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Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836.

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Viertes Kapitel. §. 129.
ohne historischen Grund sich bilden konnte, so bedeutend:
so ist es folgerichtiger, mit Schleiermacher den Vorgang
als geschichtlichen ganz aufzugeben, in Erwägung, dass
"sobald man anfieng, das Verdienst Christi unter den im
Brief an die Hebräer herrschenden Bildern darzustellen,
ja schon bei den ersten, leisesten Übergängen zu dieser
Lehrweise, bei der ersten Aufnahme der Heiden, die man
zum jüdischen Cultus nicht verpflichtete, und die also auch
ohne Antheil an den jüdischen Sühnungen blieben, solche
Darstellungen in die christlichen Hymnen [und die evan-
gelischen Erzählungen] kommen mussten 11)."

Über das folgende: e ge eseisthe, kai ai petrai eskhis-
thesan, kann nur im Zusammenhang mit dem Vorhergehen-
den geurtheilt werden. Ein Erdbeben, welches Felsen zer-
reisst, ist als natürliche Erscheinung möglich: nicht sel-
ten aber kommt es auch als mythische Ausschmückung ei-
nes grossen Todesfalles vor, wie Virgil bei Cäsars Tode
nicht allein die Sonne sich verfinstern, sondern auch von
ungewohnter Erschütterung die Alpen erzittern lässt 12).
Da wir nun die vorhergemeldeten Prodigien nur aus die-
sem lezteren Gesichtspunkt haben fassen können, und da
überdiess gegen die historische Begründung der jezt vorlie-
genden Züge ihr alleiniges Vorkommen bei Matthäus spricht:
so werden wir auch sie nur so ansehen, wie Fritzsche
sagt: Messiae obitum atrocibus ostentis, quibus, quantus
vir quummaxime exspirasset, orbi terrarum indicaretur,
illustrem esse oportebat
.

Das lezte, gleichfalls dem ersten Evangelium eigen-
thümliche Wunderzeichen bei'm Tode Jesu ist die Eröff-
nung der Gräber, der Hervorgang vieler Todten aus den-
selben, und deren Erscheinung in Jerusalem. Diesen Vor-
gang sich denkbar zu machen, fällt besonders schwer. An

11) Über den Lukas, S. 293.
12) Georg. 1, 463 ff.

Viertes Kapitel. §. 129.
ohne historischen Grund sich bilden konnte, so bedeutend:
so ist es folgerichtiger, mit Schleiermacher den Vorgang
als geschichtlichen ganz aufzugeben, in Erwägung, daſs
„sobald man anfieng, das Verdienst Christi unter den im
Brief an die Hebräer herrschenden Bildern darzustellen,
ja schon bei den ersten, leisesten Übergängen zu dieser
Lehrweise, bei der ersten Aufnahme der Heiden, die man
zum jüdischen Cultus nicht verpflichtete, und die also auch
ohne Antheil an den jüdischen Sühnungen blieben, solche
Darstellungen in die christlichen Hymnen [und die evan-
gelischen Erzählungen] kommen muſsten 11).“

Über das folgende: ἡ γῆ ἐσείσϑη, καὶ αι πέτραι ἐσχίσ-
ϑησαν, kann nur im Zusammenhang mit dem Vorhergehen-
den geurtheilt werden. Ein Erdbeben, welches Felsen zer-
reiſst, ist als natürliche Erscheinung möglich: nicht sel-
ten aber kommt es auch als mythische Ausschmückung ei-
nes groſsen Todesfalles vor, wie Virgil bei Cäsars Tode
nicht allein die Sonne sich verfinstern, sondern auch von
ungewohnter Erschütterung die Alpen erzittern läſst 12).
Da wir nun die vorhergemeldeten Prodigien nur aus die-
sem lezteren Gesichtspunkt haben fassen können, und da
überdieſs gegen die historische Begründung der jezt vorlie-
genden Züge ihr alleiniges Vorkommen bei Matthäus spricht:
so werden wir auch sie nur so ansehen, wie Fritzsche
sagt: Messiae obitum atrocibus ostentis, quibus, quantus
vir quummaxime exspirâsset, orbi terrarum indicaretur,
illustrem esse oportebat
.

Das lezte, gleichfalls dem ersten Evangelium eigen-
thümliche Wunderzeichen bei'm Tode Jesu ist die Eröff-
nung der Gräber, der Hervorgang vieler Todten aus den-
selben, und deren Erscheinung in Jerusalem. Diesen Vor-
gang sich denkbar zu machen, fällt besonders schwer. An

11) Über den Lukas, S. 293.
12) Georg. 1, 463 ff.
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[559/0578] Viertes Kapitel. §. 129. ohne historischen Grund sich bilden konnte, so bedeutend: so ist es folgerichtiger, mit Schleiermacher den Vorgang als geschichtlichen ganz aufzugeben, in Erwägung, daſs „sobald man anfieng, das Verdienst Christi unter den im Brief an die Hebräer herrschenden Bildern darzustellen, ja schon bei den ersten, leisesten Übergängen zu dieser Lehrweise, bei der ersten Aufnahme der Heiden, die man zum jüdischen Cultus nicht verpflichtete, und die also auch ohne Antheil an den jüdischen Sühnungen blieben, solche Darstellungen in die christlichen Hymnen [und die evan- gelischen Erzählungen] kommen muſsten 11).“ Über das folgende: ἡ γῆ ἐσείσϑη, καὶ αι πέτραι ἐσχίσ- ϑησαν, kann nur im Zusammenhang mit dem Vorhergehen- den geurtheilt werden. Ein Erdbeben, welches Felsen zer- reiſst, ist als natürliche Erscheinung möglich: nicht sel- ten aber kommt es auch als mythische Ausschmückung ei- nes groſsen Todesfalles vor, wie Virgil bei Cäsars Tode nicht allein die Sonne sich verfinstern, sondern auch von ungewohnter Erschütterung die Alpen erzittern läſst 12). Da wir nun die vorhergemeldeten Prodigien nur aus die- sem lezteren Gesichtspunkt haben fassen können, und da überdieſs gegen die historische Begründung der jezt vorlie- genden Züge ihr alleiniges Vorkommen bei Matthäus spricht: so werden wir auch sie nur so ansehen, wie Fritzsche sagt: Messiae obitum atrocibus ostentis, quibus, quantus vir quummaxime exspirâsset, orbi terrarum indicaretur, illustrem esse oportebat. Das lezte, gleichfalls dem ersten Evangelium eigen- thümliche Wunderzeichen bei'm Tode Jesu ist die Eröff- nung der Gräber, der Hervorgang vieler Todten aus den- selben, und deren Erscheinung in Jerusalem. Diesen Vor- gang sich denkbar zu machen, fällt besonders schwer. An 11) Über den Lukas, S. 293. 12) Georg. 1, 463 ff.

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Zitationshilfe: Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836, S. 559. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus02_1836/578>, abgerufen am 22.11.2024.