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Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836.

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Dritter Abschnitt.
rathen, dass nämlich Johannes die Vorgänge in Gethsema-
ne desswegen übergehe, um nicht durch Erwähnung des
stärkenden Engels der ebionitischen Meinung Vorschub zu
thun, das Höhere in Christo sei ein Engel gewesen, der
sich mit ihm bei der Taufe verbunden habe, und damals,
vor dem Antritt des Leidens, wie man glauben konnte,
wieder von ihm geschieden sei 3). Allein, auch abgesehen
davon, dass wir diese Hypothese schon sonst als unzurei-
chend gefunden haben, die Auslassungen im johanneischen
Evangelium zu erklären, so musste Johannes, wenn er ei-
ne engere Beziehung Jesu auf Engel vermeiden wollte,
auch noch andere Stellen aus seinem Evangelium weglas-
sen: vor allen, worauf Lücke aufmerksam macht 4), 1, 52.
den Ausspruch von den über ihm auf- und absteigenden
Engeln, dann aber auch das, zwar nur als Vermuthung
etlicher Umstehenden gegebene, aggelos auto lelaleken
12, 29. Nahm er aber aus irgend einem Grunde an dem
Engel im Garten ganz besondern Anstoss: so konnte doch
hierin nur ein Grund liegen, mit Matthäus und Markus
die Dazwischenkunft des Engels, nicht aber die ganze, von
der Angelophanie wohl trennbare Geschichte wegzulassen.

Will sich nun schon das Fehlen der Begebenheit bei
Johannes nicht erklären lassen: so wächst die Schwierig-
keit, wenn wir dasjenige erwägen, was derselbe statt die-
ser Scene im Garten über die Stimmung Jesu in den lez-
ten Stunden vor seiner Gefangennehmung mittheilt. Näm-
lich an der gleichen Stelle zwar, welche die Synoptiker
dem Seelenkampf anweisen, hat Johannes nichts, indem er
nach Jesu Ankunft im Garten sogleich die Verhaftung er-
folgen lässt: aber unmittelbar vorher, bei und nach dem
lezten Mahl, hat er Reden, von einer Stimmung beseelt,
auf welche dergleichen Scenen, wie sie laut der synopti-

3) Schneckenburger, Beiträge, S. 65 f.
4) Comm. 1, S. 177 f.

Dritter Abschnitt.
rathen, daſs nämlich Johannes die Vorgänge in Gethsema-
ne deſswegen übergehe, um nicht durch Erwähnung des
stärkenden Engels der ebionitischen Meinung Vorschub zu
thun, das Höhere in Christo sei ein Engel gewesen, der
sich mit ihm bei der Taufe verbunden habe, und damals,
vor dem Antritt des Leidens, wie man glauben konnte,
wieder von ihm geschieden sei 3). Allein, auch abgesehen
davon, daſs wir diese Hypothese schon sonst als unzurei-
chend gefunden haben, die Auslassungen im johanneischen
Evangelium zu erklären, so muſste Johannes, wenn er ei-
ne engere Beziehung Jesu auf Engel vermeiden wollte,
auch noch andere Stellen aus seinem Evangelium weglas-
sen: vor allen, worauf Lücke aufmerksam macht 4), 1, 52.
den Ausspruch von den über ihm auf- und absteigenden
Engeln, dann aber auch das, zwar nur als Vermuthung
etlicher Umstehenden gegebene, ἄγγελος αὐτῷ λελάληκεν
12, 29. Nahm er aber aus irgend einem Grunde an dem
Engel im Garten ganz besondern Anstoſs: so konnte doch
hierin nur ein Grund liegen, mit Matthäus und Markus
die Dazwischenkunft des Engels, nicht aber die ganze, von
der Angelophanie wohl trennbare Geschichte wegzulassen.

Will sich nun schon das Fehlen der Begebenheit bei
Johannes nicht erklären lassen: so wächst die Schwierig-
keit, wenn wir dasjenige erwägen, was derselbe statt die-
ser Scene im Garten über die Stimmung Jesu in den lez-
ten Stunden vor seiner Gefangennehmung mittheilt. Näm-
lich an der gleichen Stelle zwar, welche die Synoptiker
dem Seelenkampf anweisen, hat Johannes nichts, indem er
nach Jesu Ankunft im Garten sogleich die Verhaftung er-
folgen läſst: aber unmittelbar vorher, bei und nach dem
lezten Mahl, hat er Reden, von einer Stimmung beseelt,
auf welche dergleichen Scenen, wie sie laut der synopti-

3) Schneckenburger, Beiträge, S. 65 f.
4) Comm. 1, S. 177 f.
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[456/0475] Dritter Abschnitt. rathen, daſs nämlich Johannes die Vorgänge in Gethsema- ne deſswegen übergehe, um nicht durch Erwähnung des stärkenden Engels der ebionitischen Meinung Vorschub zu thun, das Höhere in Christo sei ein Engel gewesen, der sich mit ihm bei der Taufe verbunden habe, und damals, vor dem Antritt des Leidens, wie man glauben konnte, wieder von ihm geschieden sei 3). Allein, auch abgesehen davon, daſs wir diese Hypothese schon sonst als unzurei- chend gefunden haben, die Auslassungen im johanneischen Evangelium zu erklären, so muſste Johannes, wenn er ei- ne engere Beziehung Jesu auf Engel vermeiden wollte, auch noch andere Stellen aus seinem Evangelium weglas- sen: vor allen, worauf Lücke aufmerksam macht 4), 1, 52. den Ausspruch von den über ihm auf- und absteigenden Engeln, dann aber auch das, zwar nur als Vermuthung etlicher Umstehenden gegebene, ἄγγελος αὐτῷ λελάληκεν 12, 29. Nahm er aber aus irgend einem Grunde an dem Engel im Garten ganz besondern Anstoſs: so konnte doch hierin nur ein Grund liegen, mit Matthäus und Markus die Dazwischenkunft des Engels, nicht aber die ganze, von der Angelophanie wohl trennbare Geschichte wegzulassen. Will sich nun schon das Fehlen der Begebenheit bei Johannes nicht erklären lassen: so wächst die Schwierig- keit, wenn wir dasjenige erwägen, was derselbe statt die- ser Scene im Garten über die Stimmung Jesu in den lez- ten Stunden vor seiner Gefangennehmung mittheilt. Näm- lich an der gleichen Stelle zwar, welche die Synoptiker dem Seelenkampf anweisen, hat Johannes nichts, indem er nach Jesu Ankunft im Garten sogleich die Verhaftung er- folgen läſst: aber unmittelbar vorher, bei und nach dem lezten Mahl, hat er Reden, von einer Stimmung beseelt, auf welche dergleichen Scenen, wie sie laut der synopti- 3) Schneckenburger, Beiträge, S. 65 f. 4) Comm. 1, S. 177 f.

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Zitationshilfe: Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836, S. 456. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus02_1836/475>, abgerufen am 22.11.2024.