das Eintreffen der Verheissung Jesu durch das Krähen des Hahnes an; fügen die zwei ersten Evangelisten hiezu auch den subjektiven Eindruck, welchen dieses Zusammentref- fen auf den Petrus machte: so wendet Lukas diess wieder objektiv, und lässt die schmerzhafte Erinnerung an die Worte des Meisters als einen durchbohrenden Blick von diesem in das Innere des Jüngers dringen.
§. 126. Der Tod des Verräthers.
Auf die Nachricht, dass Jesus zum Tode verurtheilt sei, lässt das erste Evangelium (27, 3 ff.) den Judas, von Reue ergriffen, zu den Hohenpriestern und Ältesten eilen, um die 30 Silberlinge, mit der Erklärung, dass er einen Unschuldigen verrathen habe, ihnen zurückzugeben. Als aber diese höhnisch alle Verantwortlichkeit für jene That auf ihn allein schieben: geht Judas, nachdem er das Geld im Tempel hingeworfen, von Verzweiflung getrieben, weg, und erhängt sich. Die Synedristen hierauf kaufen um das von Judas zurückgegebene Geld, welches sie als Blutgeld nicht in den Tempelschaz legen zu dürfen glauben, einen Töpfersacker, zum Begräbniss für Fremde. Hiezu bemerkt der Evangelist zweierlei: erstlich, dass eben dieser Art der Erwerbung wegen das Grundstück bis auf seine Zeit Blut- acker genannt worden sei, und zweitens, dass durch die- sen Gang der Sache eine alte Weissagung sich erfüllt ha- be. -- Während die übrigen Evangelisten über das Ende des Judas schweigen, finden wir dagegen in der Apostel- geschichte (1, 16 ff.) einen Bericht über dasselbe, welcher von dem des Matthäus in mehreren Stücken abweicht. Petrus, wo er die Ergänzung der apostolischen Zwölfzahl durch die Wahl eines neuen Mitgliedes in Antrag bringt, findet angemessen, zuvor an die Art, wie die Lücke im Apostelkreise entstanden war, d. h. an den Verrath und das Ende des Judas, zu erinnern; und sagt in lezterer Bezie-
Dritter Abschnitt.
das Eintreffen der Verheiſsung Jesu durch das Krähen des Hahnes an; fügen die zwei ersten Evangelisten hiezu auch den subjektiven Eindruck, welchen dieses Zusammentref- fen auf den Petrus machte: so wendet Lukas dieſs wieder objektiv, und läſst die schmerzhafte Erinnerung an die Worte des Meisters als einen durchbohrenden Blick von diesem in das Innere des Jüngers dringen.
§. 126. Der Tod des Verräthers.
Auf die Nachricht, daſs Jesus zum Tode verurtheilt sei, läſst das erste Evangelium (27, 3 ff.) den Judas, von Reue ergriffen, zu den Hohenpriestern und Ältesten eilen, um die 30 Silberlinge, mit der Erklärung, daſs er einen Unschuldigen verrathen habe, ihnen zurückzugeben. Als aber diese höhnisch alle Verantwortlichkeit für jene That auf ihn allein schieben: geht Judas, nachdem er das Geld im Tempel hingeworfen, von Verzweiflung getrieben, weg, und erhängt sich. Die Synedristen hierauf kaufen um das von Judas zurückgegebene Geld, welches sie als Blutgeld nicht in den Tempelschaz legen zu dürfen glauben, einen Töpfersacker, zum Begräbniſs für Fremde. Hiezu bemerkt der Evangelist zweierlei: erstlich, daſs eben dieser Art der Erwerbung wegen das Grundstück bis auf seine Zeit Blut- acker genannt worden sei, und zweitens, daſs durch die- sen Gang der Sache eine alte Weissagung sich erfüllt ha- be. — Während die übrigen Evangelisten über das Ende des Judas schweigen, finden wir dagegen in der Apostel- geschichte (1, 16 ff.) einen Bericht über dasselbe, welcher von dem des Matthäus in mehreren Stücken abweicht. Petrus, wo er die Ergänzung der apostolischen Zwölfzahl durch die Wahl eines neuen Mitgliedes in Antrag bringt, findet angemessen, zuvor an die Art, wie die Lücke im Apostelkreise entstanden war, d. h. an den Verrath und das Ende des Judas, zu erinnern; und sagt in lezterer Bezie-
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Dritter Abschnitt.
das Eintreffen der Verheiſsung Jesu durch das Krähen des
Hahnes an; fügen die zwei ersten Evangelisten hiezu auch
den subjektiven Eindruck, welchen dieses Zusammentref-
fen auf den Petrus machte: so wendet Lukas dieſs wieder
objektiv, und läſst die schmerzhafte Erinnerung an die
Worte des Meisters als einen durchbohrenden Blick von
diesem in das Innere des Jüngers dringen.
§. 126.
Der Tod des Verräthers.
Auf die Nachricht, daſs Jesus zum Tode verurtheilt
sei, läſst das erste Evangelium (27, 3 ff.) den Judas, von
Reue ergriffen, zu den Hohenpriestern und Ältesten eilen,
um die 30 Silberlinge, mit der Erklärung, daſs er einen
Unschuldigen verrathen habe, ihnen zurückzugeben. Als
aber diese höhnisch alle Verantwortlichkeit für jene That
auf ihn allein schieben: geht Judas, nachdem er das Geld
im Tempel hingeworfen, von Verzweiflung getrieben, weg,
und erhängt sich. Die Synedristen hierauf kaufen um das
von Judas zurückgegebene Geld, welches sie als Blutgeld
nicht in den Tempelschaz legen zu dürfen glauben, einen
Töpfersacker, zum Begräbniſs für Fremde. Hiezu bemerkt
der Evangelist zweierlei: erstlich, daſs eben dieser Art der
Erwerbung wegen das Grundstück bis auf seine Zeit Blut-
acker genannt worden sei, und zweitens, daſs durch die-
sen Gang der Sache eine alte Weissagung sich erfüllt ha-
be. — Während die übrigen Evangelisten über das Ende
des Judas schweigen, finden wir dagegen in der Apostel-
geschichte (1, 16 ff.) einen Bericht über dasselbe, welcher
von dem des Matthäus in mehreren Stücken abweicht.
Petrus, wo er die Ergänzung der apostolischen Zwölfzahl
durch die Wahl eines neuen Mitgliedes in Antrag bringt,
findet angemessen, zuvor an die Art, wie die Lücke im
Apostelkreise entstanden war, d. h. an den Verrath und das
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Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836, S. 498. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus02_1836/517>, abgerufen am 19.11.2024.
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