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Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836.

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Zweites Kapitel. §. 113.
und dann die Römer zerstörend einschreiten; worauf der
Hohepriester Kaiphas den verhängnissvollen Ausspruch that,
es sei besser, dass Ein Mensch für das Volk sterbe, als
dass das ganze Volk zu Grunde gehe. Nun war sein Tod
beschlossen, und es wurde jedem zur Pflicht gemacht, sei-
nen Aufenthaltsort anzuzeigen, um sich seiner Person be-
mächtigen zu können (11, 46.).

In Bezug auf diese Differenz bemerkt die neuere Kri-
tik, dass wir aus den synoptischen Berichten die tragische
Wendung des Schicksals Jesu gar nicht begreifen würden,
und nur Johannes einen Blick in die stufenweise Steige-
rung der Spannung zwischen der hierarchischen Partei
und Jesu uns eröffne, kurz, dass namentlich auch in die-
sem Stück die Darstellung des vierten Evangeliums als eine
pragmatische sich zeige, was die der übrigen nicht sei 2).
Allein, was hier an stufenweisem Fortschreiten die johan-
neische Erzählung voraushaben soll, ist schwer einzusehen,
da ja gleich die erste bestimmtere Angabe über das sich
bildende Missverhältniss (5, 18.) in dem ison eauton poion
to theo das Höchste des Anstosses, in dem ezetoun auton
apokteinai aber das Höchste der Feindseligkeit enthält, so
dass Alles, was weiter von der Feindschaft der Ioudaioi er-
zählt wird, blosse Wiederholung ist, und nur der Syne-
driumsbeschluss Kap. 11. als Fortschritt zum Bestimmteren
sich darstellt. In diesem Sinne fehlt aber auch der syn-
optischen Darstellung der Fortschritt nicht, von dem un-
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Iesou (Luc. 11, 54. 6, 11.), oder, wie es bei Matthäus
(12, 14.) und Markus (3, 6.) bestimmter lautet, sumbou-
lion lambanein opos auton apolesosin, bis zu dem in Be-
zug auf Art (dolo) und Zeit (me en te eorte) nunmehr
genau bestimmten Beschlusse (Matth. 26, 4 f. parall.). --

2) Schneckenburger, über den Ursprung, S. 9 f. Lücke, 1,
S. 133. 159. 2, S. 402.

Zweites Kapitel. §. 113.
und dann die Römer zerstörend einschreiten; worauf der
Hohepriester Kaiphas den verhängniſsvollen Ausspruch that,
es sei besser, daſs Ein Mensch für das Volk sterbe, als
daſs das ganze Volk zu Grunde gehe. Nun war sein Tod
beschlossen, und es wurde jedem zur Pflicht gemacht, sei-
nen Aufenthaltsort anzuzeigen, um sich seiner Person be-
mächtigen zu können (11, 46.).

In Bezug auf diese Differenz bemerkt die neuere Kri-
tik, daſs wir aus den synoptischen Berichten die tragische
Wendung des Schicksals Jesu gar nicht begreifen würden,
und nur Johannes einen Blick in die stufenweise Steige-
rung der Spannung zwischen der hierarchischen Partei
und Jesu uns eröffne, kurz, daſs namentlich auch in die-
sem Stück die Darstellung des vierten Evangeliums als eine
pragmatische sich zeige, was die der übrigen nicht sei 2).
Allein, was hier an stufenweisem Fortschreiten die johan-
neische Erzählung voraushaben soll, ist schwer einzusehen,
da ja gleich die erste bestimmtere Angabe über das sich
bildende Miſsverhältniſs (5, 18.) in dem ἴσον ἑαυτὸν ποιῶν
τῷ ϑεῷ das Höchste des Anstoſses, in dem ἐζήτουν αὐτὸν
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zählt wird, bloſse Wiederholung ist, und nur der Syne-
driumsbeschluſs Kap. 11. als Fortschritt zum Bestimmteren
sich darstellt. In diesem Sinne fehlt aber auch der syn-
optischen Darstellung der Fortschritt nicht, von dem un-
bestimmten ἐνεδρεύειν und διαλαλεῖν, τί ἂν ποιήσειαν τῷ
Ἰησοῦ (Luc. 11, 54. 6, 11.), oder, wie es bei Matthäus
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λιον λαμβάνειν ὅπως αὐτὸν ἀπολέσωσιν, bis zu dem in Be-
zug auf Art (δόλῳ) und Zeit (μὴ ἐν τῇ ἑορτῇ) nunmehr
genau bestimmten Beschlusse (Matth. 26, 4 f. parall.). —

2) Schneckenburger, über den Ursprung, S. 9 f. Lücke, 1,
S. 133. 159. 2, S. 402.
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[377/0396] Zweites Kapitel. §. 113. und dann die Römer zerstörend einschreiten; worauf der Hohepriester Kaiphas den verhängniſsvollen Ausspruch that, es sei besser, daſs Ein Mensch für das Volk sterbe, als daſs das ganze Volk zu Grunde gehe. Nun war sein Tod beschlossen, und es wurde jedem zur Pflicht gemacht, sei- nen Aufenthaltsort anzuzeigen, um sich seiner Person be- mächtigen zu können (11, 46.). In Bezug auf diese Differenz bemerkt die neuere Kri- tik, daſs wir aus den synoptischen Berichten die tragische Wendung des Schicksals Jesu gar nicht begreifen würden, und nur Johannes einen Blick in die stufenweise Steige- rung der Spannung zwischen der hierarchischen Partei und Jesu uns eröffne, kurz, daſs namentlich auch in die- sem Stück die Darstellung des vierten Evangeliums als eine pragmatische sich zeige, was die der übrigen nicht sei 2). Allein, was hier an stufenweisem Fortschreiten die johan- neische Erzählung voraushaben soll, ist schwer einzusehen, da ja gleich die erste bestimmtere Angabe über das sich bildende Miſsverhältniſs (5, 18.) in dem ἴσον ἑαυτὸν ποιῶν τῷ ϑεῷ das Höchste des Anstoſses, in dem ἐζήτουν αὐτὸν ἀποκτεῖναι aber das Höchste der Feindseligkeit enthält, so daſs Alles, was weiter von der Feindschaft der Ἰουδαῖοι er- zählt wird, bloſse Wiederholung ist, und nur der Syne- driumsbeschluſs Kap. 11. als Fortschritt zum Bestimmteren sich darstellt. In diesem Sinne fehlt aber auch der syn- optischen Darstellung der Fortschritt nicht, von dem un- bestimmten ἐνεδρεύειν und διαλαλεῖν, τί ἂν ποιήσειαν τῷ Ἰησοῦ (Luc. 11, 54. 6, 11.), oder, wie es bei Matthäus (12, 14.) und Markus (3, 6.) bestimmter lautet, συμβου- λιον λαμβάνειν ὅπως αὐτὸν ἀπολέσωσιν, bis zu dem in Be- zug auf Art (δόλῳ) und Zeit (μὴ ἐν τῇ ἑορτῇ) nunmehr genau bestimmten Beschlusse (Matth. 26, 4 f. parall.). — 2) Schneckenburger, über den Ursprung, S. 9 f. Lücke, 1, S. 133. 159. 2, S. 402.

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Zitationshilfe: Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836, S. 377. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus02_1836/396>, abgerufen am 25.11.2024.