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Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836.

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Dritter Abschnitt.
wenn sein 28ter Vers ächt ist, sieht darin eine wörtliche
Erfüllung des jesaianischen: meta anomon elogisthe, welches
nach Luc. 22, 37. Jesus schon am Abend vorher als eine
demnächst an ihm zu erfüllende Weissagung angeführt hatte.
Von dem weiteren Verhalten dieser Mitgekreuzigten berich-
tet uns Johannes nichts; die beiden ersten Synoptiker las-
sen sie Schmähungen gegen Jesum ausstossen (Matth.
27, 44. Marc. 15, 32.): wogegen Lukas erzählt, nur der
eine von ihnen habe sich diess erlaubt, sei aber von dem
andern zurechtgewiesen worden (23, 39 ff.). Um diese Dif-
ferenz auszugleichen, haben die Erklärer die Voraussetzung
gemacht, zuerst mögen wohl beide Verbrecher Jesum ge-
schmäht haben, dann aber durch die ausserordentliche Fin-
sterniss der eine umgestimmt worden sein 21); neuere ha-
ben sich auf eine enallage numeri berufen 22): gewiss aber
nur diejenigen recht gesehen, welche eine wirkliche Diffe-
renz zwischen Lukas und seinen Vormännern zugaben 23).
Offenbar haben von dem Genaueren, was jener über das
Verhältniss der beiden Mitgekreuzigten zu Jesu zu berich-
ten weiss, die zwei ersten Evangelisten nichts gewusst. Nä-
her erzählt nämlich Lukas, als der eine der beiden Ver-
brecher Jesum durch die Aufforderung höhnte, wenn er
wirklich der Messias sei, sich und sie zu befreien, habe
ihm der andere solchen Hohn gegen einen, mit dem er
doch das gleiche Schicksal, und zwar als Schuldiger mit
dem Unschuldigen, theile, ernstlich verwiesen, Jesum aber
gebeten, wenn er in seiner basileia kommen werde, sei-
ner zu gedenken; worauf ihm Jesus das Versprechen ge-
geben habe, noch heute werde er mit ihm en to paradei-
sps sein. An dieser Scene ist von vorn herein nichts An-
stössiges, bis zu der Anrede des zweiten Mitgekreuzigten

21) So Chrysostomus u. A.
22) Beza und Grotius.
23) Paulus, S. 763. Fritzsche, in Matth. p. 817.

Dritter Abschnitt.
wenn sein 28ter Vers ächt ist, sieht darin eine wörtliche
Erfüllung des jesaianischen: μετὰ ἀνόμων ἐλογίσϑη, welches
nach Luc. 22, 37. Jesus schon am Abend vorher als eine
demnächst an ihm zu erfüllende Weissagung angeführt hatte.
Von dem weiteren Verhalten dieser Mitgekreuzigten berich-
tet uns Johannes nichts; die beiden ersten Synoptiker las-
sen sie Schmähungen gegen Jesum ausstoſsen (Matth.
27, 44. Marc. 15, 32.): wogegen Lukas erzählt, nur der
eine von ihnen habe sich dieſs erlaubt, sei aber von dem
andern zurechtgewiesen worden (23, 39 ff.). Um diese Dif-
ferenz auszugleichen, haben die Erklärer die Voraussetzung
gemacht, zuerst mögen wohl beide Verbrecher Jesum ge-
schmäht haben, dann aber durch die ausserordentliche Fin-
sterniſs der eine umgestimmt worden sein 21); neuere ha-
ben sich auf eine enallage numeri berufen 22): gewiſs aber
nur diejenigen recht gesehen, welche eine wirkliche Diffe-
renz zwischen Lukas und seinen Vormännern zugaben 23).
Offenbar haben von dem Genaueren, was jener über das
Verhältniſs der beiden Mitgekreuzigten zu Jesu zu berich-
ten weiſs, die zwei ersten Evangelisten nichts gewuſst. Nä-
her erzählt nämlich Lukas, als der eine der beiden Ver-
brecher Jesum durch die Aufforderung höhnte, wenn er
wirklich der Messias sei, sich und sie zu befreien, habe
ihm der andere solchen Hohn gegen einen, mit dem er
doch das gleiche Schicksal, und zwar als Schuldiger mit
dem Unschuldigen, theile, ernstlich verwiesen, Jesum aber
gebeten, wenn er in seiner βασιλεία kommen werde, sei-
ner zu gedenken; worauf ihm Jesus das Versprechen ge-
geben habe, noch heute werde er mit ihm ἐν τῷ παραδεί-
σψ sein. An dieser Scene ist von vorn herein nichts An-
stöſsiges, bis zu der Anrede des zweiten Mitgekreuzigten

21) So Chrysostomus u. A.
22) Beza und Grotius.
23) Paulus, S. 763. Fritzsche, in Matth. p. 817.
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[538/0557] Dritter Abschnitt. wenn sein 28ter Vers ächt ist, sieht darin eine wörtliche Erfüllung des jesaianischen: μετὰ ἀνόμων ἐλογίσϑη, welches nach Luc. 22, 37. Jesus schon am Abend vorher als eine demnächst an ihm zu erfüllende Weissagung angeführt hatte. Von dem weiteren Verhalten dieser Mitgekreuzigten berich- tet uns Johannes nichts; die beiden ersten Synoptiker las- sen sie Schmähungen gegen Jesum ausstoſsen (Matth. 27, 44. Marc. 15, 32.): wogegen Lukas erzählt, nur der eine von ihnen habe sich dieſs erlaubt, sei aber von dem andern zurechtgewiesen worden (23, 39 ff.). Um diese Dif- ferenz auszugleichen, haben die Erklärer die Voraussetzung gemacht, zuerst mögen wohl beide Verbrecher Jesum ge- schmäht haben, dann aber durch die ausserordentliche Fin- sterniſs der eine umgestimmt worden sein 21); neuere ha- ben sich auf eine enallage numeri berufen 22): gewiſs aber nur diejenigen recht gesehen, welche eine wirkliche Diffe- renz zwischen Lukas und seinen Vormännern zugaben 23). Offenbar haben von dem Genaueren, was jener über das Verhältniſs der beiden Mitgekreuzigten zu Jesu zu berich- ten weiſs, die zwei ersten Evangelisten nichts gewuſst. Nä- her erzählt nämlich Lukas, als der eine der beiden Ver- brecher Jesum durch die Aufforderung höhnte, wenn er wirklich der Messias sei, sich und sie zu befreien, habe ihm der andere solchen Hohn gegen einen, mit dem er doch das gleiche Schicksal, und zwar als Schuldiger mit dem Unschuldigen, theile, ernstlich verwiesen, Jesum aber gebeten, wenn er in seiner βασιλεία kommen werde, sei- ner zu gedenken; worauf ihm Jesus das Versprechen ge- geben habe, noch heute werde er mit ihm ἐν τῷ παραδεί- σψ sein. An dieser Scene ist von vorn herein nichts An- stöſsiges, bis zu der Anrede des zweiten Mitgekreuzigten 21) So Chrysostomus u. A. 22) Beza und Grotius. 23) Paulus, S. 763. Fritzsche, in Matth. p. 817.

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Zitationshilfe: Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836, S. 538. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus02_1836/557>, abgerufen am 22.11.2024.