tische Auslegung so weit, wie hier bei Olshausen, verder- ben sollte. Auf die gedachte Erklärung Jesu zerreisst nach Matthäus und Markus der Hohepriester seine Kleider, er- klärt Jesum der Blasphemie für überwiesen, und die Ver- sammlung erkennt ihn des Todes schuldig, wie auch nach Lukas die Versammelten bemerken, nun brauche es kein weiteres Zeugniss mehr, da die verbrecherische Aussage von Jesu selbst vor ihren Ohren gethan worden sei.
Hieran schliesst sich dann bei den beiden ersten Evan- gelisten die Misshandlung Jesu, welche Lukas schon vor das Verhör, Johannes in das Verhör des Annas verlegt, -- wahrscheinlicher, weil man nicht mehr genau wusste, wo diese Misshandlungen vorgefallen waren, als weil sie zu verschiedenen Zeiten und unter verschiedenen Verhältnis- sen wiederholt worden wären. Die Verübung dieser Miss- handlungen wird bei Johannes und Lukas ausdrücklich dort einem uperetes, hier den andres sunekhontes ton I. zu- geschrieben; dagegen müssen bei Markus, wenn er im Folgenden die uperetas von ihnen unterscheidet, die tines emptuontes einige von den pantes sein, welche ihn eben vorher verurtheilt hatten, und auch bei Matthäus, der, oh- ne ein neues Subjekt zu setzen, nur durch tote erxanto fortfährt, sind es offenbar die Synedristen selbst, welche sich jene unwürdigen Handlungen erlauben, was Schleier- macher mit Recht unwahrscheinlich gefunden, und insofern die Darstellung des Lukas der des Matthäus vorgezogen hat 7). Die Misshandlung besteht bei Johannes in einem Backenstreich (Rapisma), welchen ein Diener, wegen einer vermeintlich unbescheidenen Rede gegen den Hohenprie- ster, Jesu giebt; bei Matthäus und Markus ist es Ver- speiung des Angesichts (eneptusan eis to prosopon autou), Schläge auf den Kopf und Backenstreiche, wozu, auch nach Lukas, das kam, dass er bei verhülltem Haupt ge-
7) a. a. O.
Drittes Kapitel. §. 124.
tische Auslegung so weit, wie hier bei Olshausen, verder- ben sollte. Auf die gedachte Erklärung Jesu zerreiſst nach Matthäus und Markus der Hohepriester seine Kleider, er- klärt Jesum der Blasphemie für überwiesen, und die Ver- sammlung erkennt ihn des Todes schuldig, wie auch nach Lukas die Versammelten bemerken, nun brauche es kein weiteres Zeugniſs mehr, da die verbrecherische Aussage von Jesu selbst vor ihren Ohren gethan worden sei.
Hieran schlieſst sich dann bei den beiden ersten Evan- gelisten die Miſshandlung Jesu, welche Lukas schon vor das Verhör, Johannes in das Verhör des Annas verlegt, — wahrscheinlicher, weil man nicht mehr genau wuſste, wo diese Miſshandlungen vorgefallen waren, als weil sie zu verschiedenen Zeiten und unter verschiedenen Verhältnis- sen wiederholt worden wären. Die Verübung dieser Miſs- handlungen wird bei Johannes und Lukas ausdrücklich dort einem ὑπηρέτης, hier den ἄνδρες συνέχοντες τὸν Ἰ. zu- geschrieben; dagegen müssen bei Markus, wenn er im Folgenden die ὑπηρέτας von ihnen unterscheidet, die τινὲς ἐμπτύοντες einige von den πάντες sein, welche ihn eben vorher verurtheilt hatten, und auch bei Matthäus, der, oh- ne ein neues Subjekt zu setzen, nur durch τότε ἤρξαντο fortfährt, sind es offenbar die Synedristen selbst, welche sich jene unwürdigen Handlungen erlauben, was Schleier- macher mit Recht unwahrscheinlich gefunden, und insofern die Darstellung des Lukas der des Matthäus vorgezogen hat 7). Die Miſshandlung besteht bei Johannes in einem Backenstreich (ῥάπισμα), welchen ein Diener, wegen einer vermeintlich unbescheidenen Rede gegen den Hohenprie- ster, Jesu giebt; bei Matthäus und Markus ist es Ver- speiung des Angesichts (ἐνέπτυσαν εἰς τὸ πρόσωπον αὐτοῦ), Schläge auf den Kopf und Backenstreiche, wozu, auch nach Lukas, das kam, daſs er bei verhülltem Haupt ge-
7) a. a. O.
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Drittes Kapitel. §. 124.
tische Auslegung so weit, wie hier bei Olshausen, verder-
ben sollte. Auf die gedachte Erklärung Jesu zerreiſst nach
Matthäus und Markus der Hohepriester seine Kleider, er-
klärt Jesum der Blasphemie für überwiesen, und die Ver-
sammlung erkennt ihn des Todes schuldig, wie auch nach
Lukas die Versammelten bemerken, nun brauche es kein
weiteres Zeugniſs mehr, da die verbrecherische Aussage
von Jesu selbst vor ihren Ohren gethan worden sei.
Hieran schlieſst sich dann bei den beiden ersten Evan-
gelisten die Miſshandlung Jesu, welche Lukas schon vor
das Verhör, Johannes in das Verhör des Annas verlegt, —
wahrscheinlicher, weil man nicht mehr genau wuſste, wo
diese Miſshandlungen vorgefallen waren, als weil sie zu
verschiedenen Zeiten und unter verschiedenen Verhältnis-
sen wiederholt worden wären. Die Verübung dieser Miſs-
handlungen wird bei Johannes und Lukas ausdrücklich
dort einem ὑπηρέτης, hier den ἄνδρες συνέχοντες τὸν Ἰ. zu-
geschrieben; dagegen müssen bei Markus, wenn er im
Folgenden die ὑπηρέτας von ihnen unterscheidet, die τινὲς
ἐμπτύοντες einige von den πάντες sein, welche ihn eben
vorher verurtheilt hatten, und auch bei Matthäus, der, oh-
ne ein neues Subjekt zu setzen, nur durch τότε ἤρξαντο
fortfährt, sind es offenbar die Synedristen selbst, welche
sich jene unwürdigen Handlungen erlauben, was Schleier-
macher mit Recht unwahrscheinlich gefunden, und insofern
die Darstellung des Lukas der des Matthäus vorgezogen
hat 7). Die Miſshandlung besteht bei Johannes in einem
Backenstreich (ῥάπισμα), welchen ein Diener, wegen einer
vermeintlich unbescheidenen Rede gegen den Hohenprie-
ster, Jesu giebt; bei Matthäus und Markus ist es Ver-
speiung des Angesichts (ἐνέπτυσαν εἰς τὸ πρόσωπον αὐτοῦ),
Schläge auf den Kopf und Backenstreiche, wozu, auch
nach Lukas, das kam, daſs er bei verhülltem Haupt ge-
7) a. a. O.
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Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836, S. 487. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus02_1836/506>, abgerufen am 22.11.2024.
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