ben 4). Allein diese Demuthsreden kann nur ein verhär- tetes Vorurtheil für das vierte Evangelium für tiefer aus- geben, als dasjenige, was Jesus bei Einsetzung des Abend- mahls von dem Genusse seines Leibes und Blutes im Brot und Weine sagt.
Die Hauptsache ist nun aber, dass uns die Harmoni- sten nachweisen, wo denn Johannes, wenn er doch selbst voraussetzen soll, Jesus habe bei dieser lezten Mahlzeit das Abendmahl gestiftet, dieses übersprungen habe, -- dass sie uns in der johanneischen Darstellung dieses lezten Abends die Fuge zeigen, in welche sich jener Vorgang ein- passen lässt. Sehen wir uns in den Commentaren um, so scheint mehr als Eine Stelle sich zu solcher Einschiebung vortrefflich zu eignen. Olshausen meint, am Ende des 13ten Kapitels, nach der Verkündigung der Verleugnung des Petrus, sei die Stiftung des Abendmahls hineinzuden- ken: mit dieser habe sich die Mahlzeit geschlossen, und die folgenden Reden von 14, 1. an habe Jesus nach dem Aufbruch vom Tische stehend im Saale noch gesprochen 5). Allein hier scheint sich Olshausen, um zwischen 13, 38. und 14, 1. einen Ruhepunkt zu bekommen, der Täuschung hinzugeben, als ob das egeiresthe, agomen enteuthen, bei welchem er Jesum vom Tische sich erheben und das folgen- de noch stehend sprechen lässt, schon hier, am Ende des 13ten Kapitels, stände, da es doch erst am Ende des 14ten sich findet. An unsrer Stelle ist kein Raum, um eine Sce- ne wie das Abendmahl einzuschalten. Jesus hatte von sei- nem Hingang, wohin ihm die Seinigen nicht folgen könn- ten, gesprochen, und das vermessene Erbieten des Petrus, das Leben für ihn zu lassen, durch die Voraussage seiner Verleugnung zurückgewiesen: nun, 14, 1 ff., beruhigt er die hiedurch erschütterten Gemüther wieder, indem er sie
4)Sieffert, über den Urspr. S. 152.
5) 2, S. 310. 381 f.
27 *
Zweites Kapitel. §. 118.
ben 4). Allein diese Demuthsreden kann nur ein verhär- tetes Vorurtheil für das vierte Evangelium für tiefer aus- geben, als dasjenige, was Jesus bei Einsetzung des Abend- mahls von dem Genusse seines Leibes und Blutes im Brot und Weine sagt.
Die Hauptsache ist nun aber, daſs uns die Harmoni- sten nachweisen, wo denn Johannes, wenn er doch selbst voraussetzen soll, Jesus habe bei dieser lezten Mahlzeit das Abendmahl gestiftet, dieses übersprungen habe, — daſs sie uns in der johanneischen Darstellung dieses lezten Abends die Fuge zeigen, in welche sich jener Vorgang ein- passen läſst. Sehen wir uns in den Commentaren um, so scheint mehr als Eine Stelle sich zu solcher Einschiebung vortrefflich zu eignen. Olshausen meint, am Ende des 13ten Kapitels, nach der Verkündigung der Verleugnung des Petrus, sei die Stiftung des Abendmahls hineinzuden- ken: mit dieser habe sich die Mahlzeit geschlossen, und die folgenden Reden von 14, 1. an habe Jesus nach dem Aufbruch vom Tische stehend im Saale noch gesprochen 5). Allein hier scheint sich Olshausen, um zwischen 13, 38. und 14, 1. einen Ruhepunkt zu bekommen, der Täuschung hinzugeben, als ob das ἐγείρεσϑε, ἄγωμεν ἐντεῦϑεν, bei welchem er Jesum vom Tische sich erheben und das folgen- de noch stehend sprechen läſst, schon hier, am Ende des 13ten Kapitels, stände, da es doch erst am Ende des 14ten sich findet. An unsrer Stelle ist kein Raum, um eine Sce- ne wie das Abendmahl einzuschalten. Jesus hatte von sei- nem Hingang, wohin ihm die Seinigen nicht folgen könn- ten, gesprochen, und das vermessene Erbieten des Petrus, das Leben für ihn zu lassen, durch die Voraussage seiner Verleugnung zurückgewiesen: nun, 14, 1 ff., beruhigt er die hiedurch erschütterten Gemüther wieder, indem er sie
4)Sieffert, über den Urspr. S. 152.
5) 2, S. 310. 381 f.
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Zweites Kapitel. §. 118.
ben 4). Allein diese Demuthsreden kann nur ein verhär-
tetes Vorurtheil für das vierte Evangelium für tiefer aus-
geben, als dasjenige, was Jesus bei Einsetzung des Abend-
mahls von dem Genusse seines Leibes und Blutes im Brot
und Weine sagt.
Die Hauptsache ist nun aber, daſs uns die Harmoni-
sten nachweisen, wo denn Johannes, wenn er doch selbst
voraussetzen soll, Jesus habe bei dieser lezten Mahlzeit das
Abendmahl gestiftet, dieses übersprungen habe, — daſs
sie uns in der johanneischen Darstellung dieses lezten
Abends die Fuge zeigen, in welche sich jener Vorgang ein-
passen läſst. Sehen wir uns in den Commentaren um, so
scheint mehr als Eine Stelle sich zu solcher Einschiebung
vortrefflich zu eignen. Olshausen meint, am Ende des
13ten Kapitels, nach der Verkündigung der Verleugnung
des Petrus, sei die Stiftung des Abendmahls hineinzuden-
ken: mit dieser habe sich die Mahlzeit geschlossen, und
die folgenden Reden von 14, 1. an habe Jesus nach dem
Aufbruch vom Tische stehend im Saale noch gesprochen 5).
Allein hier scheint sich Olshausen, um zwischen 13, 38.
und 14, 1. einen Ruhepunkt zu bekommen, der Täuschung
hinzugeben, als ob das ἐγείρεσϑε, ἄγωμεν ἐντεῦϑεν, bei
welchem er Jesum vom Tische sich erheben und das folgen-
de noch stehend sprechen läſst, schon hier, am Ende des
13ten Kapitels, stände, da es doch erst am Ende des 14ten
sich findet. An unsrer Stelle ist kein Raum, um eine Sce-
ne wie das Abendmahl einzuschalten. Jesus hatte von sei-
nem Hingang, wohin ihm die Seinigen nicht folgen könn-
ten, gesprochen, und das vermessene Erbieten des Petrus,
das Leben für ihn zu lassen, durch die Voraussage seiner
Verleugnung zurückgewiesen: nun, 14, 1 ff., beruhigt er
die hiedurch erschütterten Gemüther wieder, indem er sie
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Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836, S. 419. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus02_1836/438>, abgerufen am 24.11.2024.
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