handelten 22). Lukas weiss hier von keiner Verhöhnung durch die Soldaten, wohl aber hat er in seiner Erzählung von der Abführung Jesu zu Herodes etwas Ähnliches, in- dem er hier den Herodes sun tois srateumasin autou Jesum verspotten, und ihn in einer esthes lampra zu Pilatus zu- rücksenden lässt. Manche nehmen an, diess sei dasselbe Pur- purgewand, welches nachher die Soldaten des Pilatus Je- su zum zweitenmal angezogen haben; aber vielmehr drei- mal müsste, wenn wir den Johannes dazunehmen, und zu- gleich keinen der Synoptiker des Irrthums beschuldigen wol- len, mit Jesu diese Vermummung vorgenommen worden sein: zuerst bei Herodes (Lukas); hierauf ehe Pilatus Je- sum den Juden vorführte, um durch das: ide o anthropos, ihr Mitleid rege zu machen (Joh.); endlich noch einmal, nachdem er den Soldaten zur Kreuzigung überlassen war (Matth. und Markus). Diess ist nun ebenso unwahrschein- lich, als es wahrscheinlich ist, dass die Evangelisten eine und dieselbe Vermummung, von der sie gehört, an ver- schiedene Orte und Zeiten verlegt und verschiedenen Per- sonen zugeschrieben haben.
Während bei den zwei ersten Evangelisten vor der Geisselung Jesu die Gerichtsverhandlung bereits geschlos- sen ist, bei'm dritten auf die Nichtannahme des paideusas auton apoluso von Seiten der Juden Pilatus Jesum zur Kreuzigung hingiebt: spinnt sich im vierten Evangelium die Gerichtsscene folgendermassen noch weiter. Als auch die Vorstellung des gegeisselten und vermummten Jesus nichts fruchtet, sondern beharrlich seine Kreuzigung verlangt wird, ruft der Procurator entrüstet den Juden zu, so mö- gen sie selbst ihn hinnehmen und kreuzigen, denn er fin- de keine Schuld an ihm. Die Juden erwiedern, nach ih-
22) Eine ähnliche Vermummung eines Menschen, um einen Drit- ten zu verhöhnen, führt aus Philo, in Flaccum, Wetstein an, p. 533 f.
Dritter Abschnitt.
handelten 22). Lukas weiſs hier von keiner Verhöhnung durch die Soldaten, wohl aber hat er in seiner Erzählung von der Abführung Jesu zu Herodes etwas Ähnliches, in- dem er hier den Herodes σὺν τοῖς ςρατεύμασιν αὐτοῦ Jesum verspotten, und ihn in einer ἐσϑὴς λαμπρὰ zu Pilatus zu- rücksenden läſst. Manche nehmen an, dieſs sei dasselbe Pur- purgewand, welches nachher die Soldaten des Pilatus Je- su zum zweitenmal angezogen haben; aber vielmehr drei- mal müſste, wenn wir den Johannes dazunehmen, und zu- gleich keinen der Synoptiker des Irrthums beschuldigen wol- len, mit Jesu diese Vermummung vorgenommen worden sein: zuerst bei Herodes (Lukas); hierauf ehe Pilatus Je- sum den Juden vorführte, um durch das: ἴδε ὁ ἄνϑρωπος, ihr Mitleid rege zu machen (Joh.); endlich noch einmal, nachdem er den Soldaten zur Kreuzigung überlassen war (Matth. und Markus). Dieſs ist nun ebenso unwahrschein- lich, als es wahrscheinlich ist, daſs die Evangelisten eine und dieselbe Vermummung, von der sie gehört, an ver- schiedene Orte und Zeiten verlegt und verschiedenen Per- sonen zugeschrieben haben.
Während bei den zwei ersten Evangelisten vor der Geisselung Jesu die Gerichtsverhandlung bereits geschlos- sen ist, bei'm dritten auf die Nichtannahme des παιδεύσας αὐτὸν ἀπολύσω von Seiten der Juden Pilatus Jesum zur Kreuzigung hingiebt: spinnt sich im vierten Evangelium die Gerichtsscene folgendermaſsen noch weiter. Als auch die Vorstellung des gegeisselten und vermummten Jesus nichts fruchtet, sondern beharrlich seine Kreuzigung verlangt wird, ruft der Procurator entrüstet den Juden zu, so mö- gen sie selbst ihn hinnehmen und kreuzigen, denn er fin- de keine Schuld an ihm. Die Juden erwiedern, nach ih-
22) Eine ähnliche Vermummung eines Menschen, um einen Drit- ten zu verhöhnen, führt aus Philo, in Flaccum, Wetstein an, p. 533 f.
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Dritter Abschnitt.
handelten 22). Lukas weiſs hier von keiner Verhöhnung
durch die Soldaten, wohl aber hat er in seiner Erzählung
von der Abführung Jesu zu Herodes etwas Ähnliches, in-
dem er hier den Herodes σὺν τοῖς ςρατεύμασιν αὐτοῦ Jesum
verspotten, und ihn in einer ἐσϑὴς λαμπρὰ zu Pilatus zu-
rücksenden läſst. Manche nehmen an, dieſs sei dasselbe Pur-
purgewand, welches nachher die Soldaten des Pilatus Je-
su zum zweitenmal angezogen haben; aber vielmehr drei-
mal müſste, wenn wir den Johannes dazunehmen, und zu-
gleich keinen der Synoptiker des Irrthums beschuldigen wol-
len, mit Jesu diese Vermummung vorgenommen worden
sein: zuerst bei Herodes (Lukas); hierauf ehe Pilatus Je-
sum den Juden vorführte, um durch das: ἴδε ὁ ἄνϑρωπος,
ihr Mitleid rege zu machen (Joh.); endlich noch einmal,
nachdem er den Soldaten zur Kreuzigung überlassen war
(Matth. und Markus). Dieſs ist nun ebenso unwahrschein-
lich, als es wahrscheinlich ist, daſs die Evangelisten eine
und dieselbe Vermummung, von der sie gehört, an ver-
schiedene Orte und Zeiten verlegt und verschiedenen Per-
sonen zugeschrieben haben.
Während bei den zwei ersten Evangelisten vor der
Geisselung Jesu die Gerichtsverhandlung bereits geschlos-
sen ist, bei'm dritten auf die Nichtannahme des παιδεύσας
αὐτὸν ἀπολύσω von Seiten der Juden Pilatus Jesum zur
Kreuzigung hingiebt: spinnt sich im vierten Evangelium
die Gerichtsscene folgendermaſsen noch weiter. Als auch die
Vorstellung des gegeisselten und vermummten Jesus nichts
fruchtet, sondern beharrlich seine Kreuzigung verlangt
wird, ruft der Procurator entrüstet den Juden zu, so mö-
gen sie selbst ihn hinnehmen und kreuzigen, denn er fin-
de keine Schuld an ihm. Die Juden erwiedern, nach ih-
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ten zu verhöhnen, führt aus Philo, in Flaccum, Wetstein
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Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836, S. 526. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus02_1836/545>, abgerufen am 22.07.2024.
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