Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836.Dritter Abschnitt. jesaianischen Stelle einen leidenden und sterbenden Messiasgefunden. Allerdings bezeugen Abenesra, Abarbanel und Andre, manche alte Lehrer haben Jes. 53. auf den Mes- sias bezogen 15): allein einige dieser Angaben lassen dun- kel, ob nicht ebenso bloss stückweise, wie Jonathan, und bei allen bleibt zweifelhaft, ob die Erklärer, von denen sie sprechen, zum Alter Jonathan's hinaufreichen, was ohnehin von den Theilen des Buchs Sohar, welche die bezeichnete Stelle auf den leidenden Messias deuten 16), unwahrscheinlich ist. Diejenige Schrift aber, welche ne- ben Jonathan noch am nächsten an die Zeit Jesu hinanrei- chen möchte, das pseudepigraphische vierte Buch Esra, der wahrscheinlichsten Rechnung zufolge kurz nach der Zerstörung Jerusalems unter Titus abgefasst 17), erwähnt zwar des Todes des Messias, aber nicht eines leidensvollen, sondern nur eines solchen, wie er nach der langen Dauer des messianischen Reichs der allgemeinen Auferstehung vor- angehen sollte 18). Die Vorstellung von grossen Drangsa- len allerdings, welche gleichsam als Geburtswehen des Messias (hbly hmyshykh, vgl. arkhe odinon Matth. 24, 8.) der messianischen Zeit vorangehen würden, ist ohne Zweifel schon vor Christo verbreitet gewesen 19), und ebenso frü- he scheint an die Spitze dieser, besonders das Volk Israel bedrängenden Übel der antikhrisos gestellt worden zu sein, welchen der khrisos zu bekämpfen haben würde (2 Thess. enos tou olou laou, kai genomenouen te diaspora, kai plegentos, ina polloi proselutoi gegontai. 15) s. bei Schöttgen, 2, S. 182 f. Eisenmenger, entdecktes Ju- denthum, 2, S. 758. 16) bei Schöttgen, 2, S. 181 f. 17) de Wette, de morte Chr. expiatoria, a. a. O. S. 50. 18) Cap. 7, 29. 19) Schöttgen, 2, S. 509 ff. Schmidt, Christologische Fragmente,
in seiner Bibliothek, 1, S. 24 ff. Bertholdt, Christol. Jud. §. 13. Dritter Abschnitt. jesaianischen Stelle einen leidenden und sterbenden Messiasgefunden. Allerdings bezeugen Abenesra, Abarbanel und Andre, manche alte Lehrer haben Jes. 53. auf den Mes- sias bezogen 15): allein einige dieser Angaben lassen dun- kel, ob nicht ebenso bloſs stückweise, wie Jonathan, und bei allen bleibt zweifelhaft, ob die Erklärer, von denen sie sprechen, zum Alter Jonathan's hinaufreichen, was ohnehin von den Theilen des Buchs Sohar, welche die bezeichnete Stelle auf den leidenden Messias deuten 16), unwahrscheinlich ist. Diejenige Schrift aber, welche ne- ben Jonathan noch am nächsten an die Zeit Jesu hinanrei- chen möchte, das pseudepigraphische vierte Buch Esra, der wahrscheinlichsten Rechnung zufolge kurz nach der Zerstörung Jerusalems unter Titus abgefaſst 17), erwähnt zwar des Todes des Messias, aber nicht eines leidensvollen, sondern nur eines solchen, wie er nach der langen Dauer des messianischen Reichs der allgemeinen Auferstehung vor- angehen sollte 18). Die Vorstellung von groſsen Drangsa- len allerdings, welche gleichsam als Geburtswehen des Messias (הבלי המישיח, vgl. ἀρχὴ ὠδίνων Matth. 24, 8.) der messianischen Zeit vorangehen würden, ist ohne Zweifel schon vor Christo verbreitet gewesen 19), und ebenso frü- he scheint an die Spitze dieser, besonders das Volk Israël bedrängenden Übel der ἀντίχριςος gestellt worden zu sein, welchen der χριςὸς zu bekämpfen haben würde (2 Thess. ἑνὸς τοῦ ὅλου λαοῦ, καὶ γενομένουἐν τῇ διασπορᾷ, καὶ πληγέντος, ἵνα πολλοὶ προσήλυτοι γέγωνται. 15) s. bei Schöttgen, 2, S. 182 f. Eisenmenger, entdecktes Ju- denthum, 2, S. 758. 16) bei Schöttgen, 2, S. 181 f. 17) de Wette, de morte Chr. expiatoria, a. a. O. S. 50. 18) Cap. 7, 29. 19) Schöttgen, 2, S. 509 ff. Schmidt, Christologische Fragmente,
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Dritter Abschnitt.
jesaianischen Stelle einen leidenden und sterbenden Messias
gefunden. Allerdings bezeugen Abenesra, Abarbanel und
Andre, manche alte Lehrer haben Jes. 53. auf den Mes-
sias bezogen 15): allein einige dieser Angaben lassen dun-
kel, ob nicht ebenso bloſs stückweise, wie Jonathan, und
bei allen bleibt zweifelhaft, ob die Erklärer, von denen
sie sprechen, zum Alter Jonathan's hinaufreichen, was
ohnehin von den Theilen des Buchs Sohar, welche die
bezeichnete Stelle auf den leidenden Messias deuten 16),
unwahrscheinlich ist. Diejenige Schrift aber, welche ne-
ben Jonathan noch am nächsten an die Zeit Jesu hinanrei-
chen möchte, das pseudepigraphische vierte Buch Esra,
der wahrscheinlichsten Rechnung zufolge kurz nach der
Zerstörung Jerusalems unter Titus abgefaſst 17), erwähnt
zwar des Todes des Messias, aber nicht eines leidensvollen,
sondern nur eines solchen, wie er nach der langen Dauer
des messianischen Reichs der allgemeinen Auferstehung vor-
angehen sollte 18). Die Vorstellung von groſsen Drangsa-
len allerdings, welche gleichsam als Geburtswehen des
Messias (הבלי המישיח, vgl. ἀρχὴ ὠδίνων Matth. 24, 8.) der
messianischen Zeit vorangehen würden, ist ohne Zweifel
schon vor Christo verbreitet gewesen 19), und ebenso frü-
he scheint an die Spitze dieser, besonders das Volk Israël
bedrängenden Übel der ἀντίχριςος gestellt worden zu sein,
welchen der χριςὸς zu bekämpfen haben würde (2 Thess.
14)
15) s. bei Schöttgen, 2, S. 182 f. Eisenmenger, entdecktes Ju-
denthum, 2, S. 758.
16) bei Schöttgen, 2, S. 181 f.
17) de Wette, de morte Chr. expiatoria, a. a. O. S. 50.
18) Cap. 7, 29.
19) Schöttgen, 2, S. 509 ff. Schmidt, Christologische Fragmente,
in seiner Bibliothek, 1, S. 24 ff. Bertholdt, Christol. Jud.
§. 13.
14) ἑνὸς τοῦ ὅλου λαοῦ, καὶ γενομένουἐν τῇ διασπορᾷ, καὶ πληγέντος,
ἵνα πολλοὶ προσήλυτοι γέγωνται.
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