Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836.Dritter Abschnitt. Erfolg vermuthen müssen. Spricht nun Jesus bei derDarreichung des Brotes und Kelches so bestimmt von dem, was ihm bevorstand, als ob es schon geschehen wäre: wie, wenn wir hier wirklich nur die Worte von solchen hät- ten, denen der Tod Jesu ein schon Geschehenes war, und welche nun ihre Gedanken über denselben dem scheiden- den Meister in den Mund legten? Wein und Brot hatte Jesus, wenn er wirklich noch das Pascha mit seinen Jün- gern feierte, sammt dem Fleisch des Lamms ihnen ausge- theilt, und nach jüdischer Sitte erklärende Worte dazu ge- sprochen, welche der Erinnerung an den Auszug aus Ägyp- ten gewidmet waren 7). Als nun so überraschend schnell auf jenes Pascha der gewaltsame Tod Jesu gefolgt war: da wurde seinen Anhängern am Paschafest eben das das Wich- tigste, dass es Jesus noch kurz vor seinem Tode mit ihnen gefeiert hatte; die Erklärungen, welche er ihnen nach der Sitte des Festes von dem alten Ursprung desselben gegeben hatte, fielen hinweg, und an ihre Stelle traten Erklärun- gen, welche gleichsam den neuen, christlichen Ursprung dieser Feier, nämlich den Tod Jesu, betrafen. Der ersten Christengemeinde war hinfort das am Pascha gebrochene Brot nicht mehr Erinnerung an die Drangsal ihrer Väter in Ägypten, sondern an die Leiden ihres Messias, ebenso war der Becher ein kvm hbrkh für sie insofern, als sie in seinem rothen Weine das vergossene Blut ihres Messias er- 7) 2 Mos. 12, 26 f. ist den Israeliten geboten, wenn ihre Kinder
sie fragen werden, was sie da feiern, sollen sie antworten: es ist das Paschaopfer Jehova's, der die Kinder Israel ver- schonte in Ägypten, u. s. f. Diess wurde nun zum Ritual bei der Paschafeier, s. Lightfoot, p. 475 f.: admovetur ite- Dritter Abschnitt. Erfolg vermuthen müssen. Spricht nun Jesus bei derDarreichung des Brotes und Kelches so bestimmt von dem, was ihm bevorstand, als ob es schon geschehen wäre: wie, wenn wir hier wirklich nur die Worte von solchen hät- ten, denen der Tod Jesu ein schon Geschehenes war, und welche nun ihre Gedanken über denselben dem scheiden- den Meister in den Mund legten? Wein und Brot hatte Jesus, wenn er wirklich noch das Pascha mit seinen Jün- gern feierte, sammt dem Fleisch des Lamms ihnen ausge- theilt, und nach jüdischer Sitte erklärende Worte dazu ge- sprochen, welche der Erinnerung an den Auszug aus Ägyp- ten gewidmet waren 7). Als nun so überraschend schnell auf jenes Pascha der gewaltsame Tod Jesu gefolgt war: da wurde seinen Anhängern am Paschafest eben das das Wich- tigste, daſs es Jesus noch kurz vor seinem Tode mit ihnen gefeiert hatte; die Erklärungen, welche er ihnen nach der Sitte des Festes von dem alten Ursprung desselben gegeben hatte, fielen hinweg, und an ihre Stelle traten Erklärun- gen, welche gleichsam den neuen, christlichen Ursprung dieser Feier, nämlich den Tod Jesu, betrafen. Der ersten Christengemeinde war hinfort das am Pascha gebrochene Brot nicht mehr Erinnerung an die Drangsal ihrer Väter in Ägypten, sondern an die Leiden ihres Messias, ebenso war der Becher ein כום הברכה für sie insofern, als sie in seinem rothen Weine das vergossene Blut ihres Messias er- 7) 2 Mos. 12, 26 f. ist den Israëliten geboten, wenn ihre Kinder
sie fragen werden, was sie da feiern, sollen sie antworten: es ist das Paschaopfer Jehova's, der die Kinder Israël ver- schonte in Ägypten, u. s. f. Diess wurde nun zum Ritual bei der Paschafeier, s. Lightfoot, p. 475 f.: admovetur ite- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0459" n="440"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Dritter Abschnitt</hi>.