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Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836.

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Dritter Abschnitt.
wesen sei. Allein beide Stellen sind bereits oben als un-
historisch nachgewiesen, und es darf daraus, dass die ur-
christliche Sage geraume Zeit nach dem Erfolge sich be-
wogen fand, Personen, welche sie für gottbegeisterte hielt,
eine Vorkenntniss des göttlichen Rathschlusses hinsichtlich
des Todes Jesu in den Mund zu legen, keineswegs gefol-
gert werden, dass wirklich schon vor dem Tode Jesu die-
se Einsicht vorhanden gewesen. -- Schliesslich wird das
noch geltend gemacht, dass die Evangelisten und Apostel
die Idee eines leidenden und sterbenden Messias im A. T.
nachweisen, woraus man schliessen zu dürfen glaubt, dass
diese Deutung der betreffenden A. T.lichen Stellen damals
unter den Juden nicht unerhört gewesen sei. Allerdings
berufen sich Petrus (A. G. 3, 18. 1. Petr. 1, 11 f.) und
Paulus (A. G. 26, 22 f. 1. Kor. 15, 3.) auf Moses und
die Propheten als Verkündiger des Todes Jesu, und Phi-
lippus deutet dem äthiopischen Eunuchen die Stelle Jes. 53.
auf die Leiden Christi (A. G. 8, 35.): allein, da die ge-
nannten Männer alles diess nach dem Erfolg sprachen und
schrieben, so haben wir keine Sicherheit, ob sie nicht auch
bloss aus dem Erfolg heraus, und ohne sich an eine unter
ihren jüdischen Zeitgenossen übliche Auslegungsweise an-
zuschliessen, jenen A. T.lichen Stellen eine Beziehung auf
das Leiden des Messias gegeben haben 12).

Wenn auf diese Weise die Annahme, dass die in Frage
stehende Idee schon zu Jesu Lebzeiten unter seinen Volks-
genossen vorhanden gewesen sei, im N. T. keinen festen
Grund hat: so fragt sich jezt, ob ein solcher vielleicht in
den späteren jüdischen Schriften zu finden ist. Zu den äl-
testen uns übrigen Schriften dieser Klasse gehören die bei-
den chaldäischen Paraphrasen von Onkelos und Jonathan,
und von diesen pflegt das Targum des lezteren, der rab-

12) s. de Wette, de morte Chr. p. 73 f.

Dritter Abschnitt.
wesen sei. Allein beide Stellen sind bereits oben als un-
historisch nachgewiesen, und es darf daraus, daſs die ur-
christliche Sage geraume Zeit nach dem Erfolge sich be-
wogen fand, Personen, welche sie für gottbegeisterte hielt,
eine Vorkenntniſs des göttlichen Rathschlusses hinsichtlich
des Todes Jesu in den Mund zu legen, keineswegs gefol-
gert werden, daſs wirklich schon vor dem Tode Jesu die-
se Einsicht vorhanden gewesen. — Schlieſslich wird das
noch geltend gemacht, daſs die Evangelisten und Apostel
die Idee eines leidenden und sterbenden Messias im A. T.
nachweisen, woraus man schlieſsen zu dürfen glaubt, daſs
diese Deutung der betreffenden A. T.lichen Stellen damals
unter den Juden nicht unerhört gewesen sei. Allerdings
berufen sich Petrus (A. G. 3, 18. 1. Petr. 1, 11 f.) und
Paulus (A. G. 26, 22 f. 1. Kor. 15, 3.) auf Moses und
die Propheten als Verkündiger des Todes Jesu, und Phi-
lippus deutet dem äthiopischen Eunuchen die Stelle Jes. 53.
auf die Leiden Christi (A. G. 8, 35.): allein, da die ge-
nannten Männer alles dieſs nach dem Erfolg sprachen und
schrieben, so haben wir keine Sicherheit, ob sie nicht auch
bloſs aus dem Erfolg heraus, und ohne sich an eine unter
ihren jüdischen Zeitgenossen übliche Auslegungsweise an-
zuschlieſsen, jenen A. T.lichen Stellen eine Beziehung auf
das Leiden des Messias gegeben haben 12).

Wenn auf diese Weise die Annahme, daſs die in Frage
stehende Idee schon zu Jesu Lebzeiten unter seinen Volks-
genossen vorhanden gewesen sei, im N. T. keinen festen
Grund hat: so fragt sich jezt, ob ein solcher vielleicht in
den späteren jüdischen Schriften zu finden ist. Zu den äl-
testen uns übrigen Schriften dieser Klasse gehören die bei-
den chaldäischen Paraphrasen von Onkelos und Jonathan,
und von diesen pflegt das Targum des lezteren, der rab-

12) s. de Wette, de morte Chr. p. 73 f.
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[318/0337] Dritter Abschnitt. wesen sei. Allein beide Stellen sind bereits oben als un- historisch nachgewiesen, und es darf daraus, daſs die ur- christliche Sage geraume Zeit nach dem Erfolge sich be- wogen fand, Personen, welche sie für gottbegeisterte hielt, eine Vorkenntniſs des göttlichen Rathschlusses hinsichtlich des Todes Jesu in den Mund zu legen, keineswegs gefol- gert werden, daſs wirklich schon vor dem Tode Jesu die- se Einsicht vorhanden gewesen. — Schlieſslich wird das noch geltend gemacht, daſs die Evangelisten und Apostel die Idee eines leidenden und sterbenden Messias im A. T. nachweisen, woraus man schlieſsen zu dürfen glaubt, daſs diese Deutung der betreffenden A. T.lichen Stellen damals unter den Juden nicht unerhört gewesen sei. Allerdings berufen sich Petrus (A. G. 3, 18. 1. Petr. 1, 11 f.) und Paulus (A. G. 26, 22 f. 1. Kor. 15, 3.) auf Moses und die Propheten als Verkündiger des Todes Jesu, und Phi- lippus deutet dem äthiopischen Eunuchen die Stelle Jes. 53. auf die Leiden Christi (A. G. 8, 35.): allein, da die ge- nannten Männer alles dieſs nach dem Erfolg sprachen und schrieben, so haben wir keine Sicherheit, ob sie nicht auch bloſs aus dem Erfolg heraus, und ohne sich an eine unter ihren jüdischen Zeitgenossen übliche Auslegungsweise an- zuschlieſsen, jenen A. T.lichen Stellen eine Beziehung auf das Leiden des Messias gegeben haben 12). Wenn auf diese Weise die Annahme, daſs die in Frage stehende Idee schon zu Jesu Lebzeiten unter seinen Volks- genossen vorhanden gewesen sei, im N. T. keinen festen Grund hat: so fragt sich jezt, ob ein solcher vielleicht in den späteren jüdischen Schriften zu finden ist. Zu den äl- testen uns übrigen Schriften dieser Klasse gehören die bei- den chaldäischen Paraphrasen von Onkelos und Jonathan, und von diesen pflegt das Targum des lezteren, der rab- 12) s. de Wette, de morte Chr. p. 73 f.

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Zitationshilfe: Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836, S. 318. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus02_1836/337>, abgerufen am 24.11.2024.