eis aphesin amartion, Paulus aber, was er und Lukas auch schon oben bei'm Brote hatten: touto poieite (Paulus bei'm Wein osakis an pinete) eis ten emen anamnesin).
Der Streit der Confessionen über die Bedeutung die- ser Worte, ob sie eine Verwandlung von Brot und Wein in den Leib und das Blut Christi, oder ein Vorhandensein von Leib und Blut Christi mit und unter jenen Elementen, oder endlich diess ausdrücken, dass Brot und Wein Chri- sti Leib und Blut bedeuten sollen, ist als obsolet zu be- zeichnen, und sollte wenigstens exegetisch desswegen nicht mehr nachgeführt werden, weil er auf einer unrichtigen Disjunktion beruht. Nur in der Übertragung in das ab- straktere Bewusstsein des Abendlandes und der neuern Zeit zerfällt dasjenige, was der alte Orientale sich unter sei- nem touio esi dachte, in jene verschiedenen Möglichkeiten der Bedeutung, welche wir, wenn wir den ursprünglichen Gedanken in uns nachbilden wollen, gar nicht auf diese Weise trennen dürfen. Erklärt man die fraglichen Worte von Verwandlung: so ist das zu viel und zu bestimmt; nimmt man sie von einer Existenz cum et sub specie etc.: so ist diess zu künstlich; übersezt man aber: diess bedeutet: so hat man zu wenig und zu nüchtern gedacht. Den Schrei- bern unsrer Evangelien war das Brot im Abendmahl der Leib Christi; aber hätte man sie gefragt, ob also das Bro- verwandelt sei? so würden sie es verneint; hätte man ih- nen von einem Genuss des Leibes mit und unter der Gestalt des Brots gesprochen: so würden sie diess nicht verstan- den; hätte man geschlossen, dass mithin das Brot den Leib bloss bedeute: so würden sie sich dadurch nicht be- friedigt gefunden haben.
Hierüber also verlohnt es sich nicht, weiter zu strei- ten; eher kann die Frage interessiren, ob Jesus jene ei- genthümlich bedeutsame Brot- und Weinaustheilung nur als einen Akt des Abschieds von seinen Jüngern, oder ob er dieselbe in der Absicht vorgenommen habe, dass sie
Zweites Kapitel. §. 120.
εἰς ἄφεσιν ἁμαρτιῶν, Paulus aber, was er und Lukas auch schon oben bei'm Brote hatten: τοῦτο ποιεῖτε (Paulus bei'm Wein ὁσάκις ἂν πίνητε) εἰς τὴν ἐμὴν ἀνάμνησιν).
Der Streit der Confessionen über die Bedeutung die- ser Worte, ob sie eine Verwandlung von Brot und Wein in den Leib und das Blut Christi, oder ein Vorhandensein von Leib und Blut Christi mit und unter jenen Elementen, oder endlich dieſs ausdrücken, daſs Brot und Wein Chri- sti Leib und Blut bedeuten sollen, ist als obsolet zu be- zeichnen, und sollte wenigstens exegetisch deſswegen nicht mehr nachgeführt werden, weil er auf einer unrichtigen Disjunktion beruht. Nur in der Übertragung in das ab- straktere Bewuſstsein des Abendlandes und der neuern Zeit zerfällt dasjenige, was der alte Orientale sich unter sei- nem τοῦιό ἐςι dachte, in jene verschiedenen Möglichkeiten der Bedeutung, welche wir, wenn wir den ursprünglichen Gedanken in uns nachbilden wollen, gar nicht auf diese Weise trennen dürfen. Erklärt man die fraglichen Worte von Verwandlung: so ist das zu viel und zu bestimmt; nimmt man sie von einer Existenz cum et sub specie etc.: so ist dieſs zu künstlich; übersezt man aber: dieſs bedeutet: so hat man zu wenig und zu nüchtern gedacht. Den Schrei- bern unsrer Evangelien war das Brot im Abendmahl der Leib Christi; aber hätte man sie gefragt, ob also das Bro- verwandelt sei? so würden sie es verneint; hätte man ih- nen von einem Genuſs des Leibes mit und unter der Gestalt des Brots gesprochen: so würden sie dieſs nicht verstan- den; hätte man geschlossen, daſs mithin das Brot den Leib bloſs bedeute: so würden sie sich dadurch nicht be- friedigt gefunden haben.
Hierüber also verlohnt es sich nicht, weiter zu strei- ten; eher kann die Frage interessiren, ob Jesus jene ei- genthümlich bedeutsame Brot- und Weinaustheilung nur als einen Akt des Abschieds von seinen Jüngern, oder ob er dieselbe in der Absicht vorgenommen habe, daſs sie
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Zweites Kapitel. §. 120.
εἰς ἄφεσιν ἁμαρτιῶν, Paulus aber, was er und Lukas auch
schon oben bei'm Brote hatten: τοῦτο ποιεῖτε (Paulus bei'm
Wein ὁσάκις ἂν πίνητε) εἰς τὴν ἐμὴν ἀνάμνησιν).
Der Streit der Confessionen über die Bedeutung die-
ser Worte, ob sie eine Verwandlung von Brot und Wein
in den Leib und das Blut Christi, oder ein Vorhandensein
von Leib und Blut Christi mit und unter jenen Elementen,
oder endlich dieſs ausdrücken, daſs Brot und Wein Chri-
sti Leib und Blut bedeuten sollen, ist als obsolet zu be-
zeichnen, und sollte wenigstens exegetisch deſswegen nicht
mehr nachgeführt werden, weil er auf einer unrichtigen
Disjunktion beruht. Nur in der Übertragung in das ab-
straktere Bewuſstsein des Abendlandes und der neuern Zeit
zerfällt dasjenige, was der alte Orientale sich unter sei-
nem τοῦιό ἐςι dachte, in jene verschiedenen Möglichkeiten
der Bedeutung, welche wir, wenn wir den ursprünglichen
Gedanken in uns nachbilden wollen, gar nicht auf diese
Weise trennen dürfen. Erklärt man die fraglichen Worte
von Verwandlung: so ist das zu viel und zu bestimmt;
nimmt man sie von einer Existenz cum et sub specie etc.:
so ist dieſs zu künstlich; übersezt man aber: dieſs bedeutet:
so hat man zu wenig und zu nüchtern gedacht. Den Schrei-
bern unsrer Evangelien war das Brot im Abendmahl der
Leib Christi; aber hätte man sie gefragt, ob also das Bro-
verwandelt sei? so würden sie es verneint; hätte man ih-
nen von einem Genuſs des Leibes mit und unter der Gestalt
des Brots gesprochen: so würden sie dieſs nicht verstan-
den; hätte man geschlossen, daſs mithin das Brot den
Leib bloſs bedeute: so würden sie sich dadurch nicht be-
friedigt gefunden haben.
Hierüber also verlohnt es sich nicht, weiter zu strei-
ten; eher kann die Frage interessiren, ob Jesus jene ei-
genthümlich bedeutsame Brot- und Weinaustheilung nur
als einen Akt des Abschieds von seinen Jüngern, oder ob
er dieselbe in der Absicht vorgenommen habe, daſs sie
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Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836, S. 437. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus02_1836/456>, abgerufen am 22.11.2024.
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