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Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836.

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Dritter Abschnitt.
Nach Lukas war das oxos prospherein eine Verhöhnung,
welche die Soldaten gegen Jesum, wie es scheint, nicht
sehr lange nach der Kreuzigung, noch vor der Finsterniss,
vornahmen (V. 36 f.); nach Markus reichte kurz vor dem
Ende, drei Stunden nach Entstehung der Finsterniss, ei-
ner der Umstehenden auf den Ruf Jesu: mein Gott u. s. w.,
ihm, gleichfalls in spöttischer Absicht, mittelst eines auf
ein Rohr gesteckten Schwammes Essig dar (V. 36.); nach
Matthäus bot ihm einer der Umstehenden auf eben jenen
Ruf hin und auf dieselbe Weise den Essig, aber in guter
Absicht, wie man daraus sieht, dass die Spötter ihn davon
abhalten wollten (V. 48 f.) 16); wogegen es bei Johannes
auf den ausdrücklichen Ruf: dipso, ist, dass einige einen
Schwamm in ein in der Nähe stehendes Gefäss mit Essig
tauchten, und auf einem Ysopstengel zum Munde Jesu
brachten (V. 29.). Man hat daher drei verschiedene Ver-
suche, Jesum zu tränken, angenommen: den ersten vor der
Kreuzigung, mit dem betäubenden Tranke (Matth. und
Markus), den zweiten nach der Kreuzigung, wo ihm die
Soldaten zum Hohne von ihrem gewöhnlichen Getränk, ei-
ner Mischung aus Essig und Wasser, posca genannt 17),
boten (Lukas), und endlich die dritte Tränkung, welche
auf den klagenden Ruf Jesu erfolgte (Matth. Mark. und
Joh.) 18). Allein, will man einmal Ungleichlautendes aus-
einanderhalten, so muss man auch folgerecht verfahren:
soll die von Lukas berichtete Tränkung von der des Mat-
thäus und Markus wegen einer Zeitdifferenz verschieden
sein, so ist die des Matthäus von der des Markus durch
eine Differenz der Absicht verschieden, und wiederum ist
das, was Johannes berichtet, nicht dasselbe mit dem was
die beiden ersten Synoptiker, da es ja auf einen ganz an-

16) s. Fritzsche, z. d. St.
17) vgl. Paulus z. d. St.
18) So Kuinöl, in Luc. p. 710 f. Tholuck, p. 342.

Dritter Abschnitt.
Nach Lukas war das ὄξος προσφέρειν eine Verhöhnung,
welche die Soldaten gegen Jesum, wie es scheint, nicht
sehr lange nach der Kreuzigung, noch vor der Finsterniſs,
vornahmen (V. 36 f.); nach Markus reichte kurz vor dem
Ende, drei Stunden nach Entstehung der Finsterniſs, ei-
ner der Umstehenden auf den Ruf Jesu: mein Gott u. s. w.,
ihm, gleichfalls in spöttischer Absicht, mittelst eines auf
ein Rohr gesteckten Schwammes Essig dar (V. 36.); nach
Matthäus bot ihm einer der Umstehenden auf eben jenen
Ruf hin und auf dieselbe Weise den Essig, aber in guter
Absicht, wie man daraus sieht, daſs die Spötter ihn davon
abhalten wollten (V. 48 f.) 16); wogegen es bei Johannes
auf den ausdrücklichen Ruf: διψῶ, ist, daſs einige einen
Schwamm in ein in der Nähe stehendes Gefäſs mit Essig
tauchten, und auf einem Ysopstengel zum Munde Jesu
brachten (V. 29.). Man hat daher drei verschiedene Ver-
suche, Jesum zu tränken, angenommen: den ersten vor der
Kreuzigung, mit dem betäubenden Tranke (Matth. und
Markus), den zweiten nach der Kreuzigung, wo ihm die
Soldaten zum Hohne von ihrem gewöhnlichen Getränk, ei-
ner Mischung aus Essig und Wasser, posca genannt 17),
boten (Lukas), und endlich die dritte Tränkung, welche
auf den klagenden Ruf Jesu erfolgte (Matth. Mark. und
Joh.) 18). Allein, will man einmal Ungleichlautendes aus-
einanderhalten, so muſs man auch folgerecht verfahren:
soll die von Lukas berichtete Tränkung von der des Mat-
thäus und Markus wegen einer Zeitdifferenz verschieden
sein, so ist die des Matthäus von der des Markus durch
eine Differenz der Absicht verschieden, und wiederum ist
das, was Johannes berichtet, nicht dasselbe mit dem was
die beiden ersten Synoptiker, da es ja auf einen ganz an-

16) s. Fritzsche, z. d. St.
17) vgl. Paulus z. d. St.
18) So Kuinöl, in Luc. p. 710 f. Tholuck, p. 342.
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[534/0553] Dritter Abschnitt. Nach Lukas war das ὄξος προσφέρειν eine Verhöhnung, welche die Soldaten gegen Jesum, wie es scheint, nicht sehr lange nach der Kreuzigung, noch vor der Finsterniſs, vornahmen (V. 36 f.); nach Markus reichte kurz vor dem Ende, drei Stunden nach Entstehung der Finsterniſs, ei- ner der Umstehenden auf den Ruf Jesu: mein Gott u. s. w., ihm, gleichfalls in spöttischer Absicht, mittelst eines auf ein Rohr gesteckten Schwammes Essig dar (V. 36.); nach Matthäus bot ihm einer der Umstehenden auf eben jenen Ruf hin und auf dieselbe Weise den Essig, aber in guter Absicht, wie man daraus sieht, daſs die Spötter ihn davon abhalten wollten (V. 48 f.) 16); wogegen es bei Johannes auf den ausdrücklichen Ruf: διψῶ, ist, daſs einige einen Schwamm in ein in der Nähe stehendes Gefäſs mit Essig tauchten, und auf einem Ysopstengel zum Munde Jesu brachten (V. 29.). Man hat daher drei verschiedene Ver- suche, Jesum zu tränken, angenommen: den ersten vor der Kreuzigung, mit dem betäubenden Tranke (Matth. und Markus), den zweiten nach der Kreuzigung, wo ihm die Soldaten zum Hohne von ihrem gewöhnlichen Getränk, ei- ner Mischung aus Essig und Wasser, posca genannt 17), boten (Lukas), und endlich die dritte Tränkung, welche auf den klagenden Ruf Jesu erfolgte (Matth. Mark. und Joh.) 18). Allein, will man einmal Ungleichlautendes aus- einanderhalten, so muſs man auch folgerecht verfahren: soll die von Lukas berichtete Tränkung von der des Mat- thäus und Markus wegen einer Zeitdifferenz verschieden sein, so ist die des Matthäus von der des Markus durch eine Differenz der Absicht verschieden, und wiederum ist das, was Johannes berichtet, nicht dasselbe mit dem was die beiden ersten Synoptiker, da es ja auf einen ganz an- 16) s. Fritzsche, z. d. St. 17) vgl. Paulus z. d. St. 18) So Kuinöl, in Luc. p. 710 f. Tholuck, p. 342.

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Zitationshilfe: Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836, S. 534. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus02_1836/553>, abgerufen am 22.11.2024.