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Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836.

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Viertes Kapitel. §. 131.
Daher hat Michaelis, welcher die Widerspruchslosigkeit
der Begräbniss- und Auferstehungsgeschichte gegen die
Angriffe des Fragmentisten zu retten unternahm, sich auf
die andere Seite geschlagen, und den Lukas dem Markus
zu conformiren gesucht. Wenn Lukas schreibt: uposre-
psasai de etoimasan aromata kai mura: so soll er damit
nicht sagen wollen, dass sie unmittelbar nach der Rück-
kehr, also noch am Begräbnissabend, diese Einkäufe ge-
macht hätten, vielmehr durch den Zusaz: kai to men sab-
baton esukhasan kata ten entolen, gebe er selbst zu verste-
hen, dass es erst nach Verfluss des Sabbats geschehen sei, da
zwischen ihrer Rückkehr vom Grab und dem Anbruch des
Sabbats mit 6 Uhr Abends keine Zeit zum Einkaufen mehr
übrig gewesen war 8). Allein, wenn Lukas zwischen
uposrepsasai und esukhasan sein etoimasan stellt: so kann
diess ebensowenig etwas erst nach der Sabbatruhe Vorge-
fallenes bedeuten, als bei Markus das auf ähnliche Art
in die Mitte gestellte egorasan etwas, das vor dem Sab-
bat wäre geschehen gewesen. Man hat daher neuerlich
zwar eingesehen, dass man jedem dieser beiden Evangeli-
sten in Betreff des Ankaufs der Specereien seinen eige-
nen Sinn lassen müsse: doch glaubte man den Schein des
Irrthums auf der einen oder andern Seite durch die An-
nahme entfernen zu können, die noch vor dem Sabbat
bereiteten Specereien haben nicht zugereicht, und desswe-
gen die Frauen dem Markus zufolge wirklich nach dem
Sabbat noch weitere dazugekauft 9). Das müsste aber
doch ein ungeheurer Specereiverbrauch gewesen sein, wenn
zuerst der von Nikodemus herbeigebrachte Centner nicht
gereicht, und desswegen die Frauen noch Abends vor dem

schichte und Literatur, S. 467 f. Vgl. über diese Differenzen
auch Lessing's Duplik.
8) Michaelis, a. a. O. S. 102 ff.
9) Kuinöl, in Luc. p. 721.
Das Leben Jesu II. Band. 37

Viertes Kapitel. §. 131.
Daher hat Michaelis, welcher die Widerspruchslosigkeit
der Begräbniſs- und Auferstehungsgeschichte gegen die
Angriffe des Fragmentisten zu retten unternahm, sich auf
die andere Seite geschlagen, und den Lukas dem Markus
zu conformiren gesucht. Wenn Lukas schreibt: ὑποςρέ-
ψασαι δὲ ἡτοίμασαν ἀρώματα καὶ μῦρα: so soll er damit
nicht sagen wollen, daſs sie unmittelbar nach der Rück-
kehr, also noch am Begräbniſsabend, diese Einkäufe ge-
macht hätten, vielmehr durch den Zusaz: καὶ τὸ μὲν σάβ-
βατον ἡσύχασαν κατὰ τὴν ἐντολὴν, gebe er selbst zu verste-
hen, daſs es erst nach Verfluſs des Sabbats geschehen sei, da
zwischen ihrer Rückkehr vom Grab und dem Anbruch des
Sabbats mit 6 Uhr Abends keine Zeit zum Einkaufen mehr
übrig gewesen war 8). Allein, wenn Lukas zwischen
ὑποςρέψασαι und ἡσύχασαν sein ἡτοίμασαν stellt: so kann
dieſs ebensowenig etwas erst nach der Sabbatruhe Vorge-
fallenes bedeuten, als bei Markus das auf ähnliche Art
in die Mitte gestellte ἠγόρασαν etwas, das vor dem Sab-
bat wäre geschehen gewesen. Man hat daher neuerlich
zwar eingesehen, daſs man jedem dieser beiden Evangeli-
sten in Betreff des Ankaufs der Specereien seinen eige-
nen Sinn lassen müsse: doch glaubte man den Schein des
Irrthums auf der einen oder andern Seite durch die An-
nahme entfernen zu können, die noch vor dem Sabbat
bereiteten Specereien haben nicht zugereicht, und deſswe-
gen die Frauen dem Markus zufolge wirklich nach dem
Sabbat noch weitere dazugekauft 9). Das müſste aber
doch ein ungeheurer Specereiverbrauch gewesen sein, wenn
zuerst der von Nikodemus herbeigebrachte Centner nicht
gereicht, und deſswegen die Frauen noch Abends vor dem

schichte und Literatur, S. 467 f. Vgl. über diese Differenzen
auch Lessing's Duplik.
8) Michaelis, a. a. O. S. 102 ff.
9) Kuinöl, in Luc. p. 721.
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[577/0596] Viertes Kapitel. §. 131. Daher hat Michaelis, welcher die Widerspruchslosigkeit der Begräbniſs- und Auferstehungsgeschichte gegen die Angriffe des Fragmentisten zu retten unternahm, sich auf die andere Seite geschlagen, und den Lukas dem Markus zu conformiren gesucht. Wenn Lukas schreibt: ὑποςρέ- ψασαι δὲ ἡτοίμασαν ἀρώματα καὶ μῦρα: so soll er damit nicht sagen wollen, daſs sie unmittelbar nach der Rück- kehr, also noch am Begräbniſsabend, diese Einkäufe ge- macht hätten, vielmehr durch den Zusaz: καὶ τὸ μὲν σάβ- βατον ἡσύχασαν κατὰ τὴν ἐντολὴν, gebe er selbst zu verste- hen, daſs es erst nach Verfluſs des Sabbats geschehen sei, da zwischen ihrer Rückkehr vom Grab und dem Anbruch des Sabbats mit 6 Uhr Abends keine Zeit zum Einkaufen mehr übrig gewesen war 8). Allein, wenn Lukas zwischen ὑποςρέψασαι und ἡσύχασαν sein ἡτοίμασαν stellt: so kann dieſs ebensowenig etwas erst nach der Sabbatruhe Vorge- fallenes bedeuten, als bei Markus das auf ähnliche Art in die Mitte gestellte ἠγόρασαν etwas, das vor dem Sab- bat wäre geschehen gewesen. Man hat daher neuerlich zwar eingesehen, daſs man jedem dieser beiden Evangeli- sten in Betreff des Ankaufs der Specereien seinen eige- nen Sinn lassen müsse: doch glaubte man den Schein des Irrthums auf der einen oder andern Seite durch die An- nahme entfernen zu können, die noch vor dem Sabbat bereiteten Specereien haben nicht zugereicht, und deſswe- gen die Frauen dem Markus zufolge wirklich nach dem Sabbat noch weitere dazugekauft 9). Das müſste aber doch ein ungeheurer Specereiverbrauch gewesen sein, wenn zuerst der von Nikodemus herbeigebrachte Centner nicht gereicht, und deſswegen die Frauen noch Abends vor dem 7) 8) Michaelis, a. a. O. S. 102 ff. 9) Kuinöl, in Luc. p. 721. 7) schichte und Literatur, S. 467 f. Vgl. über diese Differenzen auch Lessing's Duplik. Das Leben Jesu II. Band. 37

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Zitationshilfe: Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836, S. 577. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus02_1836/596>, abgerufen am 22.11.2024.