Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836.Dritter Abschnitt. dung der Sache Jesu und die hohenpriesterliche Diener-schaft, die ihn umgab, den entstandenen und wiederholt geäusserten Verdacht, dass er zu den Anhängern des ver- hafteten Galiläers gehöre, durch wiederholte Versicherun- gen, ihn nicht zu kennen, niederzuschlagen suchte. Doch, wie bereits angedeutet, schon in Bezug auf den Inhaber dieses Lokals findet eine Abweichung zwischen dem vier- ten Evangelium und den übrigen statt, indem die Verleug- nung nach diesen im Palast des regierenden Hohenpriesters, Kaiphas, vorgeht, nach jenem im Palaste des Annas we- nigstens begonnen, und wahrscheinlich auch fortgesezt wird. Entschieden fällt bei Johannes die erste Verleugnung (18, 17.), wenn wir die im lezten §. beurtheilten Ausgleichungs- versuche als abgethan betrachten, während des Verhörs vor Annas, da sie nach der Notiz, dass Jesus zu Annas (V. 13.), und vor der, dass er zu Kaiphas geführt worden sei (V. 24.), steht; da nun aber die zwei weiteren Akte der Verleugnung auf die Erwähnung der Abführung zu Kaiphas erst folgen (V. 25--27.), und unmittelbar nach ihnen die Ablieferung an den Pilatus erzählt wird (V. 28.): so scheinen der zweite und dritte Verleugnungsakt auch nach Johannes während des Verhörs vor Kaiphas, in des- sen Palaste, vorgegangen zu sein. Allein diese Verschie- denheit der Lokalität für die erste Verleugnung und die beiden folgenden, welche ein theilweises Zusammentreffen des vierten Evangeliums mit den übrigen wäre, hat in der johanneischen Darstellung selbst ein Hinderniss. Nachdem die erste, schon an der Pforte des Palastes von Annas vor- gefallene Verleugnung gemeldet ist, heisst es, die Diener- schaft habe sich der Kälte wegen ein Kohlenfeuer ange- macht, en de kai met auton o Petros esos kai thermaino- menos (V. 18.). Wenn nun später die Erzählung von der zweiten und dritten Verleugnung fast mit den nämlichen Worten: en de Simon Petros esos kai thermainomenos (V. 25.) sich eröffnet: so kann man nicht anders denken, als durch Dritter Abschnitt. dung der Sache Jesu und die hohenpriesterliche Diener-schaft, die ihn umgab, den entstandenen und wiederholt geäusserten Verdacht, daſs er zu den Anhängern des ver- hafteten Galiläers gehöre, durch wiederholte Versicherun- gen, ihn nicht zu kennen, niederzuschlagen suchte. Doch, wie bereits angedeutet, schon in Bezug auf den Inhaber dieses Lokals findet eine Abweichung zwischen dem vier- ten Evangelium und den übrigen statt, indem die Verleug- nung nach diesen im Palast des regierenden Hohenpriesters, Kaiphas, vorgeht, nach jenem im Palaste des Annas we- nigstens begonnen, und wahrscheinlich auch fortgesezt wird. Entschieden fällt bei Johannes die erste Verleugnung (18, 17.), wenn wir die im lezten §. beurtheilten Ausgleichungs- versuche als abgethan betrachten, während des Verhörs vor Annas, da sie nach der Notiz, daſs Jesus zu Annas (V. 13.), und vor der, daſs er zu Kaiphas geführt worden sei (V. 24.), steht; da nun aber die zwei weiteren Akte der Verleugnung auf die Erwähnung der Abführung zu Kaiphas erst folgen (V. 25—27.), und unmittelbar nach ihnen die Ablieferung an den Pilatus erzählt wird (V. 28.): so scheinen der zweite und dritte Verleugnungsakt auch nach Johannes