilatus den jüdischen Obern ihr Gesuch um eine Wache — ich will nicht sagen, ohne Weigerung, aber so ganz ohne Spott, gewährt haben soll, muſs nach seinem bisherigen Beneh- men gegen sie auffallen 6); obwohl dieſs von Matthäns in 5) Den lezteren Punkt übersieht Olshausen, wenn er a. a. O. sagt, die Wache habe ja nicht den Befehl gehabt, die voll- ständige Bestattung Jesu zu hindern. 6) Olshausen freilich ist es auch hier noch immer so schauer- lich zu Muth, dass er den Pilatus bei dieser Mittheilung

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Zitationshilfe: Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836, S. 585. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus02_1836/604>, abgerufen am 22.11.2024.