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Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836.

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Dritter Abschnitt.
auch nach seinem Hingang von seinen Anhängern zum An-
denken an ihn gefeiert werden sollte? Hätten wir bloss die
Berichte der beiden ersten Evangelisten -- diess geben hier
selbst orthodoxe Theologen zu 2) -- so wäre kein entschei-
dender Grund zu der lezteren Annahme vorhanden: allein
entscheidend scheint bei Paulus und Lukas der Zusaz: touto
poieite eis ten emen anamnesin, welchem zufolge Jesus of-
fenbar die Absicht hatte, ein Gedächtnissmahl zu stiften,
das nach Paulus die Christen feiern sollten, akhris ou an
elthe. Allein eben von diesen Zusätzen hat man neuerlich
vermuthet, sie möchten nicht ursprünglich Worte Jesu ge-
wesen sein, sondern bei der Abendmahlsfeier in der ersten
Gemeinde möge der austheilende Vorsteher die Gemeinde-
glieder aufgefordert haben, dieses Mahl auch ferner zum
Andenken Christi zu wiederholen, und aus diesem urchrist-
lichen Ritual seien dann die Worte zu der Rede Jesu ge-
schlagen worden 3). Gegen diese Vermuthung sollte man
nicht mit Olshausen die Auctorität des Apostels Paulus in
der Überspannung geltend machen, dass laut seiner Versi-
cherung: paoelabon apo tou Kuriou, er hier aus einer un-
mittelbaren Offenbarung Christi, ja dass Christus selbst
hier aus ihm spreche: da doch, wie selbst Süskind zugege-
ben, und neuerlich Schulz auf's Bündigste bewiesen hat 4),
paralambanein apo tinos nicht ein unmittelbares Bekom-
men von einem, sondern nur ein mittelbares Überkommen
von einem her, also durch Überlieferung, bedeuten kann.
Hat aber Paulus jenen Zusaz nicht von Jesu selbst gehabt:
so glaubt zwar Süskind beweisen zu können, er müsse
ihm von einem Apostel mitgetheilt oder mindestens bestä-
tigt worden sein, und meint in der Weise seiner Schule

2) Süskind, in der Abhandlung: hat Jesus das Abendmahl als
einen mnemonischen Ritus angeordnet? in s. Magazin 11, S. 1 ff.
3) Paulus, ex. Handb. 3, b, S. 527.
4) Über das Abendmahl, S. 217 ff.

Dritter Abschnitt.
auch nach seinem Hingang von seinen Anhängern zum An-
denken an ihn gefeiert werden sollte? Hätten wir bloſs die
Berichte der beiden ersten Evangelisten — dieſs geben hier
selbst orthodoxe Theologen zu 2) — so wäre kein entschei-
dender Grund zu der lezteren Annahme vorhanden: allein
entscheidend scheint bei Paulus und Lukas der Zusaz: τοῦτο
ποιεῖτε εἰς τὴν ἐμὴν ἀνάμνησιν, welchem zufolge Jesus of-
fenbar die Absicht hatte, ein Gedächtniſsmahl zu stiften,
das nach Paulus die Christen feiern sollten, ἄχρις οὖ ἂν
ἔλϑη. Allein eben von diesen Zusätzen hat man neuerlich
vermuthet, sie möchten nicht ursprünglich Worte Jesu ge-
wesen sein, sondern bei der Abendmahlsfeier in der ersten
Gemeinde möge der austheilende Vorsteher die Gemeinde-
glieder aufgefordert haben, dieses Mahl auch ferner zum
Andenken Christi zu wiederholen, und aus diesem urchrist-
lichen Ritual seien dann die Worte zu der Rede Jesu ge-
schlagen worden 3). Gegen diese Vermuthung sollte man
nicht mit Olshausen die Auctorität des Apostels Paulus in
der Überspannung geltend machen, daſs laut seiner Versi-
cherung: παοέλαβον ἀπὸ τοῦ Κυρίου, er hier aus einer un-
mittelbaren Offenbarung Christi, ja daſs Christus selbst
hier aus ihm spreche: da doch, wie selbst Süskind zugege-
ben, und neuerlich Schulz auf's Bündigste bewiesen hat 4),
παραλαμβάνειν ἀπό τινος nicht ein unmittelbares Bekom-
men von einem, sondern nur ein mittelbares Überkommen
von einem her, also durch Überlieferung, bedeuten kann.
Hat aber Paulus jenen Zusaz nicht von Jesu selbst gehabt:
so glaubt zwar Süskind beweisen zu können, er müsse
ihm von einem Apostel mitgetheilt oder mindestens bestä-
tigt worden sein, und meint in der Weise seiner Schule

2) Süskind, in der Abhandlung: hat Jesus das Abendmahl als
einen mnemonischen Ritus angeordnet? in s. Magazin 11, S. 1 ff.
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[438/0457] Dritter Abschnitt. auch nach seinem Hingang von seinen Anhängern zum An- denken an ihn gefeiert werden sollte? Hätten wir bloſs die Berichte der beiden ersten Evangelisten — dieſs geben hier selbst orthodoxe Theologen zu 2) — so wäre kein entschei- dender Grund zu der lezteren Annahme vorhanden: allein entscheidend scheint bei Paulus und Lukas der Zusaz: τοῦτο ποιεῖτε εἰς τὴν ἐμὴν ἀνάμνησιν, welchem zufolge Jesus of- fenbar die Absicht hatte, ein Gedächtniſsmahl zu stiften, das nach Paulus die Christen feiern sollten, ἄχρις οὖ ἂν ἔλϑη. Allein eben von diesen Zusätzen hat man neuerlich vermuthet, sie möchten nicht ursprünglich Worte Jesu ge- wesen sein, sondern bei der Abendmahlsfeier in der ersten Gemeinde möge der austheilende Vorsteher die Gemeinde- glieder aufgefordert haben, dieses Mahl auch ferner zum Andenken Christi zu wiederholen, und aus diesem urchrist- lichen Ritual seien dann die Worte zu der Rede Jesu ge- schlagen worden 3). Gegen diese Vermuthung sollte man nicht mit Olshausen die Auctorität des Apostels Paulus in der Überspannung geltend machen, daſs laut seiner Versi- cherung: παοέλαβον ἀπὸ τοῦ Κυρίου, er hier aus einer un- mittelbaren Offenbarung Christi, ja daſs Christus selbst hier aus ihm spreche: da doch, wie selbst Süskind zugege- ben, und neuerlich Schulz auf's Bündigste bewiesen hat 4), παραλαμβάνειν ἀπό τινος nicht ein unmittelbares Bekom- men von einem, sondern nur ein mittelbares Überkommen von einem her, also durch Überlieferung, bedeuten kann. Hat aber Paulus jenen Zusaz nicht von Jesu selbst gehabt: so glaubt zwar Süskind beweisen zu können, er müsse ihm von einem Apostel mitgetheilt oder mindestens bestä- tigt worden sein, und meint in der Weise seiner Schule 2) Süskind, in der Abhandlung: hat Jesus das Abendmahl als einen mnemonischen Ritus angeordnet? in s. Magazin 11, S. 1 ff. 3) Paulus, ex. Handb. 3, b, S. 527. 4) Über das Abendmahl, S. 217 ff.

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Zitationshilfe: Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836, S. 438. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus02_1836/457>, abgerufen am 22.11.2024.