proben, so auch eine Todesprobe mitzutheilen veranlasst gewesen sein kann 12). Ist doch auch schon im Evange- lium des Markus ein ähnliches Bestreben sichtbar. Wenn dieser von Pilatus, als Joseph sich den Leichnam Jesu aus- bat, sagt: ethaumasen, ei ede tethneke (V. 44.): so lautet diess ganz, als wollte er dem Pilatus eine Verwunderung leihen, die er von manchen seiner Zeitgenossen über den so gar schnell erfolgten Tod Jesu musste äussern hören, und wenn er sofort den Procurator von dem Centurio si- chere Kundschaft einziehen lässt, dass Jesus palai ape- thane: so scheint er mit der Bedenklichkeit des Pilatu. zu- gleich die seiner Zeitgenossen beschwichtigen zu wollen; wobei er aber von einem Lanzenstich nichts gewusst ha- ben kann, sonst hätte er ihn, als die sicherste Bürgschaft des wirklich erfolgten Todes, nicht unerwähnt gelassen: so dass die Darstellung bei Johannes als weitere Ausbil- dung eines schon bei Markus sichtbaren Triebs der Sage erscheint.
Diese Ansicht von der johanneischen Erzählung wird auch noch durch die Anführung A. T.licher Weissagungen bestätigt, welche der Referent in diesem Vorgang erfüllt sieht. Durch den Lanzenstich sieht er Zach. 12, 10. er- füllt, wo das von Johannes richtig und besser als von der LXX. übersezte: v@hib'iytv' alay et asher d'aqarv' von Jehova zu den Israeliten geredet ist, in dem Sinne, dass sie an ihn, den sie so schwer gekränkt, sich einst wieder wenden wür- den 13). Ist schon das d'aqar, durchbohren, etwas, das, ei- gentlich gefasst, eher gegen einen Menschen, als gegen Je- hova scheint unternommen werden zu können, und wird diese Deutung durch die abweichende Lesart: elayv, un- terstüzt: so musste das Folgende in dieser Auffassung be-
12) Vgl. Kaiser, bibl. Theol. 1, S. 253.
13)Ro[s]enmüller, Schol. in V. T. 7, 4, p. 340.
Dritter Abschnitt.
proben, so auch eine Todesprobe mitzutheilen veranlaſst gewesen sein kann 12). Ist doch auch schon im Evange- lium des Markus ein ähnliches Bestreben sichtbar. Wenn dieser von Pilatus, als Joseph sich den Leichnam Jesu aus- bat, sagt: ἐϑαύμασεν, εἰ ἤδη τέϑνηκε (V. 44.): so lautet dieſs ganz, als wollte er dem Pilatus eine Verwunderung leihen, die er von manchen seiner Zeitgenossen über den so gar schnell erfolgten Tod Jesu muſste äussern hören, und wenn er sofort den Procurator von dem Centurio si- chere Kundschaft einziehen läſst, daſs Jesus πάλαι ἀπέ- ϑανε: so scheint er mit der Bedenklichkeit des Pilatu. zu- gleich die seiner Zeitgenossen beschwichtigen zu wollen; wobei er aber von einem Lanzenstich nichts gewuſst ha- ben kann, sonst hätte er ihn, als die sicherste Bürgschaft des wirklich erfolgten Todes, nicht unerwähnt gelassen: so daſs die Darstellung bei Johannes als weitere Ausbil- dung eines schon bei Markus sichtbaren Triebs der Sage erscheint.
Diese Ansicht von der johanneischen Erzählung wird auch noch durch die Anführung A. T.licher Weissagungen bestätigt, welche der Referent in diesem Vorgang erfüllt sieht. Durch den Lanzenstich sieht er Zach. 12, 10. er- füllt, wo das von Johannes richtig und besser als von der LXX. übersezte: וְהִבִּיטוּ אַלַי אֵת אֲשֶׁר דָּקָרוּ von Jehova zu den Israëliten geredet ist, in dem Sinne, daſs sie an ihn, den sie so schwer gekränkt, sich einst wieder wenden wür- den 13). Ist schon das דָּקַר, durchbohren, etwas, das, ei- gentlich gefaſst, eher gegen einen Menschen, als gegen Je- hova scheint unternommen werden zu können, und wird diese Deutung durch die abweichende Lesart: אֵלָיו, un- terstüzt: so muſste das Folgende in dieser Auffassung be-
12) Vgl. Kaiser, bibl. Theol. 1, S. 253.
13)Ro[s]enmüller, Schol. in V. T. 7, 4, p. 340.
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Dritter Abschnitt.
proben, so auch eine Todesprobe mitzutheilen veranlaſst
gewesen sein kann 12). Ist doch auch schon im Evange-
lium des Markus ein ähnliches Bestreben sichtbar. Wenn
dieser von Pilatus, als Joseph sich den Leichnam Jesu aus-
bat, sagt: ἐϑαύμασεν, εἰ ἤδη τέϑνηκε (V. 44.): so lautet
dieſs ganz, als wollte er dem Pilatus eine Verwunderung
leihen, die er von manchen seiner Zeitgenossen über den
so gar schnell erfolgten Tod Jesu muſste äussern hören,
und wenn er sofort den Procurator von dem Centurio si-
chere Kundschaft einziehen läſst, daſs Jesus πάλαι ἀπέ-
ϑανε: so scheint er mit der Bedenklichkeit des Pilatu. zu-
gleich die seiner Zeitgenossen beschwichtigen zu wollen;
wobei er aber von einem Lanzenstich nichts gewuſst ha-
ben kann, sonst hätte er ihn, als die sicherste Bürgschaft
des wirklich erfolgten Todes, nicht unerwähnt gelassen:
so daſs die Darstellung bei Johannes als weitere Ausbil-
dung eines schon bei Markus sichtbaren Triebs der Sage
erscheint.
Diese Ansicht von der johanneischen Erzählung wird
auch noch durch die Anführung A. T.licher Weissagungen
bestätigt, welche der Referent in diesem Vorgang erfüllt
sieht. Durch den Lanzenstich sieht er Zach. 12, 10. er-
füllt, wo das von Johannes richtig und besser als von der
LXX. übersezte: וְהִבִּיטוּ אַלַי אֵת אֲשֶׁר דָּקָרוּ von Jehova zu
den Israëliten geredet ist, in dem Sinne, daſs sie an ihn,
den sie so schwer gekränkt, sich einst wieder wenden wür-
den 13). Ist schon das דָּקַר, durchbohren, etwas, das, ei-
gentlich gefaſst, eher gegen einen Menschen, als gegen Je-
hova scheint unternommen werden zu können, und wird
diese Deutung durch die abweichende Lesart: אֵלָיו, un-
terstüzt: so muſste das Folgende in dieser Auffassung be-
12) Vgl. Kaiser, bibl. Theol. 1, S. 253.
13) Rosenmüller, Schol. in V. T. 7, 4, p. 340.
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Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836, S. 572. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus02_1836/591>, abgerufen am 22.11.2024.
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