während des Verhörs vor Kaiphas, in des- sen Palaste, vorgegangen zu sein. Allein diese Verschie- denheit der Lokalität für die erste Verleugnung und die beiden folgenden, welche ein theilweises Zusammentreffen des vierten Evangeliums mit den übrigen wäre, hat in der johanneischen Darstellung selbst ein Hinderniſs. Nachdem die erste, schon an der Pforte des Palastes von Annas vor- gefallene Verleugnung gemeldet ist, heiſst es, die Diener- schaft habe sich der Kälte wegen ein Kohlenfeuer ange- macht, ἠν δὲ καὶ μετ̕ αὐτῶν ὁ Πέτρος ἑςὼς καὶ ϑερμαινό- μενος (V. 18.). Wenn nun später die Erzählung von der zweiten und dritten Verleugnung fast mit den nämlichen Worten: ἦν δὲ Σίμων Πέτρος ἑςὼς καὶ ϑερμαινόμενος (V. 25.) sich eröffnet: so kann man nicht anders denken, als durch <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0509" n="490"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Dritter Abschnitt</hi>.</fw><lb/> dung der Sache Jesu und die hohenpriesterliche Diener-<lb/> schaft, die ihn umgab, den entstandenen und wiederholt<lb/> geäusserten Verdacht, daſs er zu den Anhängern des ver-<lb/> hafteten Galiläers gehöre, durch wiederholte Versicherun-<lb/> gen, ihn nicht zu kennen, niederzuschlagen suchte. 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Dritter Abschnitt.
dung der Sache Jesu und die hohenpriesterliche Diener-
schaft, die ihn umgab, den entstandenen und wiederholt
geäusserten Verdacht, daſs er zu den Anhängern des ver-
hafteten Galiläers gehöre, durch wiederholte Versicherun-
gen, ihn nicht zu kennen, niederzuschlagen suchte. Doch,
wie bereits angedeutet, schon in Bezug auf den Inhaber
dieses Lokals findet eine Abweichung zwischen dem vier-
ten Evangelium und den übrigen statt, indem die Verleug-
nung nach diesen im Palast des regierenden Hohenpriesters,
Kaiphas, vorgeht, nach jenem im Palaste des Annas we-
nigstens begonnen, und wahrscheinlich auch fortgesezt wird.
Entschieden fällt bei Johannes die erste Verleugnung (18,
17.), wenn wir die im lezten §. beurtheilten Ausgleichungs-
versuche als abgethan betrachten, während des Verhörs
vor Annas, da sie nach der Notiz, daſs Jesus zu Annas
(V. 13.), und vor der, daſs er zu Kaiphas geführt worden
sei (V. 24.), steht; da nun aber die zwei weiteren Akte
der Verleugnung auf die Erwähnung der Abführung zu
Kaiphas erst folgen (V. 25—27.), und unmittelbar nach
ihnen die Ablieferung an den Pilatus erzählt wird (V. 28.):
so scheinen der zweite und dritte Verleugnungsakt auch
nach Johannes während des Verhörs vor Kaiphas, in des-
sen Palaste, vorgegangen zu sein. Allein diese Verschie-
denheit der Lokalität für die erste Verleugnung und die
beiden folgenden, welche ein theilweises Zusammentreffen
des vierten Evangeliums mit den übrigen wäre, hat in der
johanneischen Darstellung selbst ein Hinderniſs. Nachdem
die erste, schon an der Pforte des Palastes von Annas vor-
gefallene Verleugnung gemeldet ist, heiſst es, die Diener-
schaft habe sich der Kälte wegen ein Kohlenfeuer ange-
macht, ἠν δὲ καὶ μετ̕ αὐτῶν ὁ Πέτρος ἑςὼς καὶ ϑερμαινό-
μενος (V. 18.). Wenn nun später die Erzählung von der
zweiten und dritten Verleugnung fast mit den nämlichen
Worten: ἦν δὲ Σίμων Πέτρος ἑςὼς καὶ ϑερμαινόμενος (V. 25.)
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