Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836.Zweites Kapitel. §. 116. als die spätere und abgeleitete betrachtet 6). Vor Allem sollder Umstand mit dem Wasserträger, welchen jene beiden geben, dem ursprünglichen Faktum angehören, in der Sage aber, bis sie an Matthäus kam, verloren gegangen, und nun das räthselhafte upagete pros ton deina an seine Stel- le gesetzt worden sein. Allein, wie wir gefunden haben, ist der deina vielmehr unverfänglich, der Wasserträger aber im höchsten Grade räthselhaft 7). Noch weniger lässt sich darin, dass Matthäus die abgeschickten Jünger nicht wie Lukas als den Petrus und Johannes bezeichnet, eine Spur finden, dass die Erzählung des dritten Evangeliums die ursprünglichere sei. Denn wenn Schleiermacher sagt, dieser Zug habe wohl im Hindurchgehen durch mehrere Hände verloren gehen, nicht leicht aber durch eine spätere Hand hinzukommen können, so ist die leztere Behauptung ohne Grund. So unwahrscheinlich es ist, dass zu einer so rein ökonomischen Bestellung Jesus gerade die beiden er- sten Apostel verwendet haben sollte, so leicht lässt sich denken, dass zuerst unbestimmt, wie wir bei Matthäus lesen, eine Sendung der oder einiger Jünger erzählt wur- de, deren Zahl hierauf, vielleicht aus der Erzählung von der Sendung nach dem Esel, auf zwei festgesezt, und die- se Stellen endlich, da es von einer Auswahl zu einem Ge- schäft von späterhin hoher Bedeutung -- der Bereitung des lezten Mahles Jesu -- sich handelte, durch die beiden ersten Apostel ausgefüllt wurden. So dass hier selbst Markus sich der ursprünglichen Wahrheit wieder mehr genähert zu haben scheint, indem er die von Lukas an die Hand gegebenen Namen der beiden Jünger in seine Erzählung nicht aufnahm. 6) Schulz, über das Abendmahl, S. 321; Schleiermacher, über den Lukas, S. 280. 7) s. Theile, über die lezte Mahlzeit Jesu, in Winer's und Engel- hardt's neuem krit. Journal, 2, S. 169. Anm. Das Leben Jesu II. Band. 26
Zweites Kapitel. §. 116. als die spätere und abgeleitete betrachtet 6). Vor Allem sollder Umstand mit dem Wasserträger, welchen jene beiden geben, dem ursprünglichen Faktum angehören, in der Sage aber, bis sie an Matthäus kam, verloren gegangen, und nun das räthselhafte ὑπάγετε πρὸς τὸν δεῖνα an seine Stel- le gesetzt worden sein. Allein, wie wir gefunden haben, ist der δεῖνα vielmehr unverfänglich, der Wasserträger aber im höchsten Grade räthselhaft 7). Noch weniger läſst sich darin, daſs Matthäus die abgeschickten Jünger nicht wie Lukas als den Petrus und Johannes bezeichnet, eine Spur finden, daſs die Erzählung des dritten Evangeliums die ursprünglichere sei. Denn wenn Schleiermacher sagt, dieser Zug habe wohl im Hindurchgehen durch mehrere Hände verloren gehen, nicht leicht aber durch eine spätere Hand hinzukommen können, so ist die leztere Behauptung ohne Grund. So unwahrscheinlich es ist, daſs zu einer so rein ökonomischen Bestellung Jesus gerade die beiden er- sten Apostel verwendet haben sollte, so leicht läſst sich denken, daſs zuerst unbestimmt, wie wir bei Matthäus lesen, eine Sendung der oder einiger Jünger erzählt wur- de, deren Zahl hierauf, vielleicht aus der Erzählung von der Sendung nach dem Esel, auf zwei festgesezt, und die- se Stellen endlich, da es von einer Auswahl zu einem Ge- schäft von späterhin hoher Bedeutung — der Bereitung des lezten Mahles Jesu — sich handelte, durch die beiden ersten Apostel ausgefüllt wurden. So daſs hier selbst Markus sich der ursprünglichen Wahrheit wieder mehr genähert zu haben scheint, indem er die von Lukas an die Hand gegebenen Namen der beiden Jünger in seine Erzählung nicht aufnahm. 6) Schulz, über das Abendmahl, S. 321; Schleiermacher, über den Lukas, S. 280. 7) s. Theile, über die lezte Mahlzeit Jesu, in Winer's und Engel- hardt's neuem krit. Journal, 2, S. 169. Anm. Das Leben Jesu II. Band. 26
