Kreuzigung ein solcher Mischtrank, und nachher noch Es- sig möge gereicht worden sein, da jenes, wie es scheint, ge- wöhnlich, und dieses bei dem Durst, welcher die Gekreu- zigten plagt, natürlich war: nur so viel soll gesagt sein, dass die Evangelisten diesen Umstand, und zwar in so ver- schiedenen Wendungen, nicht desswegen erzählen, weil sie historisch wussten, er sei auf diese oder jene Weise wirk- lich vorgekommen, sondern weil sie dogmatisch überzeugt waren, er müsse jener Weissagung zufolge, die sie aber ver- schiedentlich anwandten, sich ereignet haben.
Während oder unmittelbar nach der Kreuzigung lässt Lukas Jesum sprechen: pater, aphes autois; ou gar oidasi ti poiousi (V. 34.), eine Fürbitte, die man bald auf die Soldaten, die ihn kreuzigten, beschränkt 19), bald auf die eigentlichen Urheber seines Todes, die Synedristen und Pi- latus, ausdehnt 20). So angemessen eine solche Bitte den sonstigen Grundsätzen Jesu über Feindesliebe ist (Matth. 5, 44.), und so viele innere Glaubwürdigkeit von dieser Seite die Notiz des Lukas hat: so ist doch, zumal er mit derselben allein steht, darauf aufmerksam zu machen, dass möglicherweise dieser Zug aus dem für messianisch gehal- tenen Abschnitt Jes. 53. genommen sein könnte, wo es im lezten Vers, in demselben, aus welchem auch das meta anomon elogisthe entlehnt ist, heisst: v@lap'sh@`iym yap@n'iy`a, was zwar die LXX. unrichtig durch dia tas anomias auton par- edothe, aber bereits das Targum Jonathan durch pro pec- catis (sollte heissen peccatoribus) deprecatus est wie- dergiebt.
Dass mit Jesu zugleich duo kakourgoi, welche Mat- thäus und Markus als lesas bezeichnen, in der Art ge- kreuzigt worden seien, dass sein Kreuz in der Mitte stand, darin stimmen die Evangelisten zusammen, und Markus,
19)Kuinöl, in Luc. p. 710.
20)Olshausen, S. 484.
Drittes Kapitel. §. 128.
Kreuzigung ein solcher Mischtrank, und nachher noch Es- sig möge gereicht worden sein, da jenes, wie es scheint, ge- wöhnlich, und dieses bei dem Durst, welcher die Gekreu- zigten plagt, natürlich war: nur so viel soll gesagt sein, daſs die Evangelisten diesen Umstand, und zwar in so ver- schiedenen Wendungen, nicht deſswegen erzählen, weil sie historisch wuſsten, er sei auf diese oder jene Weise wirk- lich vorgekommen, sondern weil sie dogmatisch überzeugt waren, er müsse jener Weissagung zufolge, die sie aber ver- schiedentlich anwandten, sich ereignet haben.
Während oder unmittelbar nach der Kreuzigung läſst Lukas Jesum sprechen: πάτερ, ἄφες αὐτοῖς· οὺ γὰρ οἴδασι τί ποιοῦσι (V. 34.), eine Fürbitte, die man bald auf die Soldaten, die ihn kreuzigten, beschränkt 19), bald auf die eigentlichen Urheber seines Todes, die Synedristen und Pi- latus, ausdehnt 20). So angemessen eine solche Bitte den sonstigen Grundsätzen Jesu über Feindesliebe ist (Matth. 5, 44.), und so viele innere Glaubwürdigkeit von dieser Seite die Notiz des Lukas hat: so ist doch, zumal er mit derselben allein steht, darauf aufmerksam zu machen, daſs möglicherweise dieser Zug aus dem für messianisch gehal- tenen Abschnitt Jes. 53. genommen sein könnte, wo es im lezten Vers, in demselben, aus welchem auch das μετὰ ἀνόμων ἐλογίσϑη entlehnt ist, heiſst: וְלַפּשְׁעִים יַפְנִּיעַ, was zwar die LXX. unrichtig durch διὰ τὰς ἀνομίας αὐτῶν παρ- εδόϑη, aber bereits das Targum Jonathan durch pro pec- catis (sollte heiſsen peccatoribus) deprecatus est wie- dergiebt.
Daſs mit Jesu zugleich δύο κακοῦργοι, welche Mat- thäus und Markus als λῃςὰς bezeichnen, in der Art ge- kreuzigt worden seien, daſs sein Kreuz in der Mitte stand, darin stimmen die Evangelisten zusammen, und Markus,
19)Kuinöl, in Luc. p. 710.
20)Olshausen, S. 484.
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Drittes Kapitel. §. 128.
Kreuzigung ein solcher Mischtrank, und nachher noch Es-
sig möge gereicht worden sein, da jenes, wie es scheint, ge-
wöhnlich, und dieses bei dem Durst, welcher die Gekreu-
zigten plagt, natürlich war: nur so viel soll gesagt sein,
daſs die Evangelisten diesen Umstand, und zwar in so ver-
schiedenen Wendungen, nicht deſswegen erzählen, weil sie
historisch wuſsten, er sei auf diese oder jene Weise wirk-
lich vorgekommen, sondern weil sie dogmatisch überzeugt
waren, er müsse jener Weissagung zufolge, die sie aber ver-
schiedentlich anwandten, sich ereignet haben.
Während oder unmittelbar nach der Kreuzigung läſst
Lukas Jesum sprechen: πάτερ, ἄφες αὐτοῖς· οὺ γὰρ οἴδασι
τί ποιοῦσι (V. 34.), eine Fürbitte, die man bald auf die
Soldaten, die ihn kreuzigten, beschränkt 19), bald auf die
eigentlichen Urheber seines Todes, die Synedristen und Pi-
latus, ausdehnt 20). So angemessen eine solche Bitte den
sonstigen Grundsätzen Jesu über Feindesliebe ist (Matth.
5, 44.), und so viele innere Glaubwürdigkeit von dieser
Seite die Notiz des Lukas hat: so ist doch, zumal er mit
derselben allein steht, darauf aufmerksam zu machen, daſs
möglicherweise dieser Zug aus dem für messianisch gehal-
tenen Abschnitt Jes. 53. genommen sein könnte, wo es im
lezten Vers, in demselben, aus welchem auch das μετὰ
ἀνόμων ἐλογίσϑη entlehnt ist, heiſst: וְלַפּשְׁעִים יַפְנִּיעַ, was
zwar die LXX. unrichtig durch διὰ τὰς ἀνομίας αὐτῶν παρ-
εδόϑη, aber bereits das Targum Jonathan durch pro pec-
catis (sollte heiſsen peccatoribus) deprecatus est wie-
dergiebt.
Daſs mit Jesu zugleich δύο κακοῦργοι, welche Mat-
thäus und Markus als λῃςὰς bezeichnen, in der Art ge-
kreuzigt worden seien, daſs sein Kreuz in der Mitte stand,
darin stimmen die Evangelisten zusammen, und Markus,
19) Kuinöl, in Luc. p. 710.
20) Olshausen, S. 484.
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Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836, S. 537. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus02_1836/556>, abgerufen am 25.11.2024.
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