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Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836.

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Dritter Abschnitt.
sen will, der geringe Lohn könne es nicht gewesen sein,
was den Judas zum Verräther machte; denn wie gering
oder bedeutend der Lohn war, welchen Judas bekam, wis-
sen wir geschichtlich gar nicht.

Da alle andern Gründe, welche für edlere Triebfedern
des Judas sprechen sollen, noch schwächer als die unter-
suchten sind: so finden wir uns immer wieder auf die Ge-
winnsucht zurückgewiesen, welche uns durch die evange-
lischen Nachrichten an die Hand gegeben ist, und sollte
diese als Motiv zu einem solchen Schritte nicht genügen,
so ist es besser gethan, die Unmöglichkeit, hierüber in's
Klare zu kommen, offen zu bekennen, als durch luftiges
Pragmatisiren die mangelhaften Data aufzuputzen 8).

§. 116.
Bestellung des Paschamahls.

Am ersten Tag der ungesäuerten Brote, an dessen
Abend das Paschalamm geschlachtet werden musste, also
den Tag vor dem eigentlichen Feste, welches aber an dem-
selben Abend noch seinen Anfang nahm, d. h. den 14ten
Nisan, soll Jesus, nach den zwei ersten Evangelien auf
eine von den Jüngern an ihn gerichtete Anfrage, nach Mat-
thäus unbestimmt, welche und wie viele, nach Markus zwei
Jünger, welche Lukas als den Petrus und Johannes be-
zeichnet, zur Stadt geschickt haben (vielleicht von Betha-
nien aus), um für die Festmahlzeit ein Lokal zu bestellen,
und die weiteren Anordnungen zu treffen (Matth. 26, 17 ff.
parall.). Was Jesus diesen Jüngern für eine Weisung ge-
geben, darin stimmen die drei Berichterstatter nicht ganz
überein. Nach allen schickt er sie zu einem Manne, bei
welchem sie nur im Auftrag des didaskalos ein Lokal zur
Paschafeier begehren dürften, um sogleich eines eingeräumt
zu kekommen; aber theils wird dieses Lokal von den bei-

8) Vgl. auch Fritzsche, in Matth. p. 759 f.

Dritter Abschnitt.
sen will, der geringe Lohn könne es nicht gewesen sein,
was den Judas zum Verräther machte; denn wie gering
oder bedeutend der Lohn war, welchen Judas bekam, wis-
sen wir geschichtlich gar nicht.

Da alle andern Gründe, welche für edlere Triebfedern
des Judas sprechen sollen, noch schwächer als die unter-
suchten sind: so finden wir uns immer wieder auf die Ge-
winnsucht zurückgewiesen, welche uns durch die evange-
lischen Nachrichten an die Hand gegeben ist, und sollte
diese als Motiv zu einem solchen Schritte nicht genügen,
so ist es besser gethan, die Unmöglichkeit, hierüber in's
Klare zu kommen, offen zu bekennen, als durch luftiges
Pragmatisiren die mangelhaften Data aufzuputzen 8).

§. 116.
Bestellung des Paschamahls.

Am ersten Tag der ungesäuerten Brote, an dessen
Abend das Paschalamm geschlachtet werden muſste, also
den Tag vor dem eigentlichen Feste, welches aber an dem-
selben Abend noch seinen Anfang nahm, d. h. den 14ten
Nisan, soll Jesus, nach den zwei ersten Evangelien auf
eine von den Jüngern an ihn gerichtete Anfrage, nach Mat-
thäus unbestimmt, welche und wie viele, nach Markus zwei
Jünger, welche Lukas als den Petrus und Johannes be-
zeichnet, zur Stadt geschickt haben (vielleicht von Betha-
nien aus), um für die Festmahlzeit ein Lokal zu bestellen,
und die weiteren Anordnungen zu treffen (Matth. 26, 17 ff.
parall.). Was Jesus diesen Jüngern für eine Weisung ge-
geben, darin stimmen die drei Berichterstatter nicht ganz
überein. Nach allen schickt er sie zu einem Manne, bei
welchem sie nur im Auftrag des διδάσκαλος ein Lokal zur
Paschafeier begehren dürften, um sogleich eines eingeräumt
zu kekommen; aber theils wird dieses Lokal von den bei-

8) Vgl. auch Fritzsche, in Matth. p. 759 f.
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[396/0415] Dritter Abschnitt. sen will, der geringe Lohn könne es nicht gewesen sein, was den Judas zum Verräther machte; denn wie gering oder bedeutend der Lohn war, welchen Judas bekam, wis- sen wir geschichtlich gar nicht. Da alle andern Gründe, welche für edlere Triebfedern des Judas sprechen sollen, noch schwächer als die unter- suchten sind: so finden wir uns immer wieder auf die Ge- winnsucht zurückgewiesen, welche uns durch die evange- lischen Nachrichten an die Hand gegeben ist, und sollte diese als Motiv zu einem solchen Schritte nicht genügen, so ist es besser gethan, die Unmöglichkeit, hierüber in's Klare zu kommen, offen zu bekennen, als durch luftiges Pragmatisiren die mangelhaften Data aufzuputzen 8). §. 116. Bestellung des Paschamahls. Am ersten Tag der ungesäuerten Brote, an dessen Abend das Paschalamm geschlachtet werden muſste, also den Tag vor dem eigentlichen Feste, welches aber an dem- selben Abend noch seinen Anfang nahm, d. h. den 14ten Nisan, soll Jesus, nach den zwei ersten Evangelien auf eine von den Jüngern an ihn gerichtete Anfrage, nach Mat- thäus unbestimmt, welche und wie viele, nach Markus zwei Jünger, welche Lukas als den Petrus und Johannes be- zeichnet, zur Stadt geschickt haben (vielleicht von Betha- nien aus), um für die Festmahlzeit ein Lokal zu bestellen, und die weiteren Anordnungen zu treffen (Matth. 26, 17 ff. parall.). Was Jesus diesen Jüngern für eine Weisung ge- geben, darin stimmen die drei Berichterstatter nicht ganz überein. Nach allen schickt er sie zu einem Manne, bei welchem sie nur im Auftrag des διδάσκαλος ein Lokal zur Paschafeier begehren dürften, um sogleich eines eingeräumt zu kekommen; aber theils wird dieses Lokal von den bei- 8) Vgl. auch Fritzsche, in Matth. p. 759 f.

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Zitationshilfe: Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836, S. 396. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus02_1836/415>, abgerufen am 24.11.2024.