der evangelischen Erzählungen sich Vorstellungen finden, aus welchen sich der Zug mit den Schweinen in der vor- liegenden Geschichte erklären liesse?
Eine hiehergehörige Zeitmeinung hatten wir schon, nämlich die, dass Dämonen nicht ohne Leib sein wollen, und, dass sie gerne an unreinen Orten seien, wesswegen ihnen die Leiber von Schweinen am besten taugen muss- ten: indess erklärt sich hieraus der Zug noch nicht, dass sie die Schweine in das Wasser gestürzt haben sollen. Doch auch hiefür fehlt es nicht an erklärenden Notizen. Josephus berichtet von einem jüdischen Beschwörer, der durch Salomonische Formeln und Mittel die Dämonen aus- trieb, dass er, um die Anwesenden von der Realität sei- ner Austreibungen zu überführen, in die Nähe des Beses- senen ein Wassergefäss gestellt habe, welches der ausfah- rende Dämon umwerfen und dadurch den Zuschauern au- genscheinlich zeigen musste, dass er aus dem Menschen heraus sei 38). Auf ähnliche Weise wird von Apollonius von Tyana erzählt, dass er einem Dämon, der einen Jüng- ling besessen hatte, befohlen habe, sich mit einem sicht- baren Zeichen zu entfernen, worauf derselbe sich erbot, ein in der Nähe befindliches Standbild umzuwerfen, wel- ches dann zum grossen Erstaunen aller Anwesenden wirk- lich in dem Augenblick umfiel, als der Dämon den Jüng- ling verliess 39). Galt hienach das in Bewegung Setzen ei- nes nahen Gegenstandes ohne körperliche Berührung als die sicherste Probe der Realität einer Dämonenaustreibung: so durfte diese Probe auch Jesu nicht fehlen, und zwar,
38) Antiq. 8, 2, 5: boulomenos de peisai kai parasesai tois para- tugkhanousin o Eleazaros, oti tauten ekhei iskhun, etithei mikron emprosthen etoi poterion pleres udatos e podoniptron, kai to daimonio prosetatten exionti tou anthropou taut anatrepsai, kai paraskhein epignonai tois orosin, oti kataleloipe ton anthropon.
39) Philostr. v. Ap., 4, 20; bei Baur, a. a. O. S. 39.
Zweiter Abschnitt.
der evangelischen Erzählungen sich Vorstellungen finden, aus welchen sich der Zug mit den Schweinen in der vor- liegenden Geschichte erklären lieſse?
Eine hiehergehörige Zeitmeinung hatten wir schon, nämlich die, daſs Dämonen nicht ohne Leib sein wollen, und, daſs sie gerne an unreinen Orten seien, weſswegen ihnen die Leiber von Schweinen am besten taugen muſs- ten: indeſs erklärt sich hieraus der Zug noch nicht, daſs sie die Schweine in das Wasser gestürzt haben sollen. Doch auch hiefür fehlt es nicht an erklärenden Notizen. Josephus berichtet von einem jüdischen Beschwörer, der durch Salomonische Formeln und Mittel die Dämonen aus- trieb, daſs er, um die Anwesenden von der Realität sei- ner Austreibungen zu überführen, in die Nähe des Beses- senen ein Wassergefäſs gestellt habe, welches der ausfah- rende Dämon umwerfen und dadurch den Zuschauern au- genscheinlich zeigen muſste, daſs er aus dem Menschen heraus sei 38). Auf ähnliche Weise wird von Apollonius von Tyana erzählt, daſs er einem Dämon, der einen Jüng- ling besessen hatte, befohlen habe, sich mit einem sicht- baren Zeichen zu entfernen, worauf derselbe sich erbot, ein in der Nähe befindliches Standbild umzuwerfen, wel- ches dann zum groſsen Erstaunen aller Anwesenden wirk- lich in dem Augenblick umfiel, als der Dämon den Jüng- ling verlieſs 39). Galt hienach das in Bewegung Setzen ei- nes nahen Gegenstandes ohne körperliche Berührung als die sicherste Probe der Realität einer Dämonenaustreibung: so durfte diese Probe auch Jesu nicht fehlen, und zwar,
39) Philostr. v. Ap., 4, 20; bei Baur, a. a. O. S. 39.
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Zweiter Abschnitt.
der evangelischen Erzählungen sich Vorstellungen finden,
aus welchen sich der Zug mit den Schweinen in der vor-
liegenden Geschichte erklären lieſse?
Eine hiehergehörige Zeitmeinung hatten wir schon,
nämlich die, daſs Dämonen nicht ohne Leib sein wollen,
und, daſs sie gerne an unreinen Orten seien, weſswegen
ihnen die Leiber von Schweinen am besten taugen muſs-
ten: indeſs erklärt sich hieraus der Zug noch nicht, daſs
sie die Schweine in das Wasser gestürzt haben sollen.
Doch auch hiefür fehlt es nicht an erklärenden Notizen.
Josephus berichtet von einem jüdischen Beschwörer, der
durch Salomonische Formeln und Mittel die Dämonen aus-
trieb, daſs er, um die Anwesenden von der Realität sei-
ner Austreibungen zu überführen, in die Nähe des Beses-
senen ein Wassergefäſs gestellt habe, welches der ausfah-
rende Dämon umwerfen und dadurch den Zuschauern au-
genscheinlich zeigen muſste, daſs er aus dem Menschen
heraus sei 38). Auf ähnliche Weise wird von Apollonius
von Tyana erzählt, daſs er einem Dämon, der einen Jüng-
ling besessen hatte, befohlen habe, sich mit einem sicht-
baren Zeichen zu entfernen, worauf derselbe sich erbot,
ein in der Nähe befindliches Standbild umzuwerfen, wel-
ches dann zum groſsen Erstaunen aller Anwesenden wirk-
lich in dem Augenblick umfiel, als der Dämon den Jüng-
ling verlieſs 39). Galt hienach das in Bewegung Setzen ei-
nes nahen Gegenstandes ohne körperliche Berührung als
die sicherste Probe der Realität einer Dämonenaustreibung:
so durfte diese Probe auch Jesu nicht fehlen, und zwar,
38) Antiq. 8, 2, 5: βουλόμενος δὲ πεῖσαι καὶ παραςῆσαι τοῖς παρα-
τυγχάνουσιν ὁ Ἐλεάζαρος, ὅτι ταύτην ἔχει ἰσχὺν, ἐτίϑει μικρὸν
ἔμπροσϑεν ἤτοι ποτήριον πλῆρες ὕδατος ἢ ποδόνιπτρον, καὶ τῷ
δαιμονίῳ προσέταττεν ἐξιόντι τοῦ ἀνϑρώπου ταῦτ̕ ἀνατρέψαι, καὶ
παρασχεῖν ἐπιγνῶναι τοῖς ὁρῶσιν, ὅτι καταλέλοιπε τὸν ἄνϑρωπον.
39) Philostr. v. Ap., 4, 20; bei Baur, a. a. O. S. 39.
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Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836, S. 38. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus02_1836/57>, abgerufen am 28.11.2024.
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