streben der Evangelisten bemerklich macht, eben eine drei- fache Ableugnung herauszubringen. Dieses Streben haben sie zunächst mit Rücksicht auf die Vorhersagung Jesu: allein, dass dieser gerade so bestimmt von drei Verleugnungs- fällen gesprochen haben sollte, ist ebenso unwahrschein- lich, als dass er, wenn er den Ausdruck: tris, gebrauchte, diess bloss sprüchwörtlich gemeint habe. Sondern beide Dreizahlen sind wohl auch hier, wie sonst so oft, in der Sage entstanden, so dass, was an jenem Abend vielleicht zu wiederholten Malen (nur nicht 8--9 mal) vorgekommen war, auf dreimal fixirt, und demgemäss auch Jesu eine Vorherverkündigung eben dieser Zahl von Verleugnungen in den Mund gelegt wurde.
Den Endpunkt und gleichsam die Katastrophe der ganzen Verleugnungsgeschichte führt nach allen Berichten der Vorhersagung Jesu gemäss das Krähen des Hahns her- bei. Nach Markus kräht derselbe schon nach der ersten Verleugnung (V. 68.), und dann nach der dritten zum zwei- tenmal: bei den übrigen nur Einmal, nach dem lezten Ver- leugnungsakt. Während mit diesem Datum Johannes sei- ne Darstellung beschliesst, fügen Matthäus und Markus noch hinzu, dass Petrus bei dem Hahnenschrei sich der Voraussagung Jesu erinnert und geweint habe; Lukas aber hat die eigenthümliche Ausführung, dass bei'm Krähen des Hahns Jesus sich umgewendet, und den Petrus angesehen habe, worauf dieser, der Voraussage Jesu eingedenk, in bitteres Weinen ausgebrochen sei. Da nun aber nach den beiden ersten Evangelisten Petrus nicht in demselben Lo- kal mit Jesu, sondern exo (Matth. V. 69.) oder kato (Marc. V. 66.) en te aule, also Jesus innen oder oben im Palast war, so muss man fragen, wie denn Jesus die Verleugnun- gen des Petrus habe mit anhören, und hierauf ihn ansehen können? Auf das Leztere bekommt man gewöhnlich die Antwort, Jesus sei jezt eben aus dem Palast des Annas in den des Kaiphas abgeführt worden, und habe im Vor-
Dritter Abschnitt.
streben der Evangelisten bemerklich macht, eben eine drei- fache Ableugnung herauszubringen. Dieses Streben haben sie zunächst mit Rücksicht auf die Vorhersagung Jesu: allein, daſs dieser gerade so bestimmt von drei Verleugnungs- fällen gesprochen haben sollte, ist ebenso unwahrschein- lich, als daſs er, wenn er den Ausdruck: τρὶς, gebrauchte, dieſs bloſs sprüchwörtlich gemeint habe. Sondern beide Dreizahlen sind wohl auch hier, wie sonst so oft, in der Sage entstanden, so daſs, was an jenem Abend vielleicht zu wiederholten Malen (nur nicht 8—9 mal) vorgekommen war, auf dreimal fixirt, und demgemäſs auch Jesu eine Vorherverkündigung eben dieser Zahl von Verleugnungen in den Mund gelegt wurde.
Den Endpunkt und gleichsam die Katastrophe der ganzen Verleugnungsgeschichte führt nach allen Berichten der Vorhersagung Jesu gemäſs das Krähen des Hahns her- bei. Nach Markus kräht derselbe schon nach der ersten Verleugnung (V. 68.), und dann nach der dritten zum zwei- tenmal: bei den übrigen nur Einmal, nach dem lezten Ver- leugnungsakt. Während mit diesem Datum Johannes sei- ne Darstellung beschlieſst, fügen Matthäus und Markus noch hinzu, daſs Petrus bei dem Hahnenschrei sich der Voraussagung Jesu erinnert und geweint habe; Lukas aber hat die eigenthümliche Ausführung, daſs bei'm Krähen des Hahns Jesus sich umgewendet, und den Petrus angesehen habe, worauf dieser, der Voraussage Jesu eingedenk, in bitteres Weinen ausgebrochen sei. Da nun aber nach den beiden ersten Evangelisten Petrus nicht in demselben Lo- kal mit Jesu, sondern ἔξω (Matth. V. 69.) oder κάτω (Marc. V. 66.) ἐν τῇ αὐλῇ, also Jesus innen oder oben im Palast war, so muſs man fragen, wie denn Jesus die Verleugnun- gen des Petrus habe mit anhören, und hierauf ihn ansehen können? Auf das Leztere bekommt man gewöhnlich die Antwort, Jesus sei jezt eben aus dem Palast des Annas in den des Kaiphas abgeführt worden, und habe im Vor-
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Dritter Abschnitt.
streben der Evangelisten bemerklich macht, eben eine drei-
fache Ableugnung herauszubringen. Dieses Streben haben
sie zunächst mit Rücksicht auf die Vorhersagung Jesu:
allein, daſs dieser gerade so bestimmt von drei Verleugnungs-
fällen gesprochen haben sollte, ist ebenso unwahrschein-
lich, als daſs er, wenn er den Ausdruck: τρὶς, gebrauchte,
dieſs bloſs sprüchwörtlich gemeint habe. Sondern beide
Dreizahlen sind wohl auch hier, wie sonst so oft, in der
Sage entstanden, so daſs, was an jenem Abend vielleicht
zu wiederholten Malen (nur nicht 8—9 mal) vorgekommen
war, auf dreimal fixirt, und demgemäſs auch Jesu eine
Vorherverkündigung eben dieser Zahl von Verleugnungen
in den Mund gelegt wurde.
Den Endpunkt und gleichsam die Katastrophe der
ganzen Verleugnungsgeschichte führt nach allen Berichten
der Vorhersagung Jesu gemäſs das Krähen des Hahns her-
bei. Nach Markus kräht derselbe schon nach der ersten
Verleugnung (V. 68.), und dann nach der dritten zum zwei-
tenmal: bei den übrigen nur Einmal, nach dem lezten Ver-
leugnungsakt. Während mit diesem Datum Johannes sei-
ne Darstellung beschlieſst, fügen Matthäus und Markus
noch hinzu, daſs Petrus bei dem Hahnenschrei sich der
Voraussagung Jesu erinnert und geweint habe; Lukas aber
hat die eigenthümliche Ausführung, daſs bei'm Krähen des
Hahns Jesus sich umgewendet, und den Petrus angesehen
habe, worauf dieser, der Voraussage Jesu eingedenk, in
bitteres Weinen ausgebrochen sei. Da nun aber nach den
beiden ersten Evangelisten Petrus nicht in demselben Lo-
kal mit Jesu, sondern ἔξω (Matth. V. 69.) oder κάτω (Marc.
V. 66.) ἐν τῇ αὐλῇ, also Jesus innen oder oben im Palast
war, so muſs man fragen, wie denn Jesus die Verleugnun-
gen des Petrus habe mit anhören, und hierauf ihn ansehen
können? Auf das Leztere bekommt man gewöhnlich die
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Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836, S. 496. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus02_1836/515>, abgerufen am 22.11.2024.
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