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Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836.

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Dritter Abschnitt.
hat immer etwas Unwahres und Widriges, was man auch
von zum Grunde liegenden Absichten, den Verräther noch zu
rühren u. dergl., erdenken mag. Endlich auch das o poieis,
poieson takhion, man mag es zu mildern suchen, wie man will 8),
ist doch immer hart, und mit einem gewissen Troz dem herein-
brechenden Schicksal gegenüber gesprochen, und ehe ich die
Worte durch irgend eine Künstelei als von Jesu gesprochene
rechtfertige, stimme ich lieber dem Verfasser der Probabilien
bei, welcher in denselben das Bestreben des vierten Evan-
gelisten sieht, die gewöhnliche Darstellung, welcher zu-
folge Jesus den Verrath vorauswusste und nicht hinderte,
durch die Wendung, er habe den Verräther sogar zur
Beschleunigung seines Vorhabens aufgefordert, zu über-
bieten 9).

Wie dem Judas den Verrath, so soll Jesus dem Pe-
trus die Verleugnung vorhergesagt haben, und zwar mit
der besonders genauen Zeitbestimmung, dass, ehe am näch-
sten Frühmorgen der Hahn (nach Markus zweimal) krähe,
Petrus ihn dreimal verleugnet haben werde (Matth. 26,
33 ff. parall.), was den Evangelien zufolge auf's Genauste
eingetroffen ist. Nicht mit Unrecht ist hier von rationa-
listischer Seite bemerkt worden, die Erstreckung der Se-
hergabe auf solche Nebenzüge, wie der Hahnenschrei, müs-
se Befremden erregen; ebenso, dass Jesus, statt zu war-
nen, vielmehr den Erfolg wie unvermeidlich vorhersage 10),
was allerdings ganz nach der Art des tragischen Fatums
der Griechen lautet, wo der Mensch in das ihm vom Ora-

8) s. Lücke und Tholuck, z. d. St.
9) p. 62: reliqui quidem narrant evangelistae, servatorem sci-
visse proditionis consilium, nec impedivisse; ipsum vero ex-
citasse Judam ad proditionem, nemo eorum dicit, neque con-
venit hoc Jesu.
10) Paulus, exeg. Handb. 3, b, S. 538. L. J. 1, b, S. 192. Hase,
L. J. §. 137.

Dritter Abschnitt.
hat immer etwas Unwahres und Widriges, was man auch
von zum Grunde liegenden Absichten, den Verräther noch zu
rühren u. dergl., erdenken mag. Endlich auch das ὃ ποιεῖς,
ποίησον τάχιον, man mag es zu mildern suchen, wie man will 8),
ist doch immer hart, und mit einem gewissen Troz dem herein-
brechenden Schicksal gegenüber gesprochen, und ehe ich die
Worte durch irgend eine Künstelei als von Jesu gesprochene
rechtfertige, stimme ich lieber dem Verfasser der Probabilien
bei, welcher in denselben das Bestreben des vierten Evan-
gelisten sieht, die gewöhnliche Darstellung, welcher zu-
folge Jesus den Verrath vorauswuſste und nicht hinderte,
durch die Wendung, er habe den Verräther sogar zur
Beschleunigung seines Vorhabens aufgefordert, zu über-
bieten 9).

Wie dem Judas den Verrath, so soll Jesus dem Pe-
trus die Verleugnung vorhergesagt haben, und zwar mit
der besonders genauen Zeitbestimmung, daſs, ehe am näch-
sten Frühmorgen der Hahn (nach Markus zweimal) krähe,
Petrus ihn dreimal verleugnet haben werde (Matth. 26,
33 ff. parall.), was den Evangelien zufolge auf's Genauste
eingetroffen ist. Nicht mit Unrecht ist hier von rationa-
listischer Seite bemerkt worden, die Erstreckung der Se-
hergabe auf solche Nebenzüge, wie der Hahnenschrei, müs-
se Befremden erregen; ebenso, daſs Jesus, statt zu war-
nen, vielmehr den Erfolg wie unvermeidlich vorhersage 10),
was allerdings ganz nach der Art des tragischen Fatums
der Griechen lautet, wo der Mensch in das ihm vom Ora-

8) s. Lücke und Tholuck, z. d. St.
9) p. 62: reliqui quidem narrant evangelistae, servatorem sci-
visse proditionis consilium, nec impedivisse; ipsum vero ex-
citâsse Judam ad proditionem, nemo eorum dicit, neque con-
venit hoc Jesu.
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[434/0453] Dritter Abschnitt. hat immer etwas Unwahres und Widriges, was man auch von zum Grunde liegenden Absichten, den Verräther noch zu rühren u. dergl., erdenken mag. Endlich auch das ὃ ποιεῖς, ποίησον τάχιον, man mag es zu mildern suchen, wie man will 8), ist doch immer hart, und mit einem gewissen Troz dem herein- brechenden Schicksal gegenüber gesprochen, und ehe ich die Worte durch irgend eine Künstelei als von Jesu gesprochene rechtfertige, stimme ich lieber dem Verfasser der Probabilien bei, welcher in denselben das Bestreben des vierten Evan- gelisten sieht, die gewöhnliche Darstellung, welcher zu- folge Jesus den Verrath vorauswuſste und nicht hinderte, durch die Wendung, er habe den Verräther sogar zur Beschleunigung seines Vorhabens aufgefordert, zu über- bieten 9). Wie dem Judas den Verrath, so soll Jesus dem Pe- trus die Verleugnung vorhergesagt haben, und zwar mit der besonders genauen Zeitbestimmung, daſs, ehe am näch- sten Frühmorgen der Hahn (nach Markus zweimal) krähe, Petrus ihn dreimal verleugnet haben werde (Matth. 26, 33 ff. parall.), was den Evangelien zufolge auf's Genauste eingetroffen ist. Nicht mit Unrecht ist hier von rationa- listischer Seite bemerkt worden, die Erstreckung der Se- hergabe auf solche Nebenzüge, wie der Hahnenschrei, müs- se Befremden erregen; ebenso, daſs Jesus, statt zu war- nen, vielmehr den Erfolg wie unvermeidlich vorhersage 10), was allerdings ganz nach der Art des tragischen Fatums der Griechen lautet, wo der Mensch in das ihm vom Ora- 8) s. Lücke und Tholuck, z. d. St. 9) p. 62: reliqui quidem narrant evangelistae, servatorem sci- visse proditionis consilium, nec impedivisse; ipsum vero ex- citâsse Judam ad proditionem, nemo eorum dicit, neque con- venit hoc Jesu. 10) Paulus, exeg. Handb. 3, b, S. 538. L. J. 1, b, S. 192. Hase, L. J. §. 137.

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Zitationshilfe: Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836, S. 434. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus02_1836/453>, abgerufen am 25.11.2024.