</fw><lb/> Erfolg vermuthen müssen. Spricht nun Jesus bei der<lb/> Darreichung des Brotes und Kelches so bestimmt von dem,<lb/> was ihm bevorstand, als ob es schon geschehen wäre: wie,<lb/> wenn wir hier wirklich nur die Worte von solchen hät-<lb/> ten, denen der Tod Jesu ein schon Geschehenes war, und<lb/> welche nun ihre Gedanken über denselben dem scheiden-<lb/> den Meister in den Mund legten? Wein und Brot hatte<lb/> Jesus, wenn er wirklich noch das Pascha mit seinen Jün-<lb/> gern feierte, sammt dem Fleisch des Lamms ihnen ausge-<lb/> theilt, und nach jüdischer Sitte erklärende Worte dazu ge-<lb/> sprochen, welche der Erinnerung an den Auszug aus Ägyp-<lb/> ten gewidmet waren <note place="foot" n="7)">2 Mos. 12, 26 f. ist den Israëliten geboten, wenn ihre Kinder<lb/> sie fragen werden, was sie da feiern, sollen sie antworten:<lb/> es ist das Paschaopfer Jehova's, der die Kinder Israël ver-<lb/> schonte in Ägypten, u. s. f. Diess wurde nun zum Ritual<lb/> bei der Paschafeier, <cit><bibl>s. <hi rendition="#k">Lightfoot</hi>, p. 475 f.:</bibl><quote xml:lang="lat">admovetur ite-<lb/> rum mensa, et tum dicit ille (pater familiâs): hoc est Pa-<lb/> scha, quod comedimus ideo, quia Deus transiit per domos<lb/> patrum nostrorum in Aegypto. — Elevat manu sua azyma et<lb/> dicit: azyma haec comedimus, quia non erat spatium fari-<lb/> nae conspersae patrum nostrorum ut fermentaretur etc.</quote></cit></note>. Als nun so überraschend schnell<lb/> auf jenes Pascha der gewaltsame Tod Jesu gefolgt war: da<lb/> wurde seinen Anhängern am Paschafest eben das das Wich-<lb/> tigste, daſs es Jesus noch kurz vor seinem Tode mit ihnen<lb/> gefeiert hatte; die Erklärungen, welche er ihnen nach der<lb/> Sitte des Festes von dem alten Ursprung desselben gegeben<lb/> hatte, fielen hinweg, und an ihre Stelle traten Erklärun-<lb/> gen, welche gleichsam den neuen, christlichen Ursprung<lb/> dieser Feier, nämlich den Tod Jesu, betrafen. Der ersten<lb/> Christengemeinde war hinfort das am Pascha gebrochene<lb/> Brot nicht mehr Erinnerung an die Drangsal ihrer Väter<lb/> in Ägypten, sondern an die Leiden ihres Messias, ebenso<lb/> war der Becher ein כום הברכה für sie insofern, als sie in<lb/> seinem rothen Weine das vergossene Blut ihres Messias er-<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [440/0459]
Dritter Abschnitt.
Erfolg vermuthen müssen. Spricht nun Jesus bei der
Darreichung des Brotes und Kelches so bestimmt von dem,
was ihm bevorstand, als ob es schon geschehen wäre: wie,
wenn wir hier wirklich nur die Worte von solchen hät-
ten, denen der Tod Jesu ein schon Geschehenes war, und
welche nun ihre Gedanken über denselben dem scheiden-
den Meister in den Mund legten? Wein und Brot hatte
Jesus, wenn er wirklich noch das Pascha mit seinen Jün-
gern feierte, sammt dem Fleisch des Lamms ihnen ausge-
theilt, und nach jüdischer Sitte erklärende Worte dazu ge-
sprochen, welche der Erinnerung an den Auszug aus Ägyp-
ten gewidmet waren 7). Als nun so überraschend schnell
auf jenes Pascha der gewaltsame Tod Jesu gefolgt war: da
wurde seinen Anhängern am Paschafest eben das das Wich-
tigste, daſs es Jesus noch kurz vor seinem Tode mit ihnen
gefeiert hatte; die Erklärungen, welche er ihnen nach der
Sitte des Festes von dem alten Ursprung desselben gegeben
hatte, fielen hinweg, und an ihre Stelle traten Erklärun-
gen, welche gleichsam den neuen, christlichen Ursprung
dieser Feier, nämlich den Tod Jesu, betrafen. Der ersten
Christengemeinde war hinfort das am Pascha gebrochene
Brot nicht mehr Erinnerung an die Drangsal ihrer Väter
in Ägypten, sondern an die Leiden ihres Messias, ebenso
war der Becher ein כום הברכה für sie insofern, als sie in
seinem rothen Weine das vergossene Blut ihres Messias er-
7) 2 Mos. 12, 26 f. ist den Israëliten geboten, wenn ihre Kinder
sie fragen werden, was sie da feiern, sollen sie antworten:
es ist das Paschaopfer Jehova's, der die Kinder Israël ver-
schonte in Ägypten, u. s. f. Diess wurde nun zum Ritual
bei der Paschafeier, s. Lightfoot, p. 475 f.:admovetur ite-
rum mensa, et tum dicit ille (pater familiâs): hoc est Pa-
scha, quod comedimus ideo, quia Deus transiit per domos
patrum nostrorum in Aegypto. — Elevat manu sua azyma et
dicit: azyma haec comedimus, quia non erat spatium fari-
nae conspersae patrum nostrorum ut fermentaretur etc.
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