den andern näher als von Matthäus bezeichnet, nämlich als ein grosses oberes Zimmer, welches bereits mit Polstern versehen, und zum Empfang von Gästen zugerichtet sei, theils wird namentlich die Art, wie sie den Eigenthümer desselben auffinden sollten, von jenen anders als von die- sem angegeben. Matthäus nämlich lässt Jesum nur sagen, sie sollten hingehen pros ton deina, die übrigen aber, sie würden, in die Stadt getreten, einem Menschen begegnen, welcher ein keramion udatos trage, dem sollten sie in das Haus, in welches er gehe, folgen, und daselbst mit dem Hausherrn unterhandeln.
In dieser Erzählung hat man eine Menge von Anstös- sen gefunden, welche Gabler in einer eigenen Abhandlung zusammengestellt hat 1). Schon das ist aufgefallen, dass Jesus erst am lezten Tage an die Bestellung des Mahles denken soll, ja nach den beiden ersten Evangelisten noch durch die Jünger daran erinnert werden muss, da doch bei dem grossen Andrang von Menschen in der Paschazeit (2,700,000 nach Josephus 2)) die städtischen Lokale bald vergeben waren, und die meisten Fremden vor der Stadt unter Zelten campiren mussten. Um so sonderbarer ist dann, dass demunerachtet die Boten Jesu das verlangte Zimmer nicht schon besetzt finden, sondern der Eigenthü- mer, als hätte er Jesu Bestellung geahnt, es für ihn auf- gehoben, und bereits für ein Gastmahl zugerichtet hatte. Und dessen versieht sich Jesus so gewiss, dass er den Haus- eigenthümer nicht erst fragen lässt, ob er bei ihm ein Lo- kal zur Paschamahlzeit bekommen könne, sondern ohne Weiteres, wo das für ihn geeignete Lokal sei? oder nach Matthäus ihm nur ansagen lässt, bei ihm werde er das Pa- scha essen; wozu noch kommt, dass nach Markus und Lu-
1) Über die Anordnung des lezten Paschamahls Jesu; in seinem neuesten theol. Journal, 2, 5, S. 441 ff.
2) bell. jud. 6, 9, 3.
Zweites Kapitel. §. 116.
den andern näher als von Matthäus bezeichnet, nämlich als ein groſses oberes Zimmer, welches bereits mit Polstern versehen, und zum Empfang von Gästen zugerichtet sei, theils wird namentlich die Art, wie sie den Eigenthümer desselben auffinden sollten, von jenen anders als von die- sem angegeben. Matthäus nämlich läſst Jesum nur sagen, sie sollten hingehen πρὸς τὸν δεῖνα, die übrigen aber, sie würden, in die Stadt getreten, einem Menschen begegnen, welcher ein κεράμιον ὕδατος trage, dem sollten sie in das Haus, in welches er gehe, folgen, und daselbst mit dem Hausherrn unterhandeln.
In dieser Erzählung hat man eine Menge von Anstös- sen gefunden, welche Gabler in einer eigenen Abhandlung zusammengestellt hat 1). Schon das ist aufgefallen, daſs Jesus erst am lezten Tage an die Bestellung des Mahles denken soll, ja nach den beiden ersten Evangelisten noch durch die Jünger daran erinnert werden muſs, da doch bei dem groſsen Andrang von Menschen in der Paschazeit (2,700,000 nach Josephus 2)) die städtischen Lokale bald vergeben waren, und die meisten Fremden vor der Stadt unter Zelten campiren muſsten. Um so sonderbarer ist dann, daſs demunerachtet die Boten Jesu das verlangte Zimmer nicht schon besetzt finden, sondern der Eigenthü- mer, als hätte er Jesu Bestellung geahnt, es für ihn auf- gehoben, und bereits für ein Gastmahl zugerichtet hatte. Und dessen versieht sich Jesus so gewiſs, daſs er den Haus- eigenthümer nicht erst fragen läſst, ob er bei ihm ein Lo- kal zur Paschamahlzeit bekommen könne, sondern ohne Weiteres, wo das für ihn geeignete Lokal sei? oder nach Matthäus ihm nur ansagen läſst, bei ihm werde er das Pa- scha essen; wozu noch kommt, daſs nach Markus und Lu-
1) Über die Anordnung des lezten Paschamahls Jesu; in seinem neuesten theol. Journal, 2, 5, S. 441 ff.
2) bell. jud. 6, 9, 3.
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Zweites Kapitel. §. 116.
den andern näher als von Matthäus bezeichnet, nämlich
als ein groſses oberes Zimmer, welches bereits mit Polstern
versehen, und zum Empfang von Gästen zugerichtet sei,
theils wird namentlich die Art, wie sie den Eigenthümer
desselben auffinden sollten, von jenen anders als von die-
sem angegeben. Matthäus nämlich läſst Jesum nur sagen,
sie sollten hingehen πρὸς τὸν δεῖνα, die übrigen aber, sie
würden, in die Stadt getreten, einem Menschen begegnen,
welcher ein κεράμιον ὕδατος trage, dem sollten sie in das
Haus, in welches er gehe, folgen, und daselbst mit dem
Hausherrn unterhandeln.
In dieser Erzählung hat man eine Menge von Anstös-
sen gefunden, welche Gabler in einer eigenen Abhandlung
zusammengestellt hat 1). Schon das ist aufgefallen, daſs
Jesus erst am lezten Tage an die Bestellung des Mahles
denken soll, ja nach den beiden ersten Evangelisten noch
durch die Jünger daran erinnert werden muſs, da doch
bei dem groſsen Andrang von Menschen in der Paschazeit
(2,700,000 nach Josephus 2)) die städtischen Lokale
bald vergeben waren, und die meisten Fremden vor der
Stadt unter Zelten campiren muſsten. Um so sonderbarer
ist dann, daſs demunerachtet die Boten Jesu das verlangte
Zimmer nicht schon besetzt finden, sondern der Eigenthü-
mer, als hätte er Jesu Bestellung geahnt, es für ihn auf-
gehoben, und bereits für ein Gastmahl zugerichtet hatte.
Und dessen versieht sich Jesus so gewiſs, daſs er den Haus-
eigenthümer nicht erst fragen läſst, ob er bei ihm ein Lo-
kal zur Paschamahlzeit bekommen könne, sondern ohne
Weiteres, wo das für ihn geeignete Lokal sei? oder nach
Matthäus ihm nur ansagen läſst, bei ihm werde er das Pa-
scha essen; wozu noch kommt, daſs nach Markus und Lu-
1) Über die Anordnung des lezten Paschamahls Jesu; in seinem
neuesten theol. Journal, 2, 5, S. 441 ff.
2) bell. jud. 6, 9, 3.
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Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836, S. 397. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus02_1836/416>, abgerufen am 24.11.2024.
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