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0420" n="401"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Zweites Kapitel</hi>. §. 116.</fw><lb/> als die spätere und abgeleitete betrachtet <note place="foot" n="6)"><hi rendition="#k">Schulz,</hi> über das Abendmahl, S. 321; <hi rendition="#k">Schleiermacher,</hi> über<lb/> den Lukas, S. 280.</note>. Vor Allem soll<lb/> der Umstand mit dem Wasserträger, welchen jene beiden<lb/> geben, dem ursprünglichen Faktum angehören, in der Sage<lb/> aber, bis sie an Matthäus kam, verloren gegangen, und<lb/> nun das räthselhafte <foreign xml:lang="ell">ὑπάγετε πρὸς τὸν δεῖνα</foreign> an seine Stel-<lb/> le gesetzt worden sein. Allein, wie wir gefunden haben,<lb/> ist der <foreign xml:lang="ell">δεῖνα</foreign> vielmehr unverfänglich, der Wasserträger<lb/> aber im höchsten Grade räthselhaft <note place="foot" n="7)">s. <hi rendition="#k">Theile,</hi> über die lezte Mahlzeit Jesu, in <hi rendition="#k">Winer</hi>'s und <hi rendition="#k">Engel-<lb/> hardt</hi>'s neuem krit. Journal, 2, S. 169. Anm.</note>. Noch weniger läſst<lb/> sich darin, daſs Matthäus die abgeschickten Jünger nicht<lb/> wie Lukas als den Petrus und Johannes bezeichnet, eine<lb/> Spur finden, daſs die Erzählung des dritten Evangeliums<lb/> die ursprünglichere sei. Denn wenn <hi rendition="#k">Schleiermacher</hi> sagt,<lb/> dieser Zug habe wohl im Hindurchgehen <choice><sic>dnrch</sic><corr>durch</corr></choice> mehrere<lb/> Hände verloren gehen, nicht leicht aber durch eine spätere<lb/> Hand hinzukommen können, so ist die leztere Behauptung<lb/> ohne Grund. So unwahrscheinlich es ist, daſs zu einer<lb/> so rein ökonomischen Bestellung Jesus gerade die beiden er-<lb/> sten Apostel verwendet haben sollte, so leicht läſst sich<lb/> denken, daſs zuerst unbestimmt, wie wir bei Matthäus<lb/> lesen, eine Sendung der oder einiger Jünger erzählt wur-<lb/> de, deren Zahl hierauf, vielleicht aus der Erzählung von<lb/> der Sendung nach dem Esel, auf zwei festgesezt, und die-<lb/> se Stellen endlich, da es von einer Auswahl zu einem Ge-<lb/> schäft von späterhin hoher Bedeutung — der Bereitung des<lb/> lezten Mahles Jesu — sich handelte, durch die beiden ersten<lb/> Apostel ausgefüllt wurden. So daſs hier selbst Markus<lb/> sich der ursprünglichen Wahrheit wieder mehr genähert<lb/> zu haben scheint, indem er die von Lukas an die Hand<lb/> gegebenen Namen der beiden Jünger in seine Erzählung<lb/> nicht aufnahm.</p> </div><lb/> <fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#i">Das Leben Jesu II. Band.</hi> 26</fw><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [401/0420]
Zweites Kapitel. §. 116.
als die spätere und abgeleitete betrachtet 6). Vor Allem soll
der Umstand mit dem Wasserträger, welchen jene beiden
geben, dem ursprünglichen Faktum angehören, in der Sage
aber, bis sie an Matthäus kam, verloren gegangen, und
nun das räthselhafte ὑπάγετε πρὸς τὸν δεῖνα an seine Stel-
le gesetzt worden sein. Allein, wie wir gefunden haben,
ist der δεῖνα vielmehr unverfänglich, der Wasserträger
aber im höchsten Grade räthselhaft 7). Noch weniger läſst
sich darin, daſs Matthäus die abgeschickten Jünger nicht
wie Lukas als den Petrus und Johannes bezeichnet, eine
Spur finden, daſs die Erzählung des dritten Evangeliums
die ursprünglichere sei. Denn wenn Schleiermacher sagt,
dieser Zug habe wohl im Hindurchgehen durch mehrere
Hände verloren gehen, nicht leicht aber durch eine spätere
Hand hinzukommen können, so ist die leztere Behauptung
ohne Grund. So unwahrscheinlich es ist, daſs zu einer
so rein ökonomischen Bestellung Jesus gerade die beiden er-
sten Apostel verwendet haben sollte, so leicht läſst sich
denken, daſs zuerst unbestimmt, wie wir bei Matthäus
lesen, eine Sendung der oder einiger Jünger erzählt wur-
de, deren Zahl hierauf, vielleicht aus der Erzählung von
der Sendung nach dem Esel, auf zwei festgesezt, und die-
se Stellen endlich, da es von einer Auswahl zu einem Ge-
schäft von späterhin hoher Bedeutung — der Bereitung des
lezten Mahles Jesu — sich handelte, durch die beiden ersten
Apostel ausgefüllt wurden. So daſs hier selbst Markus
sich der ursprünglichen Wahrheit wieder mehr genähert
zu haben scheint, indem er die von Lukas an die Hand
gegebenen Namen der beiden Jünger in seine Erzählung
nicht aufnahm.
6) Schulz, über das Abendmahl, S. 321; Schleiermacher, über
den Lukas, S. 280.
7) s. Theile, über die lezte Mahlzeit Jesu, in Winer's und Engel-
hardt's neuem krit. Journal, 2, S. 169. Anm.
Das Leben Jesu II. Band. 26
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |