ber berathen, bestachen die Soldaten, dass sie vorgeben sollten, die Jünger haben bei Nacht den Leichnam gestoh- len; woher sich, wie der Referent hinzusezt, dieses Ge- rücht verbreitete, und bis auf seine Zeit erhielt (28, 4, 11 ff.).
Bei dieser, dem ersten Evangelium eigenthümlichen Erzählung hat man allerlei Bedenken gefunden, welche der Wolfenbüttler Fragmentist und nach ihm Paulus am scharf- sinnigsten in's Licht gestellt haben 2). Die Schwierigkei- ten liegen zuvörderst darin, dass weder die erforderlichen Bedingungen dieses Vorgangs, noch seine nothwendigen Folgen in der übrigen N. T.lichen Geschichte gegeben sind. In ersterer Hinsicht ist es nicht zu begreifen, wie die Syn- edristen zu der Notiz kommen konnten, dass drei Tage nach seinem Tode Jesus wieder in das Leben zurückkeh- ren solle: da selbst bei seinen Jüngern von einer solchen Kunde keine Spur sich findet. Sie sagen: emnesthemen oti ekeinos o planos eipen eti zon k. t. l. Soll diess heissen, sie erinnern sich, ihn selber davon reden gehört zu haben: so sprach laut der evangelischen Nachrichten Jesus seinen Feinden gegenüber nie bestimmt von seiner Auferstehung; die bildlichen Reden aber, welche seinen vertrauten Schü- lern unverständlich blieben, konnten die an seine Denk- und Ausdrucksweise weniger gewöhnten jüdischen Hierar- chen gewiss noch weniger verstehen. Wollen aber die Syn- edristen bloss sagen, sie haben von Andern gehört, dass Jesus jenes Versprechen gegeben habe: so könnte diese Nachricht nur von den Jüngern ausgegangen sein; aber diese, welche weder vor noch nach dem Tode Jesu eine Ahnung von bevorstehender Wiederbelebung hatten, konn- ten auch in Andern diese Vorstellung nicht erregen -- ab- gesehen davon, dass wir die Jesu geliehenen Vorherverkün- digungen seiner Auferstehung sämmtlich als unhistorisch
2) Ersterer a. a. O. S. 437 ff., lezterer im exeg. Handb. 3, b, S. 837 ff. Vgl. Kaiser, bibl. Theol. 1, S. 253.
Viertes Kapitel. §. 132.
ber berathen, bestachen die Soldaten, daſs sie vorgeben sollten, die Jünger haben bei Nacht den Leichnam gestoh- len; woher sich, wie der Referent hinzusezt, dieses Ge- rücht verbreitete, und bis auf seine Zeit erhielt (28, 4, 11 ff.).
Bei dieser, dem ersten Evangelium eigenthümlichen Erzählung hat man allerlei Bedenken gefunden, welche der Wolfenbüttler Fragmentist und nach ihm Paulus am scharf- sinnigsten in's Licht gestellt haben 2). Die Schwierigkei- ten liegen zuvörderst darin, daſs weder die erforderlichen Bedingungen dieses Vorgangs, noch seine nothwendigen Folgen in der übrigen N. T.lichen Geschichte gegeben sind. In ersterer Hinsicht ist es nicht zu begreifen, wie die Syn- edristen zu der Notiz kommen konnten, daſs drei Tage nach seinem Tode Jesus wieder in das Leben zurückkeh- ren solle: da selbst bei seinen Jüngern von einer solchen Kunde keine Spur sich findet. Sie sagen: ἐμνήσϑημεν ὅτι ἐκεῖνος ὁ πλάνος εἶπεν ἔτι ζῶν κ. τ. λ. Soll dieſs heiſsen, sie erinnern sich, ihn selber davon reden gehört zu haben: so sprach laut der evangelischen Nachrichten Jesus seinen Feinden gegenüber nie bestimmt von seiner Auferstehung; die bildlichen Reden aber, welche seinen vertrauten Schü- lern unverständlich blieben, konnten die an seine Denk- und Ausdrucksweise weniger gewöhnten jüdischen Hierar- chen gewiſs noch weniger verstehen. Wollen aber die Syn- edristen bloſs sagen, sie haben von Andern gehört, daſs Jesus jenes Versprechen gegeben habe: so könnte diese Nachricht nur von den Jüngern ausgegangen sein; aber diese, welche weder vor noch nach dem Tode Jesu eine Ahnung von bevorstehender Wiederbelebung hatten, konn- ten auch in Andern diese Vorstellung nicht erregen — ab- gesehen davon, daſs wir die Jesu geliehenen Vorherverkün- digungen seiner Auferstehung sämmtlich als unhistorisch
2) Ersterer a. a. O. S. 437 ff., lezterer im exeg. Handb. 3, b, S. 837 ff. Vgl. Kaiser, bibl. Theol. 1, S. 253.
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Viertes Kapitel. §. 132.
ber berathen, bestachen die Soldaten, daſs sie vorgeben
sollten, die Jünger haben bei Nacht den Leichnam gestoh-
len; woher sich, wie der Referent hinzusezt, dieses Ge-
rücht verbreitete, und bis auf seine Zeit erhielt (28, 4, 11 ff.).
Bei dieser, dem ersten Evangelium eigenthümlichen
Erzählung hat man allerlei Bedenken gefunden, welche der
Wolfenbüttler Fragmentist und nach ihm Paulus am scharf-
sinnigsten in's Licht gestellt haben 2). Die Schwierigkei-
ten liegen zuvörderst darin, daſs weder die erforderlichen
Bedingungen dieses Vorgangs, noch seine nothwendigen
Folgen in der übrigen N. T.lichen Geschichte gegeben sind.
In ersterer Hinsicht ist es nicht zu begreifen, wie die Syn-
edristen zu der Notiz kommen konnten, daſs drei Tage
nach seinem Tode Jesus wieder in das Leben zurückkeh-
ren solle: da selbst bei seinen Jüngern von einer solchen
Kunde keine Spur sich findet. Sie sagen: ἐμνήσϑημεν ὅτι
ἐκεῖνος ὁ πλάνος εἶπεν ἔτι ζῶν κ. τ. λ. Soll dieſs heiſsen,
sie erinnern sich, ihn selber davon reden gehört zu haben:
so sprach laut der evangelischen Nachrichten Jesus seinen
Feinden gegenüber nie bestimmt von seiner Auferstehung;
die bildlichen Reden aber, welche seinen vertrauten Schü-
lern unverständlich blieben, konnten die an seine Denk-
und Ausdrucksweise weniger gewöhnten jüdischen Hierar-
chen gewiſs noch weniger verstehen. Wollen aber die Syn-
edristen bloſs sagen, sie haben von Andern gehört, daſs
Jesus jenes Versprechen gegeben habe: so könnte diese
Nachricht nur von den Jüngern ausgegangen sein; aber
diese, welche weder vor noch nach dem Tode Jesu eine
Ahnung von bevorstehender Wiederbelebung hatten, konn-
ten auch in Andern diese Vorstellung nicht erregen — ab-
gesehen davon, daſs wir die Jesu geliehenen Vorherverkün-
digungen seiner Auferstehung sämmtlich als unhistorisch
2) Ersterer a. a. O. S. 437 ff., lezterer im exeg. Handb. 3, b,
S. 837 ff. Vgl. Kaiser, bibl. Theol. 1, S. 253.
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Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836, S. 583. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus02_1836/602>, abgerufen am 22.11.2024.
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