Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836.Neuntes Kapitel. §. 88. liegende Ansicht desswegen nichts, weil sich seiner grie-chischen Bildung wegen sehr fragt, ob er jene Lehre in der ursprünglich jüdischen, oder in gräcisirter Gestalt wiedergiebt. Darf man nun annehmen, dass die Dämo- nenlehre zu den Hebräern von Persien her gekommen sei: so waren die Dew's der Zendreligion bekanntlich vor der Menschenwelt entstandene, von Hause aus böse Geister, an welchen der Hebraismus für sich nur den lezteren, dem Dualismus angehörigen Zug, nicht aber den ersteren, zu verwischen veranlasst sein konnte. So wurden die Dämonen in der hebräischen Ansicht die gefallenen Engel von 1 Mos. 9, die Seelen ihrer Kinder, der Riesen, und der grossen Verbrecher vor und unmittelbar nach der Sündfluth überhaupt, welche die Volksvorstellung allmäh- lig in das Übermenschliche hinaufgesteigert hatte; über den Kreis dieser Seelen jedoch, die man sich als den Hofstaat des Satans denken mochte, lag in den Vorstel- lungen der Hebräer kein Grund herabzusteigen. Ein sol- cher lag nur in der mit der hebräischen zusammentreffen- den griechisch-römischen Bildung: diese hatte keinen Satan, also auch keinen eigenthümlichen, ihm dienenden Geisterstaat, wohl aber hatte sie ihre Manen, Lemuren u. dgl., sämmtlich abgeschiedene Menschengeister, welche die Lebenden beunruhigten. Produkt nun der Ausglei- chung jener jüdischen Vorstellungen, mit diesen griechisch- römischen scheint die Darstellungsweise des Josephus und Justin, wie auch der späteren Rabbinen zu sein: dass aber auch schon im N. T. eine solche zu finden sei, folgt hieraus nicht. Sondern, wenn wir hier diese gräcisirte Vorstellungsweise nicht positiv angezeigt finden, wie sie es denn nirgends ist, vielmehr an einigen Orten die Dä- monen mit dem Satan als sein zugehöriger Haushalt in Verbindung gesezt sind: so müssen wir, bei der sonsti- gen (soweit keine Umbildung in christlichem Sinne ein- trat) unvermischt jüdischen Denkweise der synoptischen Neuntes Kapitel. §. 88. liegende Ansicht deſswegen nichts, weil sich seiner grie-chischen Bildung wegen sehr fragt, ob er jene Lehre in der ursprünglich jüdischen, oder in gräcisirter Gestalt wiedergiebt. Darf man nun annehmen, daſs die Dämo- nenlehre zu den Hebräern von Persien her gekommen sei: so waren die Dew's der Zendreligion bekanntlich vor der Menschenwelt entstandene, von Hause aus böse Geister, an welchen der Hebraismus für sich nur den lezteren, dem Dualismus angehörigen Zug, nicht aber den ersteren, zu verwischen veranlaſst sein konnte. So wurden die Dämonen in der hebräischen Ansicht die gefallenen Engel von 1 Mos. 9, die Seelen ihrer Kinder, der Riesen, und der groſsen Verbrecher vor und unmittelbar nach der Sündfluth überhaupt, welche die Volksvorstellung allmäh- lig in das Übermenschliche hinaufgesteigert hatte; über den Kreis dieser Seelen jedoch, die man sich als den Hofstaat des Satans denken mochte, lag in den Vorstel- lungen der Hebräer kein Grund herabzusteigen. Ein sol- cher lag nur in der mit der hebräischen zusammentreffen- den griechisch-römischen Bildung: diese hatte keinen Satan, also auch keinen eigenthümlichen, ihm dienenden Geisterstaat, wohl aber hatte sie ihre Manen, Lemuren u. dgl., sämmtlich abgeschiedene Menschengeister, welche die Lebenden beunruhigten. Produkt nun der Ausglei- chung jener jüdischen Vorstellungen, mit diesen griechisch- römischen scheint die Darstellungsweise des Josephus und Justin, wie auch der späteren Rabbinen zu sein: daſs aber auch schon im N. T. eine solche zu finden sei, folgt hieraus nicht. Sondern, wenn wir hier diese gräcisirte Vorstellungsweise nicht positiv angezeigt finden, wie sie es denn nirgends ist, vielmehr an einigen Orten die Dä- monen mit dem Satan als sein zugehöriger Haushalt in Verbindung gesezt sind: so müssen wir, bei der sonsti- gen (soweit keine Umbildung in christlichem Sinne ein- trat) unvermischt jüdischen Denkweise der synoptischen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0032" n="13"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Neuntes Kapitel</hi>. §. 88.</fw><lb/> liegende Ansicht deſswegen nichts, weil sich seiner grie-<lb/> chischen Bildung wegen sehr fragt, ob er jene Lehre in<lb/> der ursprünglich jüdischen, oder in gräcisirter Gestalt<lb/> wiedergiebt. Darf man nun annehmen, daſs die Dämo-<lb/> nenlehre zu den Hebräern von Persien her gekommen sei:<lb/> so waren die Dew's der Zendreligion bekanntlich vor der<lb/> Menschenwelt entstandene, von Hause aus böse Geister,<lb/> an welchen der Hebraismus für sich nur den lezteren,<lb/> dem Dualismus angehörigen Zug, nicht aber den ersteren,<lb/> zu verwischen veranlaſst sein konnte. So wurden die<lb/> Dämonen in der hebräischen Ansicht die gefallenen Engel<lb/> von 1 Mos. 9, die Seelen ihrer Kinder, der Riesen, und<lb/> der groſsen Verbrecher vor und unmittelbar nach der<lb/> Sündfluth überhaupt, welche die Volksvorstellung allmäh-<lb/> lig in das Übermenschliche hinaufgesteigert hatte; über<lb/> den Kreis dieser Seelen jedoch, die man sich als den<lb/> Hofstaat des Satans denken mochte, lag in den Vorstel-<lb/> lungen der Hebräer kein Grund herabzusteigen. Ein sol-<lb/> cher lag nur in der mit der hebräischen zusammentreffen-<lb/> den griechisch-römischen Bildung: diese hatte keinen<lb/> Satan, also auch keinen eigenthümlichen, ihm dienenden<lb/> Geisterstaat, wohl aber hatte sie ihre Manen, Lemuren<lb/> u. dgl., sämmtlich abgeschiedene Menschengeister, welche<lb/> die Lebenden beunruhigten. Produkt nun der Ausglei-<lb/> chung jener jüdischen Vorstellungen, mit diesen griechisch-<lb/> römischen scheint die Darstellungsweise des Josephus und<lb/> Justin, wie auch der späteren Rabbinen zu sein: daſs<lb/> aber auch schon im N. T. eine solche zu finden sei, folgt<lb/> hieraus nicht. Sondern, wenn wir hier diese gräcisirte<lb/> Vorstellungsweise nicht positiv angezeigt finden, wie sie<lb/> es denn nirgends ist, vielmehr an einigen Orten die Dä-<lb/> monen mit dem Satan als sein zugehöriger Haushalt in<lb/> Verbindung gesezt sind: so müssen wir, bei der sonsti-<lb/> gen (soweit keine Umbildung in christlichem Sinne ein-<lb/> trat) unvermischt jüdischen Denkweise der synoptischen<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [13/0032]
Neuntes Kapitel. §. 88.
liegende Ansicht deſswegen nichts, weil sich seiner grie-
chischen Bildung wegen sehr fragt, ob er jene Lehre in
der ursprünglich jüdischen, oder in gräcisirter Gestalt
wiedergiebt. Darf man nun annehmen, daſs die Dämo-
nenlehre zu den Hebräern von Persien her gekommen sei:
so waren die Dew's der Zendreligion bekanntlich vor der
Menschenwelt entstandene, von Hause aus böse Geister,
an welchen der Hebraismus für sich nur den lezteren,
dem Dualismus angehörigen Zug, nicht aber den ersteren,
zu verwischen veranlaſst sein konnte. So wurden die
Dämonen in der hebräischen Ansicht die gefallenen Engel
von 1 Mos. 9, die Seelen ihrer Kinder, der Riesen, und
der groſsen Verbrecher vor und unmittelbar nach der
Sündfluth überhaupt, welche die Volksvorstellung allmäh-
lig in das Übermenschliche hinaufgesteigert hatte; über
den Kreis dieser Seelen jedoch, die man sich als den
Hofstaat des Satans denken mochte, lag in den Vorstel-
lungen der Hebräer kein Grund herabzusteigen. Ein sol-
cher lag nur in der mit der hebräischen zusammentreffen-
den griechisch-römischen Bildung: diese hatte keinen
Satan, also auch keinen eigenthümlichen, ihm dienenden
Geisterstaat, wohl aber hatte sie ihre Manen, Lemuren
u. dgl., sämmtlich abgeschiedene Menschengeister, welche
die Lebenden beunruhigten. Produkt nun der Ausglei-
chung jener jüdischen Vorstellungen, mit diesen griechisch-
römischen scheint die Darstellungsweise des Josephus und
Justin, wie auch der späteren Rabbinen zu sein: daſs
aber auch schon im N. T. eine solche zu finden sei, folgt
hieraus nicht. Sondern, wenn wir hier diese gräcisirte
Vorstellungsweise nicht positiv angezeigt finden, wie sie
es denn nirgends ist, vielmehr an einigen Orten die Dä-
monen mit dem Satan als sein zugehöriger Haushalt in
Verbindung gesezt sind: so müssen wir, bei der sonsti-
gen (soweit keine Umbildung in christlichem Sinne ein-
trat) unvermischt jüdischen Denkweise der synoptischen